Fanfic: Die Rätsel von Karenta
Dean trifft. Und Dean hält Tinnie für das Nächstbeste nach Unsterblichkeit.
Er ist ihr ergebener Maulwurf im Garten meines Lebens.
»Ich würde ihn ja zu Katzennahrung verarbeiten, wenn ich ihm den Hals
umdrehen könnte, ohne den Kerl zu beleidigen, der ihn mir geschenkt
hat.« Irgendwann würde ich mich an Morpheus dafür rächen. Aber das
wird verdammt schwierig werden.
»Irgendwie ist er ganz süß«, erklärt Alyx, die sich anscheinend urplötzlich
eines anderen besonnen hat. »Aber ich würde ihn nicht unbedingt meiner
Tante Claire vorstellen.«
»Komm her, Süße«, quakte der Vogel. »Halleluja! Seht euch diese Möpse
an! Ich bin verliebt!«
»Er ist der einzige Gottverdammte Vogel auf der ganzen Welt mit einem
so reichhaltigen Wortschatz, und er vergeudet ihn, indem er allen
Leuten damit auf die Nerven geht.«
»Bevor du noch bei dem Versuch platzt, auf eine unauffällige Art und
Weise zu fragen …« Tinnies wunderschönstes Lächeln spielt um ihre
prachtvollen Lippen, während sie sich an mich schmiegt und mir mit
ihren vollkommen unschuldigen, grünen Augen ins Gesicht lacht. »Das
hier ist Nicks. Giorgi Nicks für Nicholas.«
»Hallo, Giorgi Fi … Nicks für Nicholas.« Autsch! Der kleine Versprecher
bringt mir einen saftigen Zwicker ein.
Der Gottverdammte Papagei singt auf Alyx Weider ein Loblied, das selbst
einem Schauermann vom Hafen die Röte ins Gesicht treiben würde. Aber
man konnte ihm nicht vorwerfen, dass er etwas an den Augen hätte.
Tinnie sah mich unverwandt an und hörte nicht auf, mich zu zwicken.
»Und weißt du was, Liebling? Sie ist schon vergeben.«
»Was für ein Glückspilz. Mr. Big wird am Boden zerstört sein.« Dieser
schweineschnäblige Bussard hatte Nicks erspäht. Nicks zwinkerte mir
zu. Sie hatte ein unglaubliches Lächeln und Augen, die so blau waren
wie ein wolkenloser Himmel.
»Ich bin nur verlobt, Mr. Garrett. Nicht tot«, versprach sie.
Alyx pfiff. »Nicks!«
Tinnie lachte, aber sie kniff dabei drohend die Augen zusammen.
Es war genau der richtige Moment, um auf die Straße zu flüchten und
Dean zu fragen, ob er vielleicht Hilfe beim Einkaufen brauchte.
»Hoppla! So meinte ich das nicht! Sind Sie der Garrett, mit dem Tinnie
die ganze Zeit herumprahlt?«
»Letztes Mal war das noch mein Name. Was das Prahlen angeht, da bin
ich mir nicht so sicher.«
Für diesen Seitenhieb bohrte sich mir ein Fingernagel von einer wunderschönen
Rothaarigen in die Rippen. »Es wird richtig wehtun, wenn du nicht
schön aufpasst«, erklärte sie im Plauderton.
»Mach mich nicht immer für alles verantwortlich, Schätzchen.«
»Nicks ist einfach nur Nicks. Sie kann nichts dafür«, erklärte Alyx.
»Häh?«
»Nicks flirtet. Das tut sie, seit wir sieben sind. Sie kann nicht anders.
Und sie meint es nicht so. Ihr ist einfach nicht klar, dass sie aufmunternde
Signale aussendet. Nicks, verdammt noch mal, du kannst hier draußen
in der richtigen Welt echt in Schwierigkeiten geraten.«
Alyx hatte Recht. Es gab immer Ärger, wenn eine Frau signalisierte,
dass sie bereit wäre und es eigentlich nicht war.
»Hab ich etwas verpasst?«, fragte ich. »Haben Sie Ihr ganzes Leben
in einem Harem zugebracht, Nicks?« Das ist zwar nicht üblich in Karenta,
aber unter Reichen herrschen manchmal seltsame Sitten. Alyx war als
Kind unglaublich behütet gewesen.
»Praktisch ja.« Der Gottverdammte Papagei spreizte die Flügel und landete
auf ihrem Handgelenk. Er sah aus wie ein Falke in einem Clownskostüm.
»Mein Vater hatte sehr klare Vorstellungen, wie er mich vor der Welt
bewahren wollte. Die Weiders und einige andere Familien sind die einzigen
Menschen, die ich jemals kennen gelernt habe. Bis vor kurzem.«
»Sie wohnt jetzt bei uns«, warf Alyx ein. »Daddy ist nämlich gar nicht
der böse Menschenfresser, der er einmal war.«
Bei seinem Baby war er das nie. Alyx bekamm immer, was sie wollte.
Sie brauchte nur zu schmollen.
Nicks strich dem Dschungelhuhn mit einem Finger über den Kopf. Das
kleine Monster machte begeistert mit. Es drehte den Kopf zurück, damit
sie es unter dem Kinn kraulen konnte. Ich hatte noch nie erlebt, dass
er jemandem so vollkommen zugetan war.
Ich betrachtete Alyx, aber sie verriet nichts. Was machte sie selbst
eigentlich hier bei mir außerhalb ihrer Familienfestung? Der alte
Weider schien allmählich die Kontrolle zu verlieren.
Aber das wusste ich doch längst. Oder etwa nicht? War diese dralle
dreiste Dreifaltigkeit nicht deshalb hier? Wenn Max noch alles im
Griff hätte, würde er keine Hilfe brauchen, und sein Zuckerpüppchen
würde nicht herumlaufen und welche suchen.
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich werde unterwegs herausfinden, was
ich wissen muss. Besuchen wir Ihre Gnaden. Macht es euch bequem, und
dann reden wir drüber.«
Tinnie trat einen Schritt zurück und sah mich finster an. »Solltest
du dich nicht erst mal anziehen?«
Das ist meine Tinnie, die immer nur mein Bestes im Sinn hat. »Keine
schlechte Idee, Schätzchen«, sagte ich. Obwohl ich eigentlich mit
meinem Aufzug ganz zufrieden war. Was machte es schon, dass ich ein
bisschen zerknautscht aussah? Das gehörte zu meinem draufgängerischen
Charme. »Bin gleich wieder zurück, meine Hübschen. Wenn Ihr Tee oder
etwas anderes wollt, bedient euch ruhig. Dean ist beim Einkaufen.
Tinnie, du weißt ja, wo alles steht.«
Was ist Garrett doch gerissen. Er bekommt frischen Tee, aufgebrüht
von eben den drei Zankteufeln, die glauben, sie hätten ihn sauber
festgenagelt.
Ich trottete schnell nach oben, bevor Tinnie dahinterkam.
3. Kapitel
Ich stieg in meinen besten Klamotten, die mein Trockenständer hergab,
die Treppe hinunter und musste feststellen, dass der alte Dean gerade
wieder eingetrudelt war. Er verzog seine knochige Nase und schüttelte
seinen knochigen Kopf, während er in die Küche ging. Alyx` blaue Augen
funkelten. »Du verschwendest wohl nicht viel Zeit mit der Auswahl
deiner Garderobe, was, Garrett?«
Tinnie war in der Küche. Deans Laune hob sich schlagartig. »Miss Tate?
Was für eine angenehme Überraschung! Darf ich anmerken, dass Sie heute
besonders entzückend aussehen?«
»Mr. Creech! Sie Schlimmer! Natürlich dürfen Sie das. Wenigstens einer,
dem das auffällt. Darf ich Ihnen helfen?«
Ich steckte meinen Kopf durch die Tür. Mist! Der alte Kerl fiel gerade
der Umarmung einer Rothaarigen zum Opfer!
Das Leben ist einfach nicht fair. Nicht das kleinste bisschen! Mich
knufft und kneift sie nur!
Ein knisterndes Gefühl von amüsierter Erwartung umhüllte mich. Irgenwie
hatten die Damen meinen Partner offenbar geweckt und ihn gleichzeitig
in gute Laune versetzt. Das weckte in mir böse Vorahnungen, Eklipsen
und planetarische Konstellationen gibt es weniger häufig als die Tatsache,
dass der Tote Mann gute Laune hat, wenn er aufwacht und feststellen
muss, dass das Haus von Weibchen verseucht ist.
Ich holte tief Luft.
Los ging`s.
Ich führte die Damen in das Zimmer des Toten Mannes, das fast die ganze
linke Seite meines Hauses in Beschlag nimmt und das nur die Speisekammer
der Küche ausspart.
Die Süßen fühlten sich sofort wie zu Hause. Ohne zu fragen schleppten
sie Stühle aus meinem Büro, das einem geräumigen Kleiderschrank ähnelt
und dem Zimmer des Toten Mannes gegenüberliegt. Tinnie hockte sich
auf den Besucherstuhl. Nicks hatte sich des bequemen Stuhls bemächtigt,
der hinter meinen Schreibtisch gehörte. Ich würde die angewärmte Sitzfläche
sicher für alle Zeit in Ehren halten. Inzwischen schmückte Alyx den
Stuhl, den ich gewöhnlich besetzte, wenn ich beim Toten Mann war.
Der Gottverdammte Papagei thronte immer noch auf Nicks Hand und knabberte
an etwas, das sie ihm hinhielt. Er gurrte wie eine Gottverdammte Turteltaube.
Du solltest dir deine Bewunderung für Miss Tate aufheben. Wenn du ein
Gentleman wärst. Das war mein Partner, der mir diesen unerwünschten
Ratschlag direkt in mein Gehirn übermittelte.
»Bin ich nicht. Das hat sie mir oft genug gesagt.« Meine Miene verfinsterte
sich. Alyx und Nicks lächelten, als hätten sie eben einen Witz gehört,
den nur sie verstanden. Vielleicht hatte der alte Knochensack seine
Bemerkung ja auch den drei Herzmuskelattentäterinnen übermittelt und
nicht nur mir.
Möglicherweise errötete ich sogar etwas. Tinnie grinste jedenfalls
ganz unverhohlen.
Der Tote Mann residiert in einem gewaltigen Holzstuhl neben dem Kamin
im größten Zimmer dieses Hauses. Normalerweise ist es nicht beleuchtet.
In seinem momentanen Zustand braucht er kein Licht. Aber die Ladys
brauchten welches und hatten Lampen aus den anderen Zimmern geholt.