Fanfic: Die Tielmark-Chroniken

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verteidigen können. Aber heute, beladen mit all den Marktwaren und


behindert von diesen verdammten Röcken -




Der Hauptmann gab ein Handzeichen. Seine Männer versperrten den Weg.


Einer von ihnen schnalzte mit der Zunge, und die ganze Hundemeute


lief aufgeregt winselnd durcheinander.




Er stand jetzt dicht vor ihr. Unter strohblonden Augenbrauen sahen


sie lauernde gelblich braune Augen an - Raubtieraugen, genau wie die


seiner Hunde. Brutal grinsend hielt er ihren Blick fest und gab seinen


Männern erneut ein Zeichen. Der Kreis der Pferde wurde enger, und


die Reiter machten Anstalten abzusteigen.




»Wer schickt Euch her?«




»Du bist hübscher als erwartet«, meinte der Hauptmann in schleppendem


Ton, ohne ihre Frage zu beachten. Seine gelblich braunen Augen tasteten


nervös ihren Körper ab, saugten das blaue Marktkleid, die Netze, den


Einkaufskorb auf, das Frühlingssträußchen, das ihr irgendjemand in


den Ärmel gesteckt hatte, und die glänzende, fuchsrote Haarmähne,


die sie heute offen trug. Er streckte eine Hand nach dem Henkel ihres


Korbes aus. »Sieh mal an, das ist ja köstlich«, sagte er wie eine


Katze, die sich an einen Sperling heranpirscht. Und sie war der Sperling.


Gaultry fuhr zurück.




»Rührt mich nicht an!«




Zwei von den Männern hinter ihm grölten. Sie hatte einen bitteren Geschmack


im Mund, und Panik stieg in ihr hoch. Alles, was sie sagte, stachelte


die Angriffslust der Männer erst recht auf. Sie konnte förmlich sehen,


wie sie danach gierten, sich an ihrer Hilflosigkeit und Angst zu weiden.




Sie sah sich in der Runde um auf der Suche nach einem freundlichen


Gesicht, aber derjenige, der diese Truppe zusammengestellt hatte,


war treffsicher vorgegangen. Einer oder zwei der Männer trugen eine


gleichgültige Miene zur Schau, doch der Rest war rot angelaufen vor


lauter Angriffslust. Sie schwankte, unentschlossen, was sie tun sollte.


Ihr war klar, dass sie versuchen musste, Zeit zu gewinnen, oder wenigstens


abstreiten sollte, die Gesuchte zu sein, aber in ihrem Kopf herrschte


entsetzliche Leere, und sie stellte sich immer nur dieselben Fragen,


auf die ihr keine Antworten einfielen. Irgendjemand war der Meinung,


dass sie, die Tochter eines einfachen Soldaten und einer Feld-, Wald-


und Wiesenhexe, die über die Grenzen ihres Dorfes hinaus keinerlei


Bedeutung hatte, eine Gefahr darstellte.




Jetzt holte der Hauptmann, der noch immer mit einer Hand den Henkel


ihres Korbes festhielt, mit der anderen aus der Ledertasche an seinem


Gürtel ein Paar Handfesseln hervor - grob geschmiedete Eisenringe,


die an der Innenseite gezahnt waren. Er durchbohrte Gaultry mit einem


hypnotischen Blick und griff nach ihrem Handgelenk. Dass wir dich


anrühren, ist noch das Wenigste, schien sein Blick zu sagen.




Gaultry ließ den Korb, die Einkaufsnetze und alles andere los und stolperte


rückwärts, dabei schlug sie wie wild um sich, während der Kreis immer


enger wurde. Der Hauptmann packte sie an ihrer Schärpe und zog. Sie


riss sich los und taumelte, als der Stoff plötzlich nachgab. Während


sie versuchte, ihr Gleichgewicht wiederzufinden, prallte sie gegen


den gewölbten Brustkorb eines Pferdes und duckte sich fluchend unter


seinem braunen Bauch hindurch.




Erstaunlicherweise hatte sie den Kreis durchbrochen.




Sie rappelte sich hastig auf, während ihre Häscher lachten und schwerfällig


die Pferde wendeten. Ohne zu überlegen, stürzte sie an den Hunden


vorbei auf das Dickicht zu, und in ihrem Kopf war einzig dieser Fluchtreflex.


Sie merkte kaum, wie ihr Zweige und Äste entgegenschlugen, während


sie Hals über Kopf in die grüne Umarmung des Waldes eintauchte.




Blindlings stolperte sie alsbald mitten in einen Brombeerstrauch hinein,


dessen Dornen ihre Röcke an tausend Stellen festhielten. Die brennenden


Schrammen der weinroten Ranken auf ihren Händen brachten sie wieder


ein wenig zu sich. Der helle Klang eines Jagdhorns tönte klar und


melodiös hinter ihr durch den Wald. Fluchend riss sie sich los. Diese


Männer waren Jäger, und sie hatte ihnen gerade den Gefallen getan,


sich als willkommenes Jagdwild zu präsentieren. Wegzulaufen war wahrscheinlich


das Schlimmste, was sie hätte tun können, denn damit hatte sie das


Jagdfieber ihrer Häscher in höchstem Maße angestachelt. Doch sie hätte


es nicht ertragen, sich einfach widerstandslos gefangen nehmen zu


lassen!




Hinter sich hörte sie das Gegröle der Jäger, die ihre Hunde vorwärts


hetzten und die Pferde die Peitsche spüren ließen. Sie versuchte,


ihre Röcke hochzubinden, und fluchte, als der Stoff gleich wieder


hinabglitt und sich um ihre Beine wickelte. Doch sie lief weiter.




Was für eine Närrin sie war! Ihr Herz hämmerte gegen den Brustkorb,


der Atem ging heftig, und in ihrem Kopf drehte sich alles in dem einen


Wunsch, noch schneller laufen zu können. Was war sie doch für eine


Närrin.




Mervion hätte niemals so sehr die Nerven verloren. Ihre kluge große


Schwester wäre um nichts in der Welt einfach davongelaufen. Mervion


hätte diese Männer verhext - oder ihre Pferde oder Hunde - und dann


die ganze Meute aufeinander losgehen lassen, um dann in dem ganzen


Durcheinander zu entkommen. Oder sie hätte sie abgelenkt, während


sie einen Schutzzauber heraufbeschwor, um ihre Flucht zu decken.




Zumindest aber hätte sie, bevor sie losrannte, zuerst ihre Röcke richtig


hochgebunden.




Nicht so Gaultry. Bei Gaultry kam das Nachdenken für gewöhnlich erst,


nachdem sie bereits einen großen Fehler begangen hatte.




Eine weitere Fanfare aus dem Jagdhorn riss sie aus ihren nutzlosen


Selbstvorwürfen. Vorerst hatte sie noch einen kleinen Vorsprung in


dem Wettrennen, das sie voraussichtlich verlieren würde, aber das


war ihre einzige Chance. Immerhin konnte sie noch frei im Wald herumlaufen,


und sie hatte sich immer viel darauf zugute gehalten, dass sie hier


in ihrem Element war. Jetzt würde es sich zeigen, ob sie zu Recht


stolz darauf war.




Lautes Gebell dröhnte durch die Bäume. Zu nah. Die Hunde kamen in dem


dichten Buschwerk schneller vorwärts als die Reiter. Sie würden sie


schneller eingeholt haben als die Männer.




Gaultry holte hastig Luft. Ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr. Ihr


fehlte es an Schnelligkeit.




Sie musste es mit einem Übernahmezauber versuchen, der ihr die Kraft


verschaffte, die sie brauchte - vielleicht sogar von einem der Tiere,


die hinter ihr her waren. Dann konnte sie, wenn sie Glück hatte, ihren


Vorsprung halten, bis sie Tamsannes Ländereien erreichte. Und vielleicht


würde Tamsanne dann ihre missliche Lage spüren und ihr zu Hilfe kommen.




Auf diesen Zauber verstand sie sich vortrefflich. Ein Hirsch eignete


sich besonders gut dafür, aber bei dem Lärm, der durch den ganzen


Wald hallte, war sicher weit und breit keiner zu finden.




Dann musste eben ein Hund genügen, der erste, der sie einholte. Sie


musste ihn mit dem Bann in Schach halten und ihm seine Energie entziehen,


bevor die restliche Meute sie zu fassen bekam.




Gaultry suchte für einen Augenblick Deckung in einer Gruppe von jungen


Bäumen, um sich auf die Beschwörung vorzubereiten. Sie atmete tief


durch.




Heilige Jägerin Elianté, betete sie und versuchte, sich zu konzentrieren


und ihre innere Ruhe wiederzufinden. Höre mein Flehen!




Das scharfe Knacken brechender Zweige kündigte ihr das Ende des Wettrennens


an. Sie fuhr herum, als der graubraune Wolfshund gerade zum Sprung


ansetzte. Aber da war noch ein zweiter Hund -




Das Tier prallte mit seinem ganzen Körpergewicht gegen sie, sodass


ihr die Luft wegblieb. Gemeinsam landeten sie im Farn. Der andere


Hund biss um sich und versuchte ebenfalls, sie zu fassen zu kriegen.


Keuchend fand sich Gaultry fest gegen das weiche Kiefernnadelbett


des Waldbodens gedrückt. Der Hund bearbeitete sie mit den Krallen


und schnappte nach ihrem Hals. Wenn er ihre Kehle zwischen die Zähne


bekäme, würde er sie so lange im Farn festnageln, bis die Jäger da


waren und sie zur Strecke brachten.




Wenn er ihr dabei die Zähne in die Halsschlagader schlüge, würde es


sich allerdings erübrigen, auf die Jäger zu warten.




Weiße Reißzähne schrammten an ihrem Gesicht vorbei, während sie verzweifelt


gestikulierte, um das Tier mit ihren Beschwörungen in Bann zu schlagen.


Sein übelriechender Atem schlug ihr entgegen, und sie wich angewidert


zurück. Indessen biss ihr der andere Hund in den Fußknöchel und heulte


triumphierend auf.




»Er hat sie erwischt! Halt sie fest, Butcher, nicht loslassen!«
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