Fanfic: Sturm der Gefühle
Untertitel: wenn nichts mehr hilft...
Kapitel: Schrei im Stillen
Ein Schrei im Stillen…
Eine kleine Zankerei… ja, so hat alles angefangen an diesem kalten Nachmittag. Ein Freund und ich sitzen am Bahnhof und zählen uns gegenseitig auf, wie viele Pickel wie haben, als ich im Scherz meine, sein ganzer Kopf wäre ein einziger Pickel. Ein Schabernack… nichts weiter, doch er meint:
„Ja und? Jemand hat zu mir gesagt, DU wärst ein einziger Pickel!“
„Wer ist ein einziger Pickel?“, frage ich, weil ich diese Aussage nicht richtig verstanden habe und er sagt:
„Na du eben!“
Ich erstarre innerlich, lasse jedoch nichts nach Aussen dringen.
„Das hat jemand über mich gesagt?“
„Ja!“
Ich verstumme, als wir in unseren Zug einsteigen um nach hause zu fahren. Es ist nur ein Satz, denke ich, ein Satz von jemanden, den du nicht einmal kennst… und doch trifft dieser Satz mich wie ein glühend heisser Pfeil ins Herz. Jahre lange Unterdrückung in der Schule… Mobbing, wie es manche nannten, Mord, wie ich es nannte. Immer wieder wurde mir von allen Mitschülern, Bekannten und sogar Freunden gesagt, wie hässlich ich wäre… doch noch nie hat mich jemand als Pickel bezeichnet… Was genau ist an mir so falsch, zermartere ich mir die Seele und setze mich an einen Freien Platz. Mein Freund ebenfalls. Ich weiss nicht, was ich denken soll… weiss nicht, was sagen. Also schliesse ich meine Augen und horche in mich herein. Ja… da ist es wieder… dieses Gefühl. Es ist nur sehr schwer zu beschreiben… ein Schauer, der immer stärker zu werden scheint, mir die Haare an Arme Beine aufrichtet, sich in mein gekränktes Herz frisst… ein Gefühl, das mir nur zu bekannt ist. Am liebsten hätte ich geschrieen: Geh weg! Lass mich! Ich will das nicht mehr tun!
Doch sie bleibt, diese bedrückende Schwärze in meinem Inneren und immer mehr versuche ich mich dagegen zu wehren… doch es gelingt mir nicht.
Im Wagen sprechen Leute, schreien Kinder. Ich aber sitze nur mit geschlossenen Augen da und kämpfe meine Tränen nieder… Tränen der Verzweiflung. Fast wäre ich darüber hinweggekommen… fast hätte ich die heilende Schwelle übertreten! Meine Hände zittern leicht und ich unterdrücke dieses Zittern, indem ich meine rechte Hand in den linken Ärmel meiner Jacke stecke und mir meine Fingernägel ins eigene Fleisch ramme. Tatsächlich lässt das Zittern nach. Ich darf meinem Kameraden nicht zeigen, in welchem Zustand ich mich befinde. Also schweige ich, obwohl ich am liebsten geweint hätte… nein, er darf es nicht wissen… denn es würde ihn zu sehr belasten und das möchte ich nicht.
Wir erreichen unser Ziel und ich steige aus. Er auch. Ich erspähe einen Bus, der in meine Richtung fährt und steige ein. Suche mir einen Einzelplatz und setze mich. Während der Fahrt wird eine Stimme in meinem Inneren laut.
‚Du dumme Kuh! Dachtest du etwa, dich fände niemand mehr hässlich, nur weil es dir niemand direkt ins Gesicht sagt? Ist es das was du dachtest, du wärst hübsch geworden? Vergiss es! Du hast ja gehört, was andere über dich denken!’
‚Lass mich in Ruhe!’ flehe ich und steige an meiner Haltestelle aus. An einer Kreuzung sagt mein Kamerad wütend, er sehe keinen Grund mehr, noch etwas zusammen zu unternehmen und biegt an einer Kreuzung ab. Mein herz zieht sich schmerzhaft zusammen.
‚So! Jetzt hast du’s ja geschafft. Er ist stinksauer auf dich. Das ist der beste Zeitpunkt endlich einen Schlussstrich zu ziehen! Bring es zu Ende, gleich, wenn du zu hause bist. Deine Mutter hat eine kleine Pistole in ihrem Nachtschränkchen. Nimm ihn, er ist immer geladen!’
‚Nein! Geh weg! Bitte… lass mich in Ruhe… bitte!’
Ich komme zu hause an und laufe durch den gang. An meinem Zimmer vorbei, vorbei an den Zimmer meiner Schwester und meiner Mutter, die heute beide nicht zu Hause sind, in das Bad. Ich sehe mich selber im Spiegel an… das Gefühl wird mit jeder Sekunde, in der ich nicht tue schlimmer. Der einzige Weg, mich von dieser Schwärze, die langsam aber sicher Tag für Tag meine Seele innerlich zerfrisst, wie ein Gift, das mir mit jeder schmerzenden Bemerkung eingeflösst wird, zu befreien liegt vor meinen Augen… Ein Cutter, ein kleinen japanisches Messer. Ich zittere, will es nicht tun… muss aber und entledige mich langsam meiner Kleider.
Warum gerade das? Gibt es keinen anderen Weg? Gibt es keine Hilfe oder so? Ja… diese Gedanken durchstreifen meinen Kopf immer wieder, immer, wenn ich es wieder tue. Ich hebe das kleine Messer an und lasse die Klinge ausfahren… dann lege ich die Schneide langsam an meinem linken Oberarm an und… füge mir selber einen langen Schnitt zu. Nicht sehr tief… nur wenig Blut. Doch bei diesem einen Schnitt bleibt es nicht. Immer wider setze ich das Messer neu an, ziehe weitere Furchen in meine bereits vernarbte Haut, wieder und wieder… doch dann lässt das Gefühl in mir endlich nach. Schwindet, bis nur noch ein bitterer Nachgeschmack zu spüren ist. Und mit dem Verschwinden der Schwärze lasse auch ich von mir ab und atme tief durch. Mein Arm brennt, schmerzt fast unerträglich doch ich geniesse den Schmerz mit geschlossenen Augen. Ja, jetzt geht es mir besser… Ich lege das Messer zur Seite und sehe wieder in den Spiegel. Wie immer dieser leere, trostlose Blick… Ich nehme ein Taschentuch und mache es etwas nass. Dann wische ich mir das Blut ab, das an meinem Arm hinunterläuft. Behutsam, liebevoll… lächerlich, wenn man bedenkt, was ich mir selber gerade angetan habe aber genauso notwendig. Wenn die Wunden schlecht verheilen, bleiben mehr Narben zurück. Durch das nasse Tuch wird erst richtig sichtbar, wie gross die Ausmasse diesmal sind…
Mein Herz füllt sich mit einer tiefen Trauer als ich meinem Arm mit einem Verband einwickle und mich an den vor den Fernseher setze, wie immer… Denn dies ist meine Art der Wut, der Trauer, des Schmerzes.
Schon vor langem habe ich es verlernt zu weinen… kann niemanden meine wahren Gefühle zeigen… mir bleibt nur dies…
Im Stillen zu schreien…
There’s no light in my world of darkness... an I can only scream in silence...