Fanfic: Dämonendämmerung 2
hatte. Schnell fuhr sie wieder in die Höhe und riss
dem Mönch die Arme mit einer schwungvollen Handbewegung weit auseinander.
Dann streckte sie eine Handfläche aus, zog die Finger fest ein und
stieß dem Mönch kräftig den Handballen unters Kinn, sodass er das
Gleichgewicht verlor und etliche Meter rückwärts taumelte.
Während er noch hilflos mit den Armen in der Luft herumfuchtelte, schoss
sie schon wieder auf ihn zu wie eine angriffslustige Schlange. Diesmal
versetzte sie ihm einen heftigen Schlag aufs Nasenbein und dann noch
einen, als Blut aus seinen Nasenlöchern zu fließen begann.
Colleen fing den Taumelnden auf, bevor er vollends zu Boden gehen konnte,
und hielt ihn fest.
»Wie ich sehe, hast du deine Freunde mitgebracht«, meinte Pony ironisch,
während sie ihre Kleider glatt strich und den Mann drohend ansah.
Bis jetzt hatte sie ihren aufsteigenden Zorn, die Wut, die sie jedes
Mal überkam, wenn sie einen Mann in dieser Ordenstracht sah, bezwungen,
doch wenn er sie noch einmal angriff, würde er nicht lebend davonkommen.
»Diese Frau …«, versuchte der Mönch jetzt Colleen zu erklären, dabei
spuckte er beständig Blut.
»Wird dir noch dein blödes Genick brechen«, erwiderte Colleen trocken.
»D-die Freundin vom N-Nachtvogel«, stotterte der Mönch.
»Hab ich dir ja gleich gesagt«, meinte Colleen.
»Die Freundin von Avelyn, dem Ketzer, der die heiligen Steine gestohlen
hat und mit dem Dämon im Bunde war«, fuhr der Mönch fort.
»Die Geschichten über dich werden jedes Mal spannender«, sagte Colleen
zu Pony. »Du wirst mir immer sympathischer, Mädchen.«
»Was wisst Ihr schon!«, rief der Mönch.
»Ich weiß genau, dass ich dich jetzt loslassen und zusehen könnte,
wie sie dich umbringt«, erwiderte Colleen und lockerte ihren Griff.
»Na los, ich freu mich schon drauf zu sehen, wie meine Freundin dir
das Lebenslicht auspustet.«
Der Mann zögerte und schaute nervös von Colleen zu Pony. Dann wischte
er sich mit dem Ärmel die blutige Nase ab.
»Die Freundin von Avelyn, ganz recht«, sagte Pony, holte einen Lappen
aus ihrer Schürze und warf ihn dem Mönch zu. »Von Avelyn, der den
geflügelten Dämon vernichtet hat, ganz gleich, was euch eure Meister
erzählt haben.«
Der andere rührte sich nicht von der Stelle und blickte nur weiter
um sich.
»Warum hast du ihn mitgebracht?«, fragte sie Colleen.
»Er ist kein Freund von De`Unnero«, erwiderte diese. »Und ich dachte,
ein gemeinsamer Feind ist ein guter Grund, sich zu verbünden. Stell
dir mal vor, wie nützlich so ein Mann in St. Precious für uns sein
kann! Außerdem hatte ich keine Ahnung«, fügte sie hinzu und versetzte
dem Mönch einen Tritt. »Ich hab ihm von dir erzählt, und er schien
ziemlich angetan.«
»Eine Finte, um an mich heranzukommen«, meinte Pony.
»Wir können ihn ja einfach aus dem Weg räumen«, erwiderte Colleen und
zog einen Dolch aus ihrem Gürtel, den sie dem Mönch fest zwischen
die Schulterblätter setzte, sodass er den Rücken durchbiegen musste.
»Ich bin kein Freund von Bischof De`Unnero«, sagte der Mann schließlich.
»Hab`s mir schon gedacht«, meinte Colleen, ohne den Dolch wegzunehmen.
»Dann seid Ihr auch kein Freund des ehrwürdigen Vaters und des Abellikaner-Ordens«,
sagte Pony. »Und Avelyn Desbris im Geiste näher, als Ihr denkt.«
»Das Kollegium hat ihn zum Ketzer und Mörder erklärt.«
»Zum Teufel mit Eurem Kollegium!«, entgegnete Pony. »Ich habe keine
Zeit, Euch die Wahrheit beizubringen, Bruder …«
»Bruder Talumus«, erklärte Colleen, »den ich für einen Freund gehalten
habe.«
Der Mönch wandte sich halb um und sah sie finster an. »Da wusste ich
noch nicht, dass Ihr mit Verbrechern gemeinsame Sache macht.«
»Eine seltsame Auffassung für einen, der hergekommen ist, um sich gegen
De`Unnero zu verschwören«, meinte Pony.
»Sollen wir ihn nun überzeugen oder umbringen?«, fragte Colleen ungerührt,
und sowohl Pony als auch Bruder Talumus war klar, dass sie es ernst
meinte.
»Nicht umbringen«, sagte Pony schnell.
»Bist du also gewillt, dich eines Besseren belehren zu lassen?«, brüllte
ihm Colleen ins Ohr.
Talumus gab keine Antwort, aber er erweckte auch nicht den Anschein,
als wolle er nicht zuhören.
»Habt Ihr Euren früheren Abt verehrt?«, fragte ihn Pony jetzt.
»Sagt ja nichts Schlechtes über Abt Dobrinion!«, erwiderte der Mönch
aufgebracht.
»Niemals«, sagte Pony. »Dobrinion war ein guter, außergewöhnlicher
Mensch, er war Avelyn ähnlicher, als Ihr denkt. Deshalb hat ihn Vater
Markwart auch umbringen lassen.«
Der Mönch stammelte etwas, dann biss er sich auf die Lippen.
»Colleen hat dich hergebracht, und ich gehe davon aus, dass sie dich
richtig eingeschätzt hat«, sagte Pony. »Auch wenn sie vorhin ein bisschen
danebenlag«, fügte sie mit einem entwaffnenden Lächeln in Richtung
der Frau hinzu. »Ich werde dir einfach erzählen, wie es wirklich war,
dann kannst du dir selbst ein Urteil bilden.«
»Und wenn du dann immer noch nicht überzeugt bist …«, sagte Colleen
und fuchtelte mit dem Dolch in seinem Rücken herum.
»Dann werden wir Euch solange sicher unterbringen, bis diese abscheuliche
Sache erledigt ist«, fiel ihr Pony ins Wort. »Auf alle Fälle wird
man Euch nichts zuleide tun.«
»Abt Dobrinion ist von einem Pauri ermordet worden«, sagte Talumus.
»Wir haben das Scheusal tot in seinem Schlafzimmer gefunden, und ich
habe noch nie gehört, dass es in St. Precious Pauris gäbe.«
»Und dieser Pauri hatte es so eilig, dass er Keleigh Leigh nicht mal
einen Kratzer zufügte, um seine Mütze in ihr Blut zu tauchen?«, fragte
Pony, und der Gesichtsausdruck des Mönches zeigte ihr, dass ihn dieser
Einwand aus dem Konzept brachte.
Er wollte ihr schon entgegenhalten, dass der Pauri vielleicht wirklich
keine Zeit hatte, doch dann überlegte er es sich anders und fragte
sie: »Woher wisst Ihr das?«
»Weil Connor Bildeborough es mir gesagt hat.«
»Der Connor, der Euch damals verstoßen hat?«, fragte Bruder Talumus
skeptisch.
»Und der in den Norden gekommen ist, um mich zu warnen, dass der Mann,
der Abt Dobrinion getötet hat, auch hinter ihm und mir her ist«, verbesserte
Pony. »Der Connor, der dann ebenfalls von einem dieser Männer, einem
Bruder Richter, umgebracht wurde, die der ehrwürdige Vater von St.
Mere-Abelle auf ihn angesetzt hatte.«
»Der Connor, dessen Onkel von dem Mann ermordet wurde, den Ihr jetzt
Euren Bischof nennt«, fügte Colleen hinzu.
Der Mönch sank unter dem Gewicht dieser Anschuldigungen in sich zusammen,
die er offensichtlich nicht zum ersten Mal hörte.
Pony sah, dass er hin und her gerissen war. Wenn sich ihre Behauptungen
als wahr erwiesen, würde das seine gesamte Welt ins Wanken bringen.
»Die Behreneser werden verfolgt«, erklärte sie unumwunden.
Talumus nickte nur hilflos.
»Und das könnt Ihr nicht gutheißen?«
Wieder ein Nicken.
»Dann stellt Euch auf unsere Seite oder wenigstens nicht gegen uns«,
sagte Pony und machte Colleen ein Zeichen, die nun endlich den Dolch
wegsteckte.
»Ich werde mich meinem Orden nicht entgegenstellen«, erklärte Bruder
Talumus bestimmt.
»Dann bleibt im Hintergrund und haltet Augen und Ohren offen«, sagte
Pony. »Und fordert Eure Brüder in St. Precious auf, dasselbe zu tun.
Bischof De`Unnero ist kein guter Mensch und kein aufrichtiger Abellikaner.
Das werdet Ihr noch merken.«
»Wir sind schon seit Jahren gute Freunde«, meinte Colleen nachdrücklich.
»Und du wirst mich jetzt nicht hereinlegen!«
»Ich werde aufpassen«, erklärte der Mönch. »Und über das nachdenken,
was Ihr mir erzählt habt. Aber sollte ich am Ende zu der Überzeugung
gelangen, dass Ihr Unrecht habt und Eure Anschuldigungen gegen die
Kirche ungerechtfertigt sind, dann werde ich Euch bekämpfen.«
Colleens Hand griff sofort wieder zum Dolch, doch Pony hielt sie zurück.
»Mehr können wir nicht verlangen«, erwiderte sie. »Das ist ein großzügiges
und kluges Angebot.«
Vorsichtig wich Talumus jetzt vor den beiden zurück, wobei er Pony
ängstlich im Auge behielt. Erst als er sich in sicherem Abstand glaubte,
machte er kehrt und lief eilig davon.
»Du hättest ihn nicht herbringen sollen!«, tadelte Pony Colleen. »Jetzt
noch nicht.«