Fanfic: Charly
Kapitel: Ein neues Zuhause
Als wir die Stadt hinter uns gelassen hatten, führte Charly mich zu einer
Brücke.
"Was wollen wir hier?" fragte ich erstaunt.
"Na ich wohne hier." antwortete er. Seine Augen blitzten schelmisch. Er wusste
wahrscheinlich genau das ich eher an ein Haus gedacht hatte, als an eine Brücke.
Aber ich glaube, dass ich ab jetzt auf viele Überraschungen gefasst sein
musste.
Ich sah mir die Brücke genauer an. Ein paar alte, aneinander genähte Decken
dienten vorne und hinten, an den Brückenausgängen, als Tür oder Wand. Im Innern
lagen an den Wänden verteilt Decken, die wohl Betten darstellen sollten. Hier
mussten also mehrere Leute wohnen. Zwischen den Decken standen alte Schränke,
wahrscheinlich vom Sondermüll, auf denen alles mögliche verteilt war. Ich sah
sogar einen alten Westernsattel. Ob Charly noch mehr Pferde hatte?
"Was machst du denn hier?"
Ich fuhr erschrocken herum. Ein blonder hochgewachsener Junge stand im Eingang
und blickte mich sauer an.
"Naja, also ich....Charly, also er....äh..." stammelte ich.
Mein Aufenthalt hier fing ja super an.
"Darf ich vorstellen? Das ist Billie, Billie das ist Mayra."
"Woher weißt du meinen Namen?" fragte ich Charly, der soeben hinter Billie
aufgetaucht war.
"Hab ich im Krankenhaus erfahren."
"Was will sie hier?" wandte sich Billie zornig an Charly.
"Sie wohnt jetzt hier." klärte er den ahnungslosen Billie auf.
"Für immer?"
Charly zuckte mit den Schultern. Ich hoffte jedenfalls für immer hier bleiben zu
können. Denn wo sonst sollte ich hin? Und außerdem gefiel es mir hier, das mit
Billie werde ich schon hinkriegen.
"Du schläfst heute Nacht auf meinem Platz." sagte er und deutete auf die Decke
neben dem Westernsattel.
"Morgen machen wir dir deinen eigenen Platz." Er lächelte mir noch aufmunternd
zu und verschwand dann.
"Und wo schläft er?" fragte ich Billie.
"Draußen bei den Pferden." sagte er mürrisch, als wäre es alles meine Schuld. In
gewisser Weise stimmte es ja, aber Charly hatte es mir angeboten.
Ich sah mir Billie jetzt genauer an. Er war größer als Charly, sah aber nicht so
kräftig und nett aus.er sah aus als käme er geradewegs aus einer Müllpresse.
Sein Gesicht war so schmal. Kurz danach verstanden wir uns schon prima. Er war
lustig, aber er konnte auch ernst sein, obwohl ihm das immer schwer fiel. Später
lernte ich auch noch die beiden anderen Bewohner dieser hübschen Brückenvilla
kennen, Johnny und Pitt. Pitt war der kleinste, weshalb er auch Pitti genannt
wurde. Er war Gegenwart von Fremden sehr ängstlich und zurückhaltend, aber
ansonsten großspurig und für jeden Scherz zu haben. Außer wenn die Scherze gegen
ihn sind, dann wird er sauer. Er lässt sich sehr leicht einschüchtern, ist aber
sonst ein prima Kumpel.
Johnny war ebenfalls ein super Kumpel. Er hatte schwarze, kurze haare und war
nicht sehr viel größer als Pitti. Er war sehr selten ernst und vernünftig reden
konnte man so gut wie gar nicht mit ihm. Manchmal war sein Humor einem richtig
lästig.
Adlerbande nannten sie sich alle und die Brücke nannten sie Adlernest.
Abends als ich in Charly's "Bett" lag und an meine Eltern dachte, dachte ich
auch daran, was ich nun machen sollte. Was sollte ich später werden? Ich konnte
ja nun nicht mehr zur Schule gehen, also hatte ich keine guten Aussichten auf
einen Job. Ich konnte nicht einschlafen, darum beschloss ich aufzustehen und
Charly zu suchen. Ich verließ die Brücke und suchte die Pferde um Charly zu
suchen, der ja bei den Pferden sein sollte.
"Was machst du noch hier draußen?" Ich erschrak fast zu Tode. Charly stand
hinter mir und lächelte. Er schien sich darüber zu amüsieren, mich so erschreckt
zu haben.
"Ich kann nicht schlafen, ich denke die ganze Zeit darüber nach was aus mir
werden soll." "Du machst dir zu viele Gedanken an die Zukunft, denk lieber an
das jetzt und hier." Mit wem hast du dich gestern geprügelt?" "Das waren ein
paar Jugendliche die der Meinung waren sie wären besser als alle anderen. Ich
wollte ihnen das Gegenteil beweisen, aber bevor es richtig losging kamen schon
Bullen. Du, aber deine Mutter war echt nett." Charly lächelte müde.
"Ich vermisse meine Eltern." Ich fing wieder an zu heulen. Charly nahm mich in
die Arme und tröstete mich. Dann führte er mich von der Brücke weg zu einem
Teich. Wir setzten uns nebeneinander hin.
"Charly, was ist eigentlich mit deinen Eltern?" fragte ich ihn.
"Als ich fünf war, hat meine Mutter mich und meinen Vater verlassen.sie hat
einen anderen geheiratet. Daraufhin hat mein Vater auch geheiratet, sie war
Deutsche, deswegen haben wir Amerika verlassen und sind nach Deutschland
gezogen. Seine Neue konnte mich aber nicht leiden und das beruhte auf
Gegenseitigkeit. Als mein Vater das bemerkte, schmiss er mich raus und sagte ich
solle von nun an alleine fertig werden. Ein anderer Straßenjunge nahm mich auf
und als ich zehn war, zog ich mit Billie hier unter die Brücke. Ich habe seitdem
meinen Vater nur noch ein paarmal zufällig auf der Straße gesehen, doch er tat
immer so als würde er mich nicht kennen." "Da hast du es ja schlechter gehabt
als ich, schließlich haben mich meine Eltern nicht absichtlich alleine gelassen.
Würdest du deine Eltern wiedersehen wollen?" "Meine Mutter schon, aber meinen
Vater nicht. Ich habe ihn nie richtig leiden können. Aber um meine Mutter
besuchen zukönnen, müsste ich nach Amerika, und das geht ein bischen schlecht."
"Bist du wirklich ein richtiger Ami?" fragte ich.
"Ja, und ich bin stolz darauf."
"Kann ich mir vorstellen. Ich möchte auch mal nach Amerika, es ist so ein
wundervolles Land."
Erst jetzt merkte ich das mir Charly während des Gespräches immer näher gerückt
war.
"Wo in Amerika würdest du denn gerne hin wollen?" fragte er als wüsste er nicht
das er fast auf meinem Schoß saß.
"Naja, vielleicht nach New York oder San Francisco." Ich versuchte von Charly
wegzurücken, aber er rutschte mir hinterher.
Plötzlich sah er mir direkt ins Gesicht und fragte: "Bist du verliebt?"
"Wie kommst du denn darauf?" Ich wusste genau, was er damit meinte, aber war ich
so leicht zu durchschauen?
"Naja, einfach nur so." sagte er und blickte wieder vor sich hin.
"Ja, bin ich." Er blickte mich jetzt wieder an.
"Darf man fragen in wen?" Ich wusste nicht ob ich ihm die Wahrheit erzählen
sollte, tat es dann aber doch, weil er es früher oder später sowieso
rausgefunden hätte.
"In dich." Ich merkte das ich rot wurde und blickte ihn an. Wir kamen uns immer
näher und schließlich war es passiert. Wir hatten uns geküsst. Dieses Gefühl war
unbeschreiblich. Ich hatte mir gewünscht das dieser Kuss niemals vergehen möge.
Doch Charly hörte auf und lächelte mich an.
"Ich glaube es beruht auf Gegenseitigkeit...du solltest jetzt ins Bett gehen."
sagte er dann und streichelte noch einmal meine Wange. Ich ging zurück zur
Brücke, während Charly am Teich sitzen blieb. Als ich an der Brücke angekommen
war, schlüpfte ich so leise wie möglich in Charlys Bett. Ich liebte Charly, das
war ganz sicher, und er liebte mich, aber hatten wir eine Zukunft? Er hatte
gewiss noch nie eine Schule von innen gesehen und ich hörte jetzt mit zwölf
Jahren auf zur Schule zugehen. Ich machte mir keine weiteren Gedanken darüber,
als Charly kam und sich neben mich unter die Decke legte. Zum ersten mal fühlte
ich mich hier wie Zuhause und war glücklich.
ENDE