Fanfic: Der Pirat von Saros

Rest


unseres Lebens werden wir Fische aus dem Ozean ziehen oder Samen in


den Boden drücken! Wieder und wieder und wieder!«




Thom sah ihn neugierig an.




»Ich kann mich daran erinnern«, sagte er bedächtig, »wie wir Kinder


waren und du immer davon gequatscht hast, als Seemann von hier weggehen


zu wollen. Ich meine, als Matrose auf hoher See. In Schlachten zu


kämpfen.«




»Oder ein Pirat zu sein«, fiel Knoll ein.




»Ich wünschte, ich wäre dabei geblieben«, meinte Gareth verdrossen.




»Das Problem besteht darin«, bemühte sich Tehidy um Einsicht, »dass


wir nicht einmal wissen, mit wem wir über Piraterie reden sollen.


Niemand in der Signalstation scheint die Route zu den wilden, krakeelenden


und dennoch königstreuen Piraten zu kennen.«




»Außerdem«, warf N`b`ry ein, »sind wir schon vor langer Zeit darauf


gekommen, dass der alte Baltit seine Piratengeschichten überwiegend


erfunden hat, da sie sich ständig ändern, und er ist eigentlich der


Einzige, der jemals von hier weg war.«




»Ich weiß«, gab Gareth durch zusammengebissene Zähne zu.




»Du könntest natürlich einfach davonlaufen«, fuhr Thom fort. »Ein Dorf


finden, in dem die Häscher des Königs Leute für die Schifffahrt suchen,


und dich in die Marine stecken lassen. Obwohl ich immer wieder höre,


dass es einem schnell lästig wird, den Mast rauf und runter gejagt


zu werden von einem Scheißkerl, der dir das Ende eines Seils auf den


Hintern knallt.




Oder schließ dich der Küstenwache an. Da kannst du wenigstens in heimatlichen


Gewässern bleiben und wirst vermutlich im ersten großen Sturm ersaufen,


während du blöde Fischer wie mich zu retten versuchst. Oder du triffst


vielleicht auf echte Piraten, befindest dich dann aber am falschen


Ende der Kanone.«




»Was ist los?«, erkundigte sich Knoll ruhig. »Normalerweise bricht


es nicht so aus dir heraus wie jetzt eben, weißt du.«




Gareth setzte sich und starrte hinaus auf das Meer. Er schnappte sich


ein Stück gepökelten Fisch aus dem Ködereimer und kaute daran herum.




»Mein Alter hat heute Morgen einen Brief bekommen, den er an den Herold


weitergeben soll, damit es alle hören können«, sagte er schließlich.


»Von Vels Vater.«




»Ach so«, sagte Thom leise. Vel Kese kam im ganzen Dorf am ehesten


dem nahe, was man eine Schönheit hätte nennen können, und sie war


ein Jahr jünger als die Jungen. Ihr Vater hatte bis vor kurzem einen


der beiden Dorfläden betrieben. Dann aber hatte er verkündet, hier


sei kein Geld zu verdienen, und war mit seiner Familie in ein anderes,


zwei oder drei Tage entferntes Dorf gezogen. Vel war Gareths Mädchen


gewesen, seit sie sieben oder acht waren, und die meisten Dorfbewohner


nahmen an, dass sie und Gareth eines Tages heirateten.




Gareth wurde als gute Partie betrachtet, da er der Sohn des Dorfzauberers


war und sieben Jahre unterrichtet wurde. Jeder ging davon aus, dass


er sich zu mehr als einem gewöhnlichen Fischer entwickeln würde, obwohl


er nicht über die Gabe seines Vaters zu verfügen schien.




»Herr Kese ist wirklich verdammt stolz, verkünden zu dürfen, dass seine


Tochter sich verlobt hat und bald die zweite Braut eines Arschlochs


von Apfelweinkelterer werden soll, der sie sehr glücklich machen wird


und so weiter und so fort.«




»Oh«, sagte Knoll leise.




»Ich wünschte jetzt, Paps hätte mich nach Ticao gehen lassen, um dort


bei meinem Onkel zu leben. Stattdessen hing ich hier herum und dachte,


dass … ist völlig egal, was ich dachte«, erklärte Gareth.




Thom streckte seine Hand aus und tätschelte Gareths Knie.




»Bei allen Höllenteufeln«, stieß Gareth aus. »Sehen wir uns lieber


nach einer geeigneten Stelle um, an der wir unsere Fangleinen auswerfen


können.«




»Ich habe mir überlegt«, sagte Knoll, indem er die Chance zu einem


Themenwechsel schnell ergriff, »wir versuchen es hinter diesem Seegebirge,


auf dem du einmal herumgeklettert bist, weiter im Osten, wo es seichter


wird.«




»Warum nicht?«, meinte Gareth. »Es ist höchste Zeit, dass ich mich


darauf konzentriere, wie ich selbst etwas aus meinem Leben mache«,


erklärte er bitter. » Was auch immer zum Teufel dabei herauskommen


mag.«




»Ich wünschte nur«, fügte er nach einer Pause hinzu, »es würde hier


auch mal was Aufregendes passieren.«




Das Meer rund um den riesigen Klotz, der sich unvermittelt aus dem


Wasser erhob, war kabbelig, fast trügerisch. Obwohl alle drei Jungen


auf Booten zu Hause gewesen waren, noch bevor sie laufen lernten,


hatten sie dennoch ein wachsames Auge zur Seeseite, um sich nicht


von einem plötzlichen Witwenmacher überraschen zu lassen, der sie


einfach so gegen die nahen Felsen schleudern konnte.




Als es Abend wurde, beobachteten sie zugleich aufmerksam den Horizont


und sahen zu, wie die Ruderboote der Dörfler nach Hause fuhren.




Zwei Jahre zuvor hatte sich Gareth verleiten lassen, den Gipfel des


nahe gelegenen Seegebirges zu erklettern. Er benutzte ein Stück Tau,


wo es möglich war, suchte mit Füßen und Zehen in Rissen Halt und zog


sich an Grasbüscheln hoch, die aus dem Felsen wuchsen. Einmal war


eine Möwe aus ihrem Nest geschossen und hatte ihn fast zum Absturz


gebracht. Als er endlich den Gipfel erreichte, stand er auf einem


kleinen Plateau, das kaum größer war als der kleine Kreis, in dem


sein Vater seine Zaubersprüche verlas. Mühsam trotzte er den Böen,


die ihn wegzureißen und hinab in die Sturzwellen zu werfen drohten.


Er fragte sich, warum er unbedingt einen solchen verdammten Narren


aus sich hatte machen müssen und wie er wieder hinabklettern würde.




Aber er hatte es getan, und die Dorfbewohner schworen Stein und Bein,


dass er der Erste, nun ja, vielleicht der Zweite war, der dieses Seegebirge


jemals erklommen hatte, obwohl sich niemand an den Namen des ersten


Mannes erinnern konnte.




Es wurde kalt. Gareths Finger waren wund, brannten vom salzigen Wasser,


und seine Ohren fühlten sich an wie aus feinstem Porzellan, das zu


bersten drohte, sobald sie jemand mit einem Fingernagel berührte.




»He«, sagte Knoll plötzlich. »Seht mal dort.«




In der Ferne wälzte sich Rauch über das Wasser, schien von irgendwo


hinter dem Seegebirge zu kommen.




»Feuer«, stieß Thom aus. »Da brennt was ziemlich Großes.«




Knoll zog die Fangleine ein und Thom setzte das Segel, während Gareth


zum Steuer ging und das Schiff beidrehte. Gareth nutzte die Strömung,


um das Boot um das Gebirge zu jagen, dicht an einer dunklen Klippe


und einer Höhle vorbei, wo die tosende Brandung ihre tödliche Einladung


aussprach.




»Bei den Göttern«, murmelte Knoll leise. Da brannte etwas.




Und es war ihr Dorf. Aus der Rauchwolke segelten vier Schiffe hervor.


Es waren Schiffe, wie sie sie noch nie gesehen hatten. Gareth konnte


die Schiffsrümpfe nur undeutlich gegen das Wasser ausmachen. Sie waren


schwarz und trugen rote Lateinersegel an drei Masten.




»Wer sind sie?«, fragte Thom.




»Ich weiß es nicht«, sagte Gareth, aber die Flammen gaben ihnen die


Antwort.




»Linyati«, flüsterte Knoll. »Die Sklavenfänger! Ich habe noch nie gehört,


dass sie so weit im Norden unterwegs sind.«




»Ihr Götter!«, wiederholte Thom den Ausruf Knolls. Es war mehr ein


Stöhnen als ein Gebet. »Mach voran, Gareth! Schnell!«




Das Dorf bestand nur noch aus brennenden Ruinen. Lediglich das Knistern


der Flammen und das Zusammenkrachen der Dächer waren zu hören.




Wo zuvor die Fischerboote lagen, trieben jetzt schwelende Reste im


Wasser. Ihre von Öl durchtränkten Hüllen waren sofort in Flammen aufgegangen,


als sie von den Fackeln getroffen wurden.




Am Hafenrand lagen zwei tote Männer, aus deren Rücken Pfeile ragten.


Ein halbes Dutzend Krabben aus einer aufgebrochenen Falle krochen


auf dem Weg zurück zum Wasser über ihre Leichen.




Gareth sprang über die Toten. Die beiden anderen waren dicht hinter


ihm, liefen auf ihre Häuser zu.




Am Anfang der Straße stießen sie auf eine ausgestreckte Leiche in einer


Lache aus Blut. Neben dem Toten lagen ein zerbrochener Bootshaken


sowie drei dunkelhäutige Männer in fremdländischer, seiden schimmernder


Tracht. In Gareth blitzte der Gedanke auf, dass der alte Baltit vielleicht


doch nicht der gewaltige Lügner gewesen war, für den ihn ein jeder


gehalten hatte, denn er hatte zumindest drei dieser Angreifer mit


sich genommen. Dann rannte er weiter, während das Herz unter seinen


Rippen hämmerte, in Richtung auf sein Elternhaus.




Sein Vater lag auf dem Rücken, gleich hinter dem Eingang. Eine Hand


war abgehackt worden, als sie den Speer abzuwehren versuchte, der


sich in seine Brust gebohrt hatte.




Gareths Mutter hockte am Fuß der Treppe. Einen Augenblick lang dachte


Gareth, sie wäre noch immer am Leben, bis er den klaffenden Schlitz


quer über
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