Fanfic: Das Spiel der Götter 2

immer


das spiralförmige Muster erhalten, das längst verblichene Künstler


in den Stein gemeißelt hatten.




Als sie den Hof betreten hatten, war Icarium unverzüglich zu der knapp


sechs Fuß hohen Säule marschiert und hatte ihre Oberfläche untersucht.


Sein Grunzen verriet Mappo, dass er gefunden hatte, wonach er Ausschau


gehalten hatte.




»Und, was ist mit der hier?«, fragte der Trell, während er den Lederbeutel


absetzte.




Icarium trat zu ihm, wischte sich dabei den Staub von den Händen. »Ziemlich


weit unten, fast am Fuß, sind Spuren von kleinen Krallenhänden - die


Sucher sind unterwegs.«




»Ratten? Mehr als eine Gruppe?«




»Vielwandler«, bestätigte Icarium mit einem Nicken.




»Nun, ich frage mich, wer das wohl sein könnte?«




»Gryllen, vermutlich.«




»Hm. Wie unerfreulich.«




Icarium musterte die völlig flache Ebene, die sich nach Westen hin


erstreckte. »Es werden noch andere kommen. Sowohl Wechselgänger als


auch Vielwandler. Diejenigen, die sich dem Aufsteigen schon ganz nah


glauben, aber genauso auch die, die es nicht tun, und trotzdem den


Pfad suchen.«




Mappo seufzte, musterte seinen alten Freund. Ein schwaches Gefühl der


Furcht stieg in ihm auf. Vielwandler und Wechselgänger, zwei Formen


des Gestaltwandels, zwei Formen des Fluchs … das Fieber, für das es


keine Heilung gibt. Und sie versammeln sich … hier, an diesem Ort.


»Ist das klug, Icarium?«, fragte er sanft. »Auf der Suche nach dem


Ziel, dem du schon ewig nachjagst, sind wir drauf und dran, mitten


in eine höchst unangenehme Konvergenz hineinzumarschieren. Wenn die


Tore sich öffnen, werden wir uns mit einer Gruppe blutdürstiger, vor


Gier verblendeter Individuen darum streiten müssen, hindurchzugehen,


denn sie alle glauben daran, dass die Tore eine Möglichkeit zum Aufstieg


bieten.«




»Wenn solch ein Weg wirklich existiert«, sagte Icarium, den Blick noch


immer auf den Horizont geheftet, »dann werde ich dort vielleicht auch


all die Antworten finden, nach denen ich suche.«




Antworten sind kein Segen, mein Freund. Bitte glaub mir. »Du hast mir


immer noch nicht erklärt, was du zu tun gedenkst, wenn du sie erst


einmal gefunden hast.«




Icarium drehte sich zu ihm um. Ein schwaches Lächeln lag auf seinem


Gesicht. »Ich bin mein eigener Fluch, Mappo. Ich habe Jahrhunderte


gelebt, doch was weiß ich von meiner Vergangenheit? Wo sind meine


Erinnerungen? Wie kann ich mein Leben ohne dieses Wissen beurteilen?«




»Einige würden deinen Fluch für ein Geschenk halten«, sagte Mappo.


Ein trauriger Ausdruck huschte kurz über sein Gesicht.




»Ich nicht. Ich betrachte diese Konvergenz als eine Gelegenheit. Sie


mag mir sehr wohl Antworten gewähren. Ich hoffe, ich kann es vermeiden,


meine Waffen zu ziehen, um diese Antworten zu erhalten, aber wenn


es sein muss, werde ich auch das tun.«




Der Trell seufzte ein zweites Mal und richtete sich aus seiner geduckten


Stellung auf. »Deine Entschlossenheit in dieser Angelegenheit könnte


schon bald einer Prüfung unterzogen werden, mein Freund.« Er blickte


nach Südwesten. »Sechs Wüstenwölfe sind auf unserer Spur.«




Icarium wickelte seinen Bogen aus und spannte ihn in einer einzigen


fließenden Bewegung. »Wüstenwölfe jagen niemals Menschen.«




»Nein«, stimmte Mappo zu. Es würde noch eine Stunde dauern, bis der


Mond aufging. Er sah zu, wie Icarium sechs lange, mit Steinspitzen


versehene Pfeile bereitlegte, dann blinzelte er in die Dunkelheit


hinaus. Kalte Furcht kroch ihm den Nacken hinauf. Die Wölfe waren


noch nicht zu sehen, doch er konnte sie trotzdem spüren. »Sie sind


zu sechst, aber sie sind nur einer. Vielwandler.« Es wäre besser,


wenn es ein Wechselgänger wäre. Sich in ein anderes Wesen zu verwandeln


ist schon schlimm genug, aber gleich in mehrere …




Icarium runzelte die Stirn. »Also ist es einer mit großer Macht, wenn


er in Gestalt von sechs Wölfen aufzutreten vermag. Weißt du, wer es


sein könnte?«




»Ich habe einen Verdacht«, sagte Mappo leise.




Dann schwiegen sie und warteten.




Ein halbes Dutzend lohfarbener Schatten tauchte weniger als dreißig


Schritte entfernt aus einem Dunkel auf, das aus sich selbst heraus


entstanden zu sein schien. Als sie noch zwanzig Schritte entfernt


waren, schwärmten die Wölfe zu einem Halbkreis aus, in dessen Zentrum


sich Mappo und Icarium befanden. Der würzige Geruch eines Vielwandlers


erfüllte die stille Nachtluft. Eines der geschmeidigen Tiere schob


sich vor, verharrte jedoch augenblicklich, als Icarium seinen Bogen


hob.




»Nicht sechs, sondern einer«, murmelte Icarium.




»Ich kenne ihn«, erwiderte Mappo. »Es ist eine Schande, dass er von


uns nicht das Gleiche sagen kann. Er ist unsicher, doch er hat eine


Gestalt angenommen, die das Blutvergießen liebt. Heute Nacht jagt


Ryllandaras in der Wüste. Ich frage mich nur: jagt er uns - oder irgendetwas


anderes?«




Icarium zuckte die Schultern. »Wer von uns soll zuerst sprechen, Mappo?«




»Ich«, entgegnete der Trell und trat einen Schritt vor. Diese Situation


erforderte ein listiges, gerissenes Verhalten. Jeder Fehler würde


sich als tödlich erweisen. Er sprach leise und sarkastisch. »Du bist


ziemlich weit weg von zu Hause, was? Dein Bruder Treach wollte dich


töten. Wo war noch jene Kluft? In Dal Hon? Oder war es in Li Heng?


Ich glaube mich zu erinnern, dass du damals Schakal warst.«




Ryllandaras` Stimme ertönte in ihren Köpfen, eine Stimme, die vom mangelnden


Gebrauch brüchig und zögernd klang. Ich bin versucht, meinen Geist


mit deinem zu messen, N`Trell, bevor ich euch töte.




»Es mag vielleicht nicht der Mühe wert sein«, erwiderte Mappo leichthin.


»Dank der Gesellschaft, in der ich mich befinde, bin ich genauso aus


der Übung wie du, Ryllandaras.«




Der Blick aus den klaren blauen Augen des Leitwolfs zuckte kurz zu


Icarium hinüber.




»Ich besitze wenig Geist, mit dem zu messen sich lohnt«, sagte das


Jaghut-Halbblut leise. Seine Stimme war kaum zu verstehen. »Und ich


verliere langsam die Geduld.«




Das ist dumm. Höflichkeit ist das Einzige, was euch vielleicht retten


kann. Sag mir, Bogenschütze, wirst du dein Leben von der Listigkeit


deines Gefährten abhängig machen?




Icarium schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Ich teile die Einschätzung,


die er von sich selbst hat.«




Ryllandaras wirkte verwirrt. Dann ist es also nur eine Sache der Zweckdienlichkeit,


dass ihr beide zusammen reist. Ihr seid Gefährten ohne Glaube, ohne


Vertrauen zueinander. Es muss viel auf dem Spiel stehen.




»Ich fange an, mich zu langweilen, Mappo«, sagte Icarium.




Die sechs Wölfe erstarrten alle zugleich, wie ein einziges Wesen, und


schienen leicht zurückzuzucken. Mappo Runt und Icarium. Ah, wir verstehen.


Ihr sollt wissen, dass wir keinen Streit mit euch haben.




»So haben wir also den Geist gemessen«, sagte Mappo. Sein Grinsen wurde


breiter, dann verschwand es abrupt. »Geh anderswo auf die Jagd, Ryllandaras,


ehe Icarium Treach einen Gefallen tut.« Bevor du all das entfesselst,


was zu verhindern ich geschworen habe. »Hast du mich verstanden?«




Unsere Wege … kreuzen sich, sagte der Vielwandler, auf der Fährte eines


Dämons des Schattens.




»Er gehört nicht mehr zum Schatten«, erwiderte Mappo, »sondern zu Sha`ik.


Die Heilige Wüste schläft nicht mehr.«




So scheint es. Willst du uns die Jagd verbieten?




Mappo warf einen Blick zu Icarium hinüber, der seinen Bogen senkte


und die Achseln zuckte. »Wenn du den Wunsch haben solltest, dich in


einen Aptorian zu verbeißen, dann ist das deine Sache. Alles, was


wir wollen, ist, weiterziehen zu können.«




Dann sollen sich in der Tat unsere Kiefer um den Hals des Dämons schließen.




»Du würdest dir Sha`ik zur Feindin machen?«, fragte Mappo neugierig.




Der Leitwolf neigte den Kopf zur Seite. Der Name bedeutet mir nichts.




Die beiden Reisenden sahen zu, wie die Wölfe davontrotteten und wieder


in einem durch Zauberei erschaffenen Dunkel verschwanden. Mappo bleckte


die Zähne und seufzte tief. Icarium nickte und fasste in Worte, was


sie beide dachten: »Das wird sich schon bald ändern.«
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