Fanfic: Die Schatten der Vampyre
fühlte auch kein Entsetzen mehr, sondern einfach nur eine seltsame Leere.
„Celia!“, rief ihre Mutter noch einmal, dann konnte Celia hören, wie sie nach einem kurzen Zögern die Treppe wieder hinunter ging.
Irgendwann am heutigen Morgen würde die Polizei vor der Tür stehen. Sie würden Celia Fragen stellen, ganz so, wie es der junge Beamte gestern gesagt hatte. Aber was sollte sie antworten? Alles zu erzählen, bedeutete, sich noch einmal alles in Erinnerung zu rufen. Und davor hatte sie Angst.
Aber irgend etwas musste sie sagen.
Fünf Minuten später klingelte es tatsächlich. Celia konnte hören, wie unten die Haustür geöffnet wurde und ihre Mutter irgendetwas sagte. Dann war es kurze Zeit ruhig, bevor das Knarren der Treppenstufen erklang.
Langsam richtete Celia sich auf und ging zur Tür. Sie drehte den Schlüssel um und öffnete sie.
Direkt vor ihr stand der Polizeibeamte, der sie gestern nach Hause gefahren hatte. Er hatte eine Hand in Richtung Tür ausgestreckt, fast so, als ob er hätte anklopfen wollen.
Auf der letzten Treppenstufe hinter ihm stand Celias Mutter, die sie mit besorgtem Blick musterte.
„Kann ich rein kommen?“, fragte Johansson freundlich. Celia nickte und trat zur Seite.
Ihre Mutter wollte dem jungen Mann folgen, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne, als er eine Geste in ihre Richtung machte.
Johansson blickte Celia direkt an. Er schien zu spüren, dass sie eigentlich gar nicht wollte, dass ihre Mutter auch in ihr Zimmer kam.
„Miss Sylvers?“, richtete er das Wort an sie. „Dürfte ich sie bitten, einen Augenblick unten zu warten?“ „Ja“, antwortete Celias Mutter mit einem verstörten und noch besorgterem Blick auf ihre Tochter. „Aber warum...“ Der Polizeibeamte unterbrach sie. „Ich komme glich zu ihnen hinunter. Es dauert wirklich nicht lange.“, sagte er, noch etwas eindringlicher. Celias Mutter zögerte noch immer, ging schließlich aber doch wieder nach unten, aber nicht, ohne ihrer Tochter noch einmal einen Blick zu zuwerfen.
Wortlos betrat Johansson Celias Zimmer. Hinter sich schloss er die Tür. Dann drehte er sich zu ihr um und sah sie an. „Wie fühlst du dich?“, fragte er.
„Ganz in Ordnung... denke ich“, antwortete Celia leise.
Johansson nickte. „Du hast in der letzten Nacht nicht geschlafen, habe ich Recht?“
Celia schwieg, aber das schien ihm als Antwort zu genügen. „Glaub mir, es wäre besser für dich gewesen.“ Dann schüttelte er den Kopf. „Aber angesichts der Tatsache, was gestern Abend geschehen ist, ist es kein Wunder, dass du nicht schlafen konntest. Du hast gesehen, was passiert ist, oder?“
Celia nickte. Sie sah ihn an, aber ihr Blick ging durch ihn hindurch. Wenn sie jetzt alles erzählte, dann musste sie sich auch eingestehen, dass Serafin das getan hatte. Dass Serafin den Mann ... umgebracht hatte...
„Erzähl mir, was passiert ist.“, sagte Johansson leise. „Ich weiß, dass es dir schwer fällt, aber danach wirst du dich besser fühlen.“
„Nein.“ Celia sah ihn lange an, bevor sie fortfuhr. „Ich kann nicht.“
Johansson wartete noch eine Weile, aber als Celia immer noch nichts sagte, meinte er: „Ich kann dich nicht zwingen. Aber...“ Er hielt kurz in seinen Worten inne und schien nachzudenken. „...ich sollte dir das zwar eigentlich nicht erzählen, aber in letzter Zeit gab es mehrere solcher Morde. Wenn du uns einen Hinweis geben könntest, wer der Täter ist, würde uns das sehr helfen.“ Er wartete noch einen Augenblick, dann, als Celia ihn nur schweigend ansah, verließ er das Zimmer.
Serafin stand vor einem der Fenster und sah hinaus. Das morgendliche Sonnenlicht stach ihm in die Augen, aber er unternahm nichts dagegen. Sein Blick ruhte auf dem eisernen Tor, das von diesem Zimmer aus zu sehen war. Es musste das Tor sein, das in den großen Burghof führte. Serafin sah es jedoch gar nicht. Seine Gedanken waren abgeschweift, drehten sich mal um Celia, dann wieder um das, was letzte Nacht geschehen war, aber hauptsächlich um Kains Worte. Was, wenn er Recht hatte, fragte sich Serafin. Nein, eigentlich fragte er es nicht. Er wusste es bereits. Aber er wollte es nicht wahr haben. Das Eisentor draußen war geschlossen. Auch wenn es vielleicht nicht abgeschlossen war und Serafin jederzeit gehen konnte – wie Kain behauptet hatte – fühlte er sich in der Burg gefangen. Was würde es schon nutzen, von hier zu fliehen? Vielleicht konnte er von diesem Ort entkommen, nicht aber dem Wissen, was er war oder was er getan hatte.
Serafin wusste jetzt, dass es keinesfalls so war, dass er bei der Erinnerung an das Geschehene nichts empfand. Er fühlte etwas. Und er wusste jetzt auch, was es war. Resignation. Resignation, weil er wusste, was er war.
Kain lehnte immer noch irgendwo hinter ihm an der Wand und beobachtete ihn, das spürte Serafin. Er wartete. Er wartete, wie ein hungriges Raubtier. Aber auf was wartete er? Serafin wagte es nicht, sich zu ihm umzudrehen. Er hatte immer noch ein ungutes Gefühl in der Gegenwart von Kain. Der Vampyr hatte zwar erklärt, dass jeder Vampyr einen anderen spüren konnte, und das es nur das war, was er fühlte. Aber Serafin wollte das nicht akzeptieren, denn dann musste er sich auch eingestehen, das es „Vampyre“ gab. Und, dass er einer von ihnen war. Dafür war er einfach noch nicht bereit.
Aber er würde es müssen, früher oder später...
Er schrak aus seinen Gedanken, als das eiserne Tor aufschwang. Zwei Gestalten betraten den Hof. Serafin erkannte sie sofort, es waren die zwei Männer, die ihm in der Nacht begegnet waren, und die, die ihn, nach Kains Worten, hierher gebracht hatten. Irgendwann, er wusste nicht, wie lange er so dagestanden und aus dem Fenster gestarrt hatte, wandte er sich wieder zu Kain um. „Warum hast du mich hierher bringen lassen?“, fragte er leise.
Kains Lippen umspielte ein Lächeln, er spürte, dass der Junge akzeptiert zu haben schien, was er war. Mit bedächtigen Schritten kam er auf Serafin zu und trat neben ihn ans Fenster. „Das ist etwas kompliziert...“ Einen Augenblick lang sah er nachdenklich auf den morgendlichen Burghof hinaus, fast glaubte Serafin, so etwas wie Traurigkeit in den Augen des Mannes aufblitzen zu sehen. Aber schon im nächsten Moment war der Ausdruck aus Kains Augen verschwunden. Als er sich wieder zu Serafin umdrehte, lächelte er sogar freundlich, auch wenn es etwas gezwungen aussah. „Ich muss dafür etwas weiter ausholen“, fuhr Kain fort. „Denn bevor ich dir alles erklären kann, solltest du einiges über die Geschichte der Vampyre wissen.“ Sein Blick wanderte wieder aus dem Fenster. „Im Mittelalter, ungefähr bis ins 15. Jahrhundert hinein – selbst die Ältesten unter uns Vampyren können nicht mehr mit Sicherheit sagen, wann die Menschen aufhörten, an uns zu glauben – wussten die Menschen von der Existenz der Vampyre. Es gab sogar Menschen, die nur dafür ausgebildet wurden, uns zu töten, sie nannten sich selbst „Schattenjäger“.“ Kain hielt einen Moment inne, er schien tief in ferne Erinnerungen versunken zu sein. Als er weiterredete, war seine Stimme so leise, dass Serafin sie kaum verstehen konnte. „Sie jagten uns wie Freiwild und hinterließen eine blutige Spur in unseren Reihen. Nicht selten wurden Vampyre gefoltert, bevor die Schattenjäger sie umbrachten. Ihre Feldzüge gegen uns waren ein einziges Massaker.
Aber, wie ich heute leider zugeben muss, zu Recht. Denn auch die Kultur und Regeln von uns Vampyren waren damals anders. Zwar gehörten die meisten unserer Art irgendeinem alten Vampyrclan oder einer alten Vampyrfamilie an, aber nur selten lebten mehr als 20 von uns in einer einzigen Stadt. Wir jagten, wie wir wollten, und ohne uns Gedanken über die Folgen zu machen. So kam es, dass durch uns ganze Dörfer ausgelöscht wurden. In größeren Städten fand man manchmal in einer einzigen Nacht mehr als 50 leblose und blutleere Körper.“ Kain war vom Fenster zurückgetreten und hatte begonnen, unruhig hin und her zu gehen. „Du musst wissen, ich bin nicht gerade stolz auf die Taten der Vampyre in diesen Jahren. Denn all das schürte nur den Hass der Menschen auf uns.
Deswegen wurden die ersten Schattenjäger ausgebildet.
Deswegen gab es die endlosen Massaker, die in der Lage gewesen waren, unsere Art so zu zerstreuen.
Da wurde uns klar, dass wir etwas dagegen unternehmen mussten.“ Der Vampyr seufzte. „Wenn auch etwas spät...“
Kain warf Serafin einen Blick zu. Der Junge hörte die ganze Zeit schweigend und mit ausdruckslosem Gesicht zu.
„Einige der Clans und Familien trafen sich, um sich zu beraten.
Das war einmalig in der Geschichte der Vampyre, denn normalerweise standen sich die kleinen Gruppen eher feindlich gegenüber. Unsere Philosophie war – und ist – dass man nur für sich alleine lebt. Was nicht heißen soll, dass es keine Freundschaften gibt, sondern nur, dass wir nie ein einziges Volk, eine geeinte Rasse, sein werden und sein wollen.
Schließlich trafen wir eine Art abkommen. Die Vampyre würden sich so lange im Verborgenen halten, bis sich die Lage etwas beruhigt hatte. Die nächsten hundert Jahre hielten sich selbst die Vampyre, die nicht bei diesem Treffen dabei gewesen waren, daran. Wahrscheinlich sahen sie ein, dass es für unser Überleben notwendig war. Denn die Schattenjäger wären durchaus in der Lage gewesen, unsere gesamte Rasse auszulöschen.“
Kain ließ sich schwer auf einen Stuhl