Fanfic: Shinyu - Die Welt im Spiegel
wucherte über die morschen Holzbretter, die als Weg dienten und die Blumen waren alle verdorrt. „Und das soll es jetzt sein?“, fragte Shinyu unsicher. Auch wenn sie vor fast nichts Angst hatte, so war ihr der Weg nicht ganz geheuer. „Du musst Blödmann aber hier anleinen, Pferde und sonstige Tiere kommen nicht durch die Barriere!“, erklärte Kami. „Barriere?“, hakte Shinyu nach. „Jap, Barriere. Nur Menschen, die es nicht zu eigenen Zwecken verwenden wollen und ein reines Herz haben kommen durch“, erklärte Kami weiter. Shinyu ließ ein kaum hörbares, ängstliches „Aha“ von sich vernehmen. „Hast du etwa... ANGST?“, fragte Kami hämisch grinsend. „Wer? Ich? Da irrst du dich bestimmt!“ Kami rollte mit den Augen. Shinyu band Blödmann und Nansensu an den Zügeln an einen Baum, der etwas stabiler als all die anderen verdorrten Bäume aussah. Kami zog ein kleines Messer aus seinem Gürtel. Er schlug sich einen Weg durch das gewaltige Gras und Shinyu folgte ihm, darauf bedacht, sofort sich ins Gras schmeißen zu können, wenn ihr etwas unheimlich war. Und auf einmal sah Shinyu einen hellen Schleier, der gelb wie die Sonne leuchtete. „Das ist die Barriere“; sagte Kami und strich mit der Hand über die glatte Oberfläche, die an der Stelle wo Kami sie berührte aufgewühlt wurde und es schien, als würde der “Schleier“ aus Wasser bestehen. Shinyu berührte zögernd den Schleier mit einem Finger. Auch bei ihr wurde es aufgewühlt. Dann versuchte sie den Finger hindurch zu stecken. Ihr Finger fühlte sich an, als ob er in warmes Wasser gehalten wurde. Sie zog den Finger rasch weg. Dann fasste Shinyu all ihren Mut zusammen und rannte einfach durch die Barriere. Für einen kurzen Moment fühlte sie sich schwerelos und ihr war, als ob ihr Herz und ihr Puls aufhören zu schlagen würde. Ihr Körper wurde in eine warme, jedoch auch klebrige Flüssigkeit getaucht, so, als würde sie in warmen Honig getaucht werden oder ähnliches. Auch Kami ging gelassen durch. Die Umgebung war eine ganz andere hinter der Barriere. Die Bäume waren frisch und grün, überall wuchsen Blumen in verschiedenen Farben und Formen. Die morschen Holzbretter waren zu Marmor geworden und man konnte denken, man wäre im Paradies. Überall waren kleine Brunnen und Säulen, die immer paarweise am Weg aufgestellt waren. Nur diese Paare hatten das gleiche Muster, ansonsten konnte man immer wieder neue Muster bestaunen. Kami steckte das Messer wieder weg, denn das Gras war schön eben und kurz. „Wie lang dauert’ s denn noch?“, fragte Shinyu. Ihre Angst war anscheinend verflogen und sie fühlte sich pudelwohl. „Wir müssten bald da sein“, erwiderte Kami, als er gerade die Zweige eines Baumes, der am Weg stand, zur Seite schob. Ein leises Plätschern, lauter als das der vielen Springbrunnen, war zu hören und Shinyu schloss daraus, dass der Fluss nicht mehr allzu weit weg war. Und tatsächlich konnten sie schon nach nur wenigen Schritten einen Fluss sehen, der in ein helles, silbernes Licht getaucht war. Das musste der Fluss Sawa sein. Kami zog aus seinem Gürtel, wo er auch schon das Messer hergeholt hatte, ein kleines Gefäß, das aussah wie ein Erlenmeyerkolben (kugelförmiger Bauch mit Rohr oben dran). „Man muss aufpassen, das man nur bestimmte Gefäße nimmt. Weil sonst irgendwas heraufbeschwört werden könnte. Irgendwie sind die Götter dann erzürnt...“, erklärte Kami und trat näher an den Fluss heran. Der Fluss war umringt von schönen Steinen, die hell im Abendlicht glitzerten und Edelsteinen glichen. Kami kniete sich davor, und tunkte das Gefäß in das Wasser. Das zuvor durchsichtige Gefäß verfärbte sich zu einem grellen Gelb. „Wow, das muss ich mir für Chemie merken!“, staunte Shinyu und ging ebenfalls zu dem klaren Wasser, „Falls ich jemals wieder nach Hause komme...“ Shinyu stellte sich durch ihre Tollpatschigkeit auf einen glitschigen Stein und rutschte aus. „Wah!“, schrie sie als sie mit ihren Schuhen das eiskalte Wasser berührte. Doch es war so, als würde sie auf dem Wasser stehen. Die Kälte des Wassers ging geradezu in ihre Füße über. „Brrrrr...Ist das kalt!“, schrie Shinyu und sprang schnell wieder auf die Steine. Und diesmal zum Glück auf einen, der nicht glitschig war. Sie war fasziniert und presste ihre Hand auf die Oberfläche, die nicht nachgab und weiter fest blieb, als ob sie aus Eis war. Kami schüttelte den Kopf und stopfte einen Korken auf das Gefäß und steckte es wieder an den Gürtel. „Das war’s jetzt? Den ganzen langen Weg, nur um keinen Nervenkitzel zu bekommen? Nur dumm in der Gegend rumlatschen? Nur auf Blödmann und Nansensu reiten? Ich hätte mir diese Welt wesentlich spannender vorgestellt...“, grummelte Shinyu. „Ja, ich weiß“, erwiderte Kami matt. Der Weg wieder zurück war eigentlich wesentlich einfacher. Das Land nach der Barriere war ja ein Kinderspiel, und Shinyu hatte auch nicht die geringste Angst, wieder durch die Barriere zu gehen. Und dieses „In – warmen - Honig - eintauchen- Gefühl“ gefiel ihr sogar. Nach der Barriere war es auch nicht mehr erwähnenswert schwer, da das ganze Gras schon abgesäbelt war. „Ich komme fast jeden Monat hierher, und trotzdem ist das Gras immer genau so groß wie vorher!“, beklagte sich Kami. Alles war wie vorher, bis auf die Tatsache, dass Kami ganze fünfhundert Milligramm mehr zu tragen hatte. (Zweihundertfünfzig Milliliter Wunderwasser = fünf-hundert Gramm) Shinyu wunderte sich, dass er sich darüber nicht auch noch beklagte. Beklagen war ja anscheinend Kamis Lieblingsbeschäftigung. Kami band Blödmann und Nansensu wieder los, und sprang auf Nansensu drauf. „Hier hast du Blödmann!“, sagte er und übergab die Zügel von Blödmann Shinyu. Shinyu stieg ebenfalls auf und die beiden ritten wieder in Richtung bergauf zu Sherrington Field. „Ich hab mal gehört, hier soll eine schöne, junge Frau ums Leben gekommen sein. Es heißt, dass sie noch heute Menschen umbringt, die sie durch ihren Gesang anlockt“, erzählte Kami. „Erinnert mich ziemlich an de Sirenen von der Odyssee oder an Loreley die in Deutschland auf dem Loreleyfelsen die Schiffe auf dem Rhein auf die Riffe laufen und zerbersten lässt!“, erwiderte Shinyu. „Mythologie anderer Länder war nie meine Stärke. Sie bildet sich ziemlich viel auf ihre Schönheit ein, diese Frau“, sagte Kami schulterzuckend. Nansensu trabte voraus und auch am zweiten, silbernen Weg waren die Zwei (eigentlich ja die Vier, wenn man die Pferde dazurechnete) jetzt vorbei. „Juchhu, gleich sind wir wieder in Sherrington Field!“, freute sich Shinyu. „Ja, aber zuerst müssen wir das noch mit dieser gestorbenen, wunderschönen Frau überstehen. Falls du es noch nicht gemerkt hast, ich bin auch männlich“, sagte Kami kalt. „Stimmt! Ich habe noch nicht gemerkt, das du männlich bist!“, entgegnete Shinyu, „Ach, mach dir nichts draus. Irgendwann wirst auch du ein richtiger Mann. So wie Karl Yune...“ „Pph...“, machte Kami nur und ritt schnell weiter. Shinyu konnte das goldene Glänzen des ersten Weges sehen. „Siehst du? Es ist keine Frau aufgetaucht, du bist noch am Leben und wir sind gleich in Sherrington Field!“, freute sich Shinyu erneut. Doch plötzlich drang ein Schrei aus der Richtung, in der auch der goldene Pfad führte. „Das war der Schrei einer Frau! Wir müssen ihr helfen!“, rief Kami und Nansensu galoppierte wie blöde den Weg hinab. „Hey! Merkst du denn nicht, dass das eine Falle dieser schönen, jungen und vor allem toten Frau ist?“, brüllte Shinyu Kami hinterher, doch er schien sie entweder zu ignorieren, oder sie wirklich nicht zu hören. „Komm Blödmann, wir müssen den Idioten retten!“, sagte sie zu Blödmann und dieser galoppierte darauf sofort los und Kami hinterher, der schon einen gewaltigen Vorsprung hatte. Als es um eine scharfe Kurve ging, verlor Shinyu Kami aus den Augen. Dafür sah sie wieder eine Barriere, Doch diesmal war sie nicht wie ein heller, gelber Schleier. Er war dunkelblau und schien mehr wie ein fester Schleier der wie aus Stein war. Shinyu hatte nach ihrer ersten Bekanntschaft mit Barrieren keine Angst mehr, und ritt einfach und ohne Bedenken durch den “Nebelschleier“ hindurch. Das heißt, sie versuchte es zumindest. Blödmann glitt ohne Schwierigkeiten hindurch, doch Shinyu blieb einfach an der Barriere kleben. „Aua... Warum zum Teufel komm ich nicht durch?“, fluchte Shinyu. Auf einmal fiel ihr eine kleine Statue auf, die vor der Barriere stand. Sie sah aus wie ein Buddha. Halt nur nicht aus Gold, sondern aus Glas. Ein Buddha ganz aus Glas. Sein Inneres schien wie mit Rauch gefüllt. In seinen Händen hielt er ein hölzernes Schild auf denen mit schwarzen Lettern stand: Weil du eine Frau bist. Die Schrift war seltsam verschnörkelt. Shinyu schüttelte ihren Kopf. Das konnte nicht wahr sein. Es war, als ob diese Buddha – Statue mit ihr kommunizieren würde. Sie sprach nicht, doch anscheinend hatte sie gehört und verstanden, was Shinyu gesagt hatte. Shinyu kniete sich vor die Statue und rieb sich die Augen. Plötzlich stand auf dem Schild: Glaubst du mir nicht? „WAS? Das kann doch nicht wahr sein... Ich träume nur... Gleich wache ich auf... Das ist nur ein dämlicher Traum...“, murmelte Shinyu. „Nein, ist es nicht“, wieder veränderten sich die Buchstaben auf dem Schild. „Doch ist es!“, schrie Shinyu, „Oh man, ich streite mich hier mit einer Statue aus... aus... aus was überhaupt?“ „Es ist wahr, so wahr, wie ich hier aus Glas und Kristall mit Rauch gefüllt stehe“, stand jetzt auf dem Schild. „Es ist mir egal, ob ich jetzt weiblich bin oder ob du mir dämliche Botschaften überbringst! Ich gehe da jetzt durch und rette Kami!“, sagte Shinyu auf einmal ruhig und gelassen. Man konnte sogar eine gewisse Spur Freundlichkeit aus ihre Stimme heraushören. Das einzige was jetzt auf dem Schild stand, waren drei große, dicke