Fanfic: Dämonendämmerung

Kapitel: Dämonendämmerung

Dämonendämmerung




War der Sieg seinen Preis wert?




Allein diese Worte laut auszusprechen tut weh, und in Wahrheit scheint


bereits die bloße Frage ein Höchstmaß an Selbstsucht widerzuspiegeln,


eine Respektlosigkeit gegenüber dem Gedenken an all jene, die ihr


Leben gaben, um die Finsternis zu vertreiben, die über Korona gekommen


war. Wenn ich mir wünsche, dass Elbryan - und Avelyn und all die anderen


- wieder am Leben sein mögen, schmälere ich dann den Wert ihrer Selbstaufopferung?


Ich stand in geistiger Vereinigung mit Elbryan, als wir gemeinsam


gegen den Geflügelten kämpften, der die leibliche Hülle Vater Markwarts


befallen hatte. Ich sah und spürte, wie Elbryans Geist erlosch und


sich in nichts auflöste, während ich gleichzeitig das Aufbrechen der


Finsternis mit verfolgte, die Vernichtung Bestesbulzibars.




Und ich spürte Elbryans Bereitschaft, sich zu opfern, seinen Wunsch,


den Kampf zum einzig akzeptablen Ende zu führen, obgleich er wusste,


dass dieser Sieg sein Leben kosten würde. Er war ein Hüter, ausgebildet


von den Touel`alfar, ein Diener und Beschützer der Menschheit, und


seine Grundsätze verlangten von ihm Verantwortungsbereitschaft und


völlige Selbstaufgabe.




Und so schied er zufrieden aus diesem Leben, in dem Wissen, die Finsternis


von Kirche und Land genommen zu haben.




Seit ich nach Dundalis zurückgekehrt war und Elbryan gefunden hatte,


war unser ganzes gemeinsames Leben durch bedingungslose Opfer- und


Risikobereitschaft geprägt. Wie viele Kämpfe wir austrugen, obwohl


wir ihnen hätten aus dem Weg gehen können! Wir begaben uns zum Herkunftsort


des Geflügelten, zum Berg Aida im Barbakan, obwohl wir überzeugt waren,


uns auf ein hoffnungsloses Unterfangen einzulassen, obwohl wir davon


ausgingen, dass jeder von uns - vermutlich vergebens - bei dem Versuch


sterben würde, gegen das uns weit überlegene Böse anzukämpfen. Und


doch zogen wir los. Freiwillig. Der Realität hatten wir nur Hoffnung


entgegenzusetzen, das Bewusstsein, dass wir es zum Wohle der Welt


tun mussten, ganz gleich zu welchem Preis.




Und an jenem Tag in Chasewind Manor schloss sich der Kreis, als wir


endlich den Geist von Bestesbulzibar stellten, die Essenz des absolut


Bösen. Wir gewannen jenen Kampf und vernichteten den Geist des Geflügelten.




Aber war der Sieg seinen Preis wert?




Ich schaue auf die vergangenen Jahre meines Lebens zurück und kann


diese Frage nicht so einfach abtun. Ich erinnere mich an all die guten,


großartigen Menschen, die mich auf meinem Weg begleiteten und starben,


und oft kommt es mir so vor, als sei alles umsonst gewesen.




Ich weiß, dass ich mit diesen Gedanken Elbryan entehre und seinen Geist


verärgere, aber meine Empfindungen sind äußerst real.




Wir kämpften unentwegt und gaben alles, was wir hatten. Trotzdem kommt


es mir so vor, als hätten wir den Großteil der Zeit damit verbracht,


unsere Toten zu begraben. Als kurz nach meinem Kampf mit dem Dämonengeist


Bruder Francis, Bruder Braumin und König Danube meinten, Elbryan sei


nicht vergebens gestorben und die Welt sei dank unserer Taten eine


bessere geworden, hatte ich für einen Moment tatsächlich geglaubt,


dass sich trotz des hohen Preises unsere Opfer gelohnt hatten. In


diesem Moment des Triumphes hegte ich die Hoffnung, dass Elbryans


Tod reichen würde, um das Schicksal der Menschheit zum Guten zu wenden


und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.




Ist es nach Markwarts Sturz tatsächlich besser bestellt um das Königreich


des Bären?




Im ersten Moment schien die Antwort klar auf der Hand zu liegen.




Aber jener Moment ist vergangen, fürchte ich. Nach dem augenblicklichen


Triumph begann abermals das verwirrende Spiel um Macht und Einfluss,


das die Oberen des Landes seit jeher treiben und von dem sie auch


künftig nicht lassen werden.




Die Kraft jenes triumphalen Augenblicks nimmt immer weiter ab, verliert


an Substanz und wird schließlich auf unsichtbaren Winden von dannen


getragen, genau wie Elbryans Seele.




Und ich bin mutterseelenallein in Palmaris und schaue zu, wie die Welt


im Chaos versinkt. Bin auch ich von einem Dämon besessen? Vielleicht.


Oder aber - und dies ist meine größte Befürchtung -, dieses Chaos


gehört schlichtweg zur Natur des Menschen. Ist das Leben nur ein endloser


Kreislauf aus Leid und Opfern, eine Aneinanderreihung gleißender Momente


der Hoffnung, die so sicher verblassen wie die Sterne im Morgengrauen?


Haben Elbryan und ich die Welt tatsächlich aus der Finsternis geführt


oder nur durch eine lange dunkle Nacht, der mit Sicherheit die nächste


folgen wird?




Dies ist meine Befürchtung, mein Verdacht. Wenn ich mich hinsetze und


mich all derer entsinne, die ihr Leben gaben, damit wir unseren Weg


bis zum Ende beschreiten konnten, beschleicht mich die Angst, dass


dieser Weg uns wieder an seinen Ausgangspunkt geführt hat.




Im Lichte dieser Erkenntnis sage ich voller Überzeugung, dass der Sieg


seinen Preis nicht wert war.




Jilseponie Wyndon




Demonstration der Stärke




Der Schlamm blieb an seinen Stiefeln kleben, während er, gefolgt von


einer Gruppe bewaffneter Soldaten, durch den engen, rauchigen Kellergang


marschierte. Die Zustände gefielen ihm nicht - schließlich wollte


er seine »Gefangenen« nicht verärgern.




Nach einer Biegung wurde es etwas heller und die Luft klarer. Vor Herzog


Targon Bree Kalas lag ein Kellerverlies, dessen einziger Zugang fest


verschlossen war. Kalas gab dem hinter ihm stehenden Soldaten ein


Zeichen, und der Mann eilte an ihm vorüber, fummelte mit den Schlüsseln


herum und schloss hastig die schwere Eisentür auf. Weitere Soldaten


traten heran und wollten zur Sicherung vor ihrem Anführer in den Raum


gehen, aber Kalas wies sie zurück und trat furchtlos alleine ein.




Zwergenhafte Gesichter schauten zu ihm auf. Die normalerweise rotgesichtigen


Pauris waren nach Monaten in unterirdischer Gefangenschaft deutlich


blasser geworden.




Kalas blickte in die Gesichter und sah, wie sich die Augen verengten,


ein Zeichen des brodelnden Hasses, wie er wusste. Nicht, dass die


Pauris nur ihn hassten, nein, sie hassten alle Menschen.




Fast wie auf Kommando senkten die Zwerge die Köpfe und widmeten sich


wieder ihren Gesprächen und den verschiedenen Spielen, die sie sich


ausgedacht hatten, um die Langeweile zu vertreiben.




Einer der Soldaten ermahnte die Pauris zur Aufmerksamkeit, doch Herzog


Kalas fuhr dem Mann ins Wort und wies ihn und die übrigen an, den


Mund zu halten. Er selbst blieb ruhig an der Tür stehen und wartete


darauf, dass die Zwerge sich rührten.




»Igitt, er wird den ganzen verdammten Tag hier rumhängen, wenn wir


nicht mit ihm sprechen«, sagte schließlich einer der Pauris. Der Zwerg


nahm seine rote, vom Blut seiner Opfer gefärbte Kappe ab und kratzte


seinen verlausten Haarschopf; dann sprang er auf die Beine und stapfte


zum Herzog.




»Kommt Ihr hier runter, um uns beim Feiern zuzusehen?«, fragte der


Zwerg.




Kalas zeigte keine Regung, sondern starrte nur finster auf den Pauri


herab. Der Zwerg, der Anführer der Gruppe, neigte zum Sarkasmus und


musste ständig daran erinnert werden, dass er ein Kriegsgefangener


war und dass er und seine armseligen kleinen Kameraden nur deshalb


noch am Leben waren, weil Herzog Kalas es so wollte.




»Nun?«, bohrte der Zwerg namens Dalump Keedump.




»Ich sagte, dass ich am Ende des Jahres Eure Dienste benötigen würde«,


erklärte der Herzog leise.




»Und woher sollen wir wissen, dass das Jahr zu Ende geht?«, fragte


Keedump sarkastisch. Er wandte sich zu seinen Kameraden um. »Meint


ihr, die Sonne steht nun an ihrem tiefsten Punkt?«, fragte er sie


mit einem boshaften kurzen Lachen.




»Möchtet Ihr die Sonne wieder sehen?«, fragte Herzog Kalas ernst.




Dalump Keedump musterte ihn lange. »Ihr glaubt, Ihr könntet uns brechen?«,


fragte er schließlich. »Ihr seid ein Narr. Wir haben länger in Tonnen-Booten


gehaust, die enger und schmutziger waren als das hier.«




Kalas ließ einige Augenblicke verstreichen und starrte den Zwerg finster


an. Dann wandte er sich um, verließ den Raum und begann, die Eisentür


zuzuziehen, während er zu seinen Soldaten in den feuchten Kellergang


hinaustrat. »Na schön«, sagte er. »Ich komme in einigen Tagen wieder.


Vielleicht habt Ihr ein offeneres Ohr für meinen Vorschlag, nachdem


Ihr vor Hunger ein paar Eurer Kameraden verspeist habt.« Dann schloss


er die Tür und machte sich auf den Weg nach oben.




Er war einige Schritte gegangen, als Dalumps gedämpfte Stimme erklang:


»Ihr seid den ganzen Weg heruntergekommen, dann könnt Ihr uns ruhig


sagen, was Ihr wollt.«




Kalas ließ die Tür öffnen und ging lächelnd in das Kellerverlies zurück.


Die übrigen Zwerge hatten sich hinter Dalump versammelt, plötzlich


an dem Gespräch interessiert.




»Ihr bekommt Extra-Rationen und
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