Fanfic: Powerschoolexplosion
schrillen Schrei aus, dessen Echo laut über das
Moor hallt, und stürzt sich in die Schlacht.
Edinburgh Vor dieser Zeit
Am Eingang des Hofes sitzt ein junger Bursche, der fast wie ein Mädchen
wirkt in seinen grauen Streifen und Fetzen; träge lauscht er den Geräuschen
des frühen Abends. Schatten beginnen sich am Fuße des engen Ortes
zu sammeln, eine schwarze Katze taucht daraus hervor. Sie überwindet
die Entfernung zwischen den grauen, zerfallenen Mauern in Sekundenschnelle;
bevor sie jedoch wieder verschwindet, dreht sie sich herum und wirft
einen unergründlichen Blick auf den Jungen, der erschaudert. Dieser
Ort - Mary King`s Hof - ist ein Ort der Finsternis. Er fühlt nach
dem Stein, den er hält, der groß ist und beruhigend rund. Die Idee
war gewesen, herzukommen, am Eingang des Hofes zu stehen und einen
Stein zu werfen, um zu zeigen, wie furchtlos er ist. Doch nun sitzt
er da und lauscht. Konnte dieser Gesang aus dem Hof kommen?
Waren es die Stimmen von Kindern?
Einem Impuls folgend, wiegt er das Felsstück in der Hand, als ob er
es werfen wolle, doch dann, statt zu werfen, rollt er es, denn der
Hof ist steil abfallend. Atemlos beobachtet er das Geschehen: Zunächst
rollt das Felsstück geschmeidig in die Mitte und dann, als es eine
der unebenen Stufen erreicht, beginnt es zu hüpfen; das Geräusch,
das es dabei macht, ist überraschend laut. Am Ende verschwindet es,
doch es ist noch immer zu hören, wie es sich wie ein Pennystück dreht.
Dann hält es an. Und dann …
Und dann tritt aus den Schatten ein Wesen, ohne Zweifel aus den Legenden
der Sidhe. Es ist groß, golden, wunderschön, Furcht einflößend. Sein
Schwanz schwingt auf und ab, zuckt. Es sagt nichts, streckt ihm jedoch
den Stein entgegen, als wolle es ihn zurückgeben. Dann überwindet
der süßliche Geruch von Verfall die Entfernung zwischen den beiden
unbeweglichen Figuren. Die Haare des Jungen bewegen sich in der sanften
Brise und verschleiern seine Sicht. Während dieser Sekunden ist die
Kreatur verschwunden.
Das Letzte, woran Malcolm McLeod sich erinnern konnte, war das Sterben.
Eigentlich war es gar nicht so schmerzhaft gewesen, nur ein kurzes,
gleißendes Licht und dann ein sogar noch kürzerer Moment des Friedens,
bevor das Nichts für Jahrtausende nach seiner Seele verlangte. Nun
nimmt die Dunkelheit noch einmal Gestalt an, Bewusstsein greift mit
kalten, tastenden Fingern nach ihm; ein Bewusstsein dessen, wer und
was er jetzt ist.
»Hast du mich etwa erweckt?« Er hatte den Klang seiner eigenen Stimme
vergessen, der dünn und gedämpft war, ziemlich unangenehm fürs Ohr;
er macht eine Pause, unsicher, ob er gestottert hat, weil er so nervös
gewesen ist, oder ob er schon immer so geklungen hat. In der Dunkelheit
und den Schatten bewegt sich die Gestalt, zu der er gesprochen hat,
ein schmuddeliges orangefarbenes Licht flackert auf und überzieht
die Wände des Ortes mit zögernder Helligkeit. Malcolm macht einen
Schritt nach vorne, seine Hand schnellt automatisch zum Griff seines
Schwertes und die Gestalt weicht unwillkürlich zurück. Es liegt ein
Übelkeit erregend süßer Geruch in der Luft - der Grabgestank - und
ihn trifft die plötzliche Erkenntnis, dass dieser nicht von der Kreatur
vor ihm ausgeht, sondern von seiner eigenen geisterhaften Gestalt.
Er hält inne.
»He, dich kenn` ich doch.« Er schüttelt den Kopf und schaut verwirrt.
»Aber wie soll das möglich sein? Könnte mich doch dran erinnern, wenn
ich `nem Wesen wie dir schon mal begegnet wär`, oder?«
Das Wesen scheint sich einen Moment lang unbehaglich zu fühlen, als
ob dieses Erkennen eine versteckte Anklage wäre; es weicht wieder
zurück und lässt sich auf einem Stuhl mit einem dünnen Metallrahmen
nieder. »Setz dich, Schatten!« Die Stimme ist weiblich, genau wie
die Umrisse der Gestalt unter dem unförmigen Umhang, den sie trägt.
Ihre Gesichtszüge sind von einer sanft goldenen Farbe, auf der sich
das Licht der Fackel bewegt und tanzt und sich in den Augen widerspiegelt,
die dunkler als die finsteren Schatten im Raum sind.
Folgsam kreuzt Malcolm unter sich die Beine und ist ein wenig erstaunt,
dass er so einfach im Raum vor ihr schweben kann; sie lehnt sich in
ihrem Stuhl zurück.
»Woran erinnerst du dich?«, fragt sie. Eine seltsame Frage.
»Erinnern? Kaum der Rede wert«, sagt Malcolm kurz angebunden. Die Kreatur
entspannt sich ein wenig. »Erinnere mich … ich erinnere mich, wer
ich bin. Ich erinnere mich an diesen Ort …« Er nickt in Richtung der
dunklen Konturen dieser grausamen Stahlhaken, die in langen, gleichmäßigen
Reihen von der Decke hängen. »Hier war mal der Schlachter. Wir sind
im Hof, stimmt`s? Mary King`s Hof?«
Sie nickt.
»Ich - ich - bin hier gestorben.« Malcolm runzelt die Stirn, seine
Stimme zittert etwas bei dieser Erinnerung, er wirft einen Blick hinab
auf seine Wunden und schüttelt den Kopf, als wolle er seiner eigenen
Aussage widersprechen. »Warum also?«, verlangt er erneut zu wissen.
Er starrt die Kreatur mit einem düsteren, durchdringenden Blick an,
seine Augen sind unergründlich, doch dann wird sein Ausdruck weich
und er lächelt grimmig, um zu Erklärungen zu ermutigen.
»Ich brauche deine Hilfe«, sagt sie ruhig.
»Oh, tatsächlich?«, antwortet er. »Und was springt dabei für mich raus?«
»Malcolm, es geht um deinen letzten Nachfahren.«
»Mein letzter Nachfahre …«, wiederholt er wie ein Echo. Es scheint,
als habe die Kreatur die Kraft gefunden, auszuholen und seine geisterhaften
Umrisse zu schlagen. Die Neuigkeiten treffen ihn unerwartet hart und
er schüttelt stirnrunzelnd den Kopf. »Mein letzter? He, ich bin einer
von acht Jungen …«
Zum ersten Mal lächelt die Kreatur, und tiefes Mitgefühl ob seiner
verlorenen Nachkommenschaft zeichnet sich auf ihren Gesichtszügen
ab.
»Es tut mir Leid, Malcolm. Ich werde dir sagen, was ich kann, und dann,
wenn du einverstanden bist, werde ich dich vielleicht dem letzten
deiner Nachkommen vorstellen.«
Draußen.
Bleiche Dämmerung wickelt die Stadt in ihr graues Laken. Edinburgh
wacht mit seiner eigenen Geschwindigkeit auf; ein Leviathan, eine
uralte, müde Seele, die zögert, die Ruhe der Nacht abzustreifen. Die
Hügel, die die Stadt umgeben, setzen sie einzig dem Meer aus; und
die Elemente dieses Meeres sind charakteristisch für das Wetter. Klamme
Nebelfinger tasten zögerlich nach dem Hof und den Gassen der alten
Stadt und hinterlassen die Sandsteingebäude nass und glitschig, wartend
auf die wärmende Berührung des Sonnenlichts, welches gemeinhin nicht
vor der Mitte des Morgens durchbricht. Das Kreischen der Möwen ist
das erste Geräusch, das die Stille des Morgens zerschneidet; ihre
schrillen Rufe hallen wider wie ein Schrei ins Angesicht des neuen
Tages. Geräusche tröpfeln herein wie eine Salzwelle, die gegen die
Gebäude spült, als wären sie nur einfach größere Kieselsteine und
die Stadt eine natürliche Ausweitung des Ufers. Vielleicht ist es
so. Die Stadt ist sehr alt. Das Licht, das langsam über ihr zerklüftetes
Gesicht huscht, wird ihre Geheimnisse nicht erhellen. Wie immer in
diesem Zeitraum zwischen Licht und Dunkelheit scheint die Stadt abzuwarten.
Eine Stille, die über ihr hängt, über der Woge von Geräuschen. Stille
und Abwarten.