Fanfic: Das Spiel der Götter
Kapitel: Das Spiel der Götter
Das Spiel der Götter
Die Heilige Wüste
Anonym
Kulp fühlte sich wie eine Ratte in einem großen Zimmer, in dem es von
Ogern nur so wimmelte, von Schatten umgeben und andauernd in Gefahr,
unter einem Fuß zertreten zu werden. Niemals zuvor hatte sich das
Meanas-Gewirr so … beladen angefühlt, wenn er es betreten hatte.
Es waren Fremde hier, Eindringlinge … Mächte, die dieser Sphäre so
feindselig gesinnt waren, dass eine alles umfassende, zornige Atmosphäre
herrschte. Die Essenz seines Selbst, die durch das Gewebe geschlüpft
war, war nur noch eine kauernde, geduckte Kreatur. Dabei war alles,
was er fühlen konnte, die Gewissheit, dass hier mehrmals etwas Wildes,
Mörderisches durchgezogen war; er spürte das wirbelnde Kielwasser,
das die Pfade markierte, die das Unwillkommene genommen hatte. Seine
Sinne schrien ihm zu, dass er - zumindest für den Augenblick - allein
war, dass die dunstige, sich in alle Richtungen flach ausdehnende
Landschaft bar allen Lebens war.
Trotzdem zitterte er vor Entsetzen.
Mit einer geisterhaften Hand griff er in seinem Geist zurück nach seinem
Körper und fand die fühlbare Bestätigung des Ortes, an dem er existierte,
spürte das Blut, das durch seine Adern strömte, das Gewicht von Fleisch
und Knochen. Er saß mit übereinander geschlagenen Beinen in der Kapitäns-Kajüte
der Silanda, und ein erschöpfter, unruhiger Heboric wachte über ihn,
während die anderen an Deck warteten und dabei unaufhörlich den an
allen Seiten von nichts unterbrochenen, unbarmherzig flachen Horizont
beobachteten.
Sie mussten einen Weg nach draußen finden. Das gesamte ältere Gewirr,
in dem sie sich wieder gefunden hatten, war überflutet, war ein einziges
dickflüssiges, seichtes Meer. Die Ruderer würden die Silanda noch
tausend Jahre vorantreiben, bis das Holz in ihren toten Händen verfaulte
und die Schäfte brachen, bis das Schiff um sie herum auseinander fallen
würde - so lange würde die Trommel dröhnen und die Rücken sich beugen.
Zu diesem Zeitpunkt werden wir schon lange tot sein. Wir werden nur
noch vermoderter Staub sein. Er musste eine Möglichkeit finden, das
Gewirr zu wechseln, nur so konnten sie entkommen.
Kulp verfluchte seine begrenzten Möglichkeiten. Wäre er ein Praktiker
von Serc oder Denul gewesen, oder von D`riss oder praktisch jedem
anderen Gewirr, das den Menschen zugänglich war, dann hätte er gefunden,
was sie brauchten. Aber nicht in Meanas. Hier gibt es keine Meere,
keine Flüsse, noch nicht einmal eine klitzekleine Pfütze, beim Vermummten.
Aus dem Innern seines Gewirrs versuchte Kulp eine Passage in die Welt
der Sterblichen zu finden oder zu schaffen … und das erwies sich als
problematisch.
Sie waren durch besondere Gesetze gebunden, durch natürliche Regeln,
die mit dem Prinzip von Ursache und Wirkung zu spielen schienen. Wären
sie mit einem Wagen unterwegs gewesen, hätte die Passage durch die
Gewirre sie unfehlbar zu einem trockenen Weg geführt, denn die Ur-Elemente
behaupteten eine störrische Übereinstimmung quer durch alle Gewirre.
Erde zu Erde, Luft zu Luft, Wasser zu Wasser.
Kulp hatte Gerüchte gehört, wonach es manchen Hohemagiern gelungen
sein sollte, diesen unbegrenzten Gesetzen ein Schnippchen zu schlagen,
und vielleicht verfügten auch die Götter und andere Aufgestiegene
über solche Mittel. Aber sie standen so hoch über einem einfachen
Kader-Magier wie die Schmiedewerkzeuge eines Ogers über einer sich
duckenden Ratte.
Seine andere Sorge galt der Größe der Aufgabe an sich. Eine Gruppe
von Gefährten durch sein Gewirr zu ziehen, war zwar schwierig, aber
durchaus machbar. Doch ein ganzes Schiff! Er hatte gehofft, eine Eingebung
zu bekommen, sobald er sich erst einmal im Meanas-Gewirr befand, einen
Geistesblitz, der ihm eine einfache, elegante Lösung zeigen würde.
Mit der ganzen Anmut der Poesie. Hat nicht Fisher Kel`Tath selbst
einst gesagt, dass Poesie und Zauberei die beiden Schneiden der Klinge
im Herzen eines jeden Mannes sind? Aber wo sind dann meine magischen
Phrasen?
Kulp musste verbittert zugeben, dass er sich innerhalb des Meanas-Gewirrs
genauso dumm vorkam wie in der Kajüte des Kapitäns. Die Kunst der
Illusion besitzt eine eigene Anmut. Es muss einfach eine Möglichkeit
geben, uns hier … herauszumogeln. Der Widerspruch zwischen dem, was
ist, und dem, was nicht ist, ist die Synergie im Geist eines Sterblichen.
Und größere Kräfte? Kann die Wirklichkeit selbst genarrt und dazu
gebracht werden, auf einer Unwirklichkeit zu bestehen?
Seine schreienden Sinne änderten die Tonhöhe. Kulp war nicht mehr allein.
Die dicke, geschwollene Luft des Meanas-Gewirrs - wo Schatten die
Konsistenz von Mattglas hatten und es ein Gefühl ekstatischen Erschauerns
erzeugte, durch sie hindurchzuschlüpfen - hatte begonnen, sich erst
auszubeulen und dann zu beugen, als würde etwas Großes erscheinen
und die Luft vor sich herschieben. Und was auch immer es sein mochte,
es kam sehr schnell näher.
Plötzlich stieg ein Gedanke in dem Magier auf. Und zwar einer voller
… Eleganz. Bei Toggs Zehen, kann ich das tun? Druck aufbauen, dann
ein müßiges Kielwasser, eine bestimmte Strömung, ein bestimmtes Fließen.
Beim Vermummten, es ist zwar kein Wasser, aber es ist ziemlich nahe
dran. Das hoffe ich zumindest.
Er sah Heboric erschrocken aufspringen und sich den Kopf an einem niedrigen
Kreuzbalken der Kajüte stoßen. Kulp schlüpfte zurück in seinen Körper
und stieß einen rasselnden, keuchenden Atemzug aus. »Es geht gleich
los, Heboric. Sorg dafür, dass alle bereit sind!«
Der alte Mann rieb sich mit einem seiner Armstümpfe den Hinterkopf.
»Bereit? Bereit wofür, Magier?«
»Für alles Mögliche.«
Kulp schlüpfte wieder hinaus, kletterte mental erneut an seiner Ankerkette
im Meanas-Gewirr zurück.
Der Unwillkommene kam näher, und er strahlte so viel Macht aus, dass
die fiebrige Atmosphäre zu zittern begann. Der Magier sah, wie nahe
gelegene Schatten vibrierten und sich auflösten. Er spürte, wie sich
in der Luft eine Ungeheuerlichkeit aufbaute, genau wie in der lehmigen
Erde unter seinen Füßen. Was auch immer durch sein Gewirr zog, hatte
Aufmerksamkeit erregt. Die Aufmerksamkeit von … von wem auch immer
- Schattenthron, den Hunden … aber vielleicht sind Gewirre ja auch
tatsächlich lebendig. Wie auch immer, jetzt kam es, mit arroganter
Gleichgültigkeit.
Kulp musste plötzlich an Sormo denken, an das Ritual in der Nähe von
Hissar, bei dem der Waerloga sie in das T`lan-Imass-Gewirr gezogen
hatte. Oh, beim Vermummten, ein Wechselgänger oder ein Vielwandler
… aber welch eine Macht! Wer im Abgrund verfügt über so viel Macht?
Es fielen ihm nur zwei Wesen ein: Anomander Rake, der Sohn der Dunkelheit,
und Osric. Beide waren Wechselgänger, und beide waren überaus arrogant.
Falls es noch andere geben sollte, hätte er von ihren Aktivitäten
gehört, dessen war er sich sicher. Krieger reden über Helden. Magier
reden über Aufgestiegene. Er hätte ganz bestimmt davon gehört.
Rake war in - oder besser über - Genabackis, und von Osric erzählte
man sich, dass er vor ungefähr einem Jahrhundert zu einem Kontinent
weit im Süden gereist wäre. Nun, vielleicht ist dieser kaltäugige
Bastard ja zurückgekehrt. Egal wie, er würde es herausfinden.
Die Präsenz war da. Seinen geistigen Bauch flach auf den weichen Boden
gepresst, legte Kulp den Kopf in den Nacken und starrte nach oben.
Der Drache flog tief über der Erde. Er sah anders aus als jede Darstellung
eines Drachen, die Kulp bisher gesehen hatte - das ist weder Rake
noch Osric -, mit kräftigen Knochen und Haut, die wie trockene Haifischhaut
aussah; seine Spannweite war gewaltiger als die des Sohnes der Dunkelheit
- in dessen Adern das Blut einer Drachengöttin fließt -, und die Schwingen
hatten nichts von jener sanften, gewölbten Anmut. Die Knochen waren
auf verrückte Weise vielgelenkig, wie ein zerschmetterter Fledermausflügel;
unter der gespannten, rissigen Haut war jedes knorrige Gelenk gut
zu erkennen. Der Kopf des Drachen war ebenso breit wie lang, wie der
Kopf einer Viper, mit hoch angesetzten Augen. Es gab keine deutlich
abgesetzte Stirn; stattdessen wich der Schädel nach hinten zurück
und lief in einer Auszackung im Nacken aus, die fast in Hals- und
Kiefermuskeln begraben war.
Ein Drache von rohem Schlag, ein Geschöpf, das die Aura von etwas Uraltem
verströmte. Und außerdem war sie untot, wie Kulp nach Luft schnappend
feststellte, als seine Sinne die Kreatur ganz und gar erfassten.
Der Magier spürte, dass das Wesen ihn bemerkte, während es mit einem
flüsternden Geräusch zwanzig Armspannen über ihn hinwegsegelte. Ein
Gefühl, das anfangs sehr stark war und dann schnell schwächer wurde.
Als im Gefolge des Drachen ein schneidender Wind heranwehte, rollte
Kulp sich auf den Rücken und stieß zischend die paar Worte Hoher