Fanfic: Acorna

waren, bewegte


er sich auch wieder viel geschmeidiger. Seine Haut war weiß, seine


Mähne silbern - Eigenschaften, die er mit Acorna und den anderen Raumfahrern


der Linyaari teilte.




Aari hatte in letzter Zeit eine abgegriffene Ausgabe von Die Abenteuer


des Sherlock Holmes gelesen. Becker und Acorna konnten weitere direkte


Folgen seiner literarischen Vorlieben auch daran erkennen, dass er


sich zwei Baseballmützen aus Beckers Sammlung geliehen und sie so


übereinander gesetzt hatte, dass der Schirm der einen hinten über


seine lange Silbermähne hinausragte, der andere über seine Stirn.


Dies war nicht nur eine ziemlich gute Imitation der traditionellen


Jagdmütze, wie Holmes sie getragen hatte, sie verdeckte auch die Narbe


an Aaris Stirn, wo sich sein Horn einmal befunden hatte. Außerdem


hatte er sich eine makahomanische Ritualpfeife zwischen die Zähne


geklemmt. Sie war ein wenig länger als eine antike Meerschaumpfeife,


doch bei Aaris Größe machte das nichts aus. Der Holmes-Effekt wurde


nur geringfügig dadurch getrübt, dass auf der nach vorne gewandten


Mütze BERGER-BRUNCH `84 aufgestickt war, mit einem stolz aufragenden


Müllcontainer unter dem Schriftzug.




»Raumfahrende Linyaari«, sagte Aari, »entwickeln eine gesteigerte Empfindsamkeit


für navigatorische Beziehungen zwischen Raum und Masse, sogar für


Energiefluktuationen. Viele dieser Beziehungen werden uns telepathisch


von unseren Eltern vermittelt, wenn wir noch klein sind. Zum Teil


war ich auch deshalb in der Lage, dich nach Narhii-Vhiliinyar zu führen,


obwohl ich selbst nie dort war.«




»Mm«, meinte Becker und betrachtete nachdenklich die neueste Aufmachung


seines Besatzungsmitglieds. »Da frage ich mich doch wirklich, ob mein


alter Herr nicht zum Teil Linyaari war. Bist du sicher, dass du den


Weg zum Planeten nicht einfach durch Deduktion gefunden hast?«




Aari schien verdutzt. »Nein, Joh. Wir benutzen für so etwas keine Fußspuren,


Erdsorten und Tabakasche. Es ist eine Sache des Geistes.«




»Muss wohl so sein«, sagte Becker. »Acorna hat die Wurmlöcher und den


Schwarzen Raum mit einer Präzision aufgezeichnet, wie man sie auf


den üblichen Karten nicht findet, wenn man die Instabilität dessen


bedenkt, was da verzeichnet werden soll, und die Gefahren, die damit


verbunden sind, nahe genug heranzukommen, um es kartographisch aufnehmen


zu können. Sie hat sogar das gesamte Wurmlochsystem festgehalten,


durch das wir zurückgesaust sind, um Ganoosh und Ikwaskwan ins Jenseits


zu pusten.«




Acorna blickte von ihrer Arbeit auf und zuckte die Achseln. »Immerhin


waren wir dort. Die Koordinaten der Löcher und Falten sind grob in


deinen Notizen angegeben, und ich habe sie im Kopf nur präzisiert.«


Sie hielt inne und dachte über etwas anderes nach, das Jonas gesagt


hatte. »Und was deinen Vater angeht - wahrscheinlich hatte er kein


Linyaari-Blut. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, dass unsere


Spezies sich mischen. Und auf den Bildern deines Vaters, die du mir


gezeigt hast, sieht er ganz bestimmt nicht wie ein Liinyar aus, obwohl


ich zugeben muss, dass seine Intuition, was Beziehungen im Raum angeht,


mir genau wie deine ganz ähnlich vorkommt wie die Fähigkeiten, über


die unser Volk verfügt. Ich verstehe natürlich, dass du ohne Besatzung


darauf angewiesen warst, alle Phasen deiner Arbeit allein durchzuführen,


und dass auch dein Vater es so gemacht hat, als du noch ein Kind warst.


Ihr hattet beide keine Zeit, diese Beobachtungen zusammenzutragen


und aufzuzeichnen. Aber um ehrlich zu sein, nur hellseherische Fähigkeiten


können erklären, dass du in diesem Durcheinander hier je etwas wiederfinden


konntest.« Sie zeigte mit beiden Händen auf die Berge von Papier,


Computerchips und Bändern, die auf dem Pult verstreut lagen.




»Ich weiß für gewöhnlich zumindest, in welchem Stapel oder in welcher


Computerdatei ich suchen muss«, widersprach Becker. »Zumindest war


das früher mal so«, murmelte er. Dann fügte er freundlicher hinzu:


»Aber ich bin sicher, es wird hilfreich sein, alles schön ordentlich


zu haben.«




Satansbraten sprang auf einen der Papierstapel, was eine Papierlawine


über den Tisch rutschen ließ.




»SB, du dummes Vieh, das hast du doch schon mal versucht«, sagte Acorna


und versuchte verzweifelt, die umherfliegenden Papiere zu schnappen.




Der Kater jagte ein paar Blättern nach, bis diese zu Boden geflattert


waren, sprang auf eines davon und zerfetzte es mit den Hinterbeinen,


dann verlor er ganz plötzlich das Interesse und begann stattdessen,


sich den gestreiften Bauch zu putzen.




Acorna bückte sich und schob die Papiere, die jetzt ein wenig zerfledderter


aussahen, wieder zu einem ordentlichen Stapel zusammen.




»Es freut mich, dass du einverstanden bist, Kapitän. Es ist wirklich


eine lohnende Arbeit, und so habe ich etwas zu tun.«




»Ja, du musst dich furchtbar gelangweilt haben, nachdem du diesen Schrotthaufen


von einem Replikator, den ich im Frachtraum Zwei hatte, neu programmiert


hast, damit er nun all meine Lieblingsgerichte herstellt und ich kein


Katzenfutter mehr essen muss, wenn ich zu viel zu tun habe, und nachdem


du zusammen mit Aari Deck Drei in einen hydroponischen Garten verwandelt


hast, um selbst etwas zum Naschen zu haben. Und immerhin hast du in


der Zwischenzeit auch noch meine restliche Fracht inventarisiert und


katalogisiert.«




»So viel war das gar nicht, Kapitän. So was ist schließlich nichts


Neues für mich. Als ich noch mit meinen Onkeln an Bord des Schürfschiffs


gelebt habe, habe ich auch immer Gerichte repliziert und geholfen,


mein eigenes Essen anzupflanzen. Ich habe auch unsere Proben katalogisiert


und beim Festlegen des Kurses geholfen. Ich helfe gern.«




»Wahrhaftig! Du und KEN« - er meinte den Allzweckandroiden, den sie


mehr oder weniger zufällig auf der letzten Fahrt der Condor aufgelesen


hatten - »ihr macht hier wirklich …«




»Klar Schiff, Joh?«, bot Aari an. »Ich habe die nautischen Schriften


von Robert Louis Stevenson gelesen, und dort wird dieser Begriff verwendet,


wenn es darum geht, ein Schiff in einen makellosen Zustand zu versetzen.«




»Ja, das passt«, stimmte Becker zu. »Seit ihr beiden und Aari zur Besatzung


gehört, habe ich so viel Freizeit, dass ich eigentlich anfangen könnte


zu stricken oder Körbe zu flechten.«




»Eine sehr gute Idee, Joh«, meinte Aari. »Du besitzt auch ein paar


sehr gute Nachschlagewerke zum Thema Häkeln, Perlenstickerei, Handweben,


Töpferei und Origami.«




»Kein Wunder, dass ausgerechnet du das weißt, Kumpel. Schön, dass du


so viel mit den alten Büchern anfangen kannst, die ich auf der Müllhalde


gefunden habe - von den Vids gar nicht zu reden. Aber lass dir eins


sagen: Lass die Finger von den ›Jeder sein eigener Tierarzt‹-Ratgebern.«


Becker warf einen Blick auf SB, der ein Bein hoch erhoben hatte und


ihn aus großen goldenen Augen misstrauisch anschaute. In überlautem


Flüsterton fuhr Becker fort: »Ich habe mal versucht, etwas aus diesen


Tierarzt-Selbsthilfebüchern an der Katze da auszuprobieren. Keine


gute Idee. Danach waren wir beide nicht mehr das, was wir einmal waren.«




Aari sah ihn fragend an. »Warum sollte ich Tierarztbücher lesen, Joh?


Wenn Sahtas Bahtiin« - besser konnte Aari den Namen der Katze nicht


aussprechen - »krank wird, kann Acorna ihn heilen. Wir brauchen keine


der Operationen, die in den Büchern beschrieben sind.«




»Und das ist auch gut so«, schnaubte Becker. »Das Problem bei Operationen


an unserem guten Sahtas Bahtiin hier ist nämlich, dass er sich nicht


entscheiden kann, wer der Operierte ist und wer der Operateur. Nach


unserem kleinen Abenteuer haben uns beiden einige ausgewählte Stücke


unserer Anatomie gefehlt. Zum Glück wurden Satansbraten und ich schließlich


wieder geheilt, dank der Linyaari.« Er wandte sich Acorna zu und sagte:


»Da wir gerade darüber sprechen, du weißt, dass die Bibliothek auch


für dich da ist, Prinzessin.«
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