Fanfic: Das Klavier

Kapitel: Das Klavier

~Das Klavier~

Ihre langen Finger huschten über die verdreckten und vergilbten Tasten. Es war ein uraltes Klavier. Eines aus dem Barock, so viel sie wusste.

Sie wusste nicht was sie spielte. Sie kannte das Stück nicht, wenn es überhaupt ein bekanntes Stück war, aber sie wollte nicht darüber nachdenken.

Der Klang verriet, dass das Klavier seit Jahren nicht mehr gestimmt worden war. Es war ein widerlicher doch zugleich mystischer Klang, wie aus einer anderen Welt. Sie saß konzentriert auf dem alten, kleinen Hocker und spielte ihre ausgedachte Melodie. Was hätte sie denn auch ablenken können? Außer dem Klavier und ihr, befand sich so gut wie nichts in diesem Zimmer. Es war verstaubt und schien alt, heruntergekommen. Man konnte ihm ansehen, dass niemand darin wirklich hauste. Außer ihr hatte es nie jemand heimgesucht.

Verträumt sah sie ihre flinken Finger über die hässlichen Tasten wandern. Ihr schmales Gesicht war ausdruckslos und sie schien völlig entrückt. Nicht ein einziger Ton kam von ihr. Sie hatte schon seit langer Zeit keine Leute mehr gesehen. Sie wusste nicht, wann es das letzte Mal gewesen war, als sie einen Menschen unter die Augen bekommen hatte. Aber diese Erkenntnis machte ihr nichts aus.

Mit ihren dunklen Augen folgte sie den Händen. Das seidene Haar war schwarz, doch es glänzte silbern im Licht. Ihre blasse Haut wirkte im fahlen Licht weiß, ja sie schien fast zu leuchten. Sie trug ein Kleid in bordeaux, es schien sehr alt. Eine silberne Kette schmückte ihren schmalen Hals. Ein großer Anhänger mit einer schwarzen Perle hing an ihr.

Ihre kleinen Füße wurden durch ebenfalls kleine, edle, schwarze Schuhe geschützt.

Sie bekam nicht mit, wie leise und vorsichtig sich der goldene Türknauf drehte. Geräuschlos ging die Tür auf. Ein kleiner Kopf mit zwei vor Staunen aufgerissenen Augen kam zum Vorschein. Bald darauf folgten zwei dünne Beinchen. Schließlich war der kleine Mensch im Raum angelangt und beobachtete staunend das Mädchen am alten Klavier.

Nach langer Zeit tapste er vorsichtig auf sie zu. Sie schien nicht dieser Welt zugehörig. Er wusste es nicht anders zu sagen, sie schien von einer anderen Welt. Ihre Gestalt strahlte eine seltsame Aura aus.

Plötzlich hatte ihr Spiel ein abruptes Ende. Ihre zuvor flinken Hände zitterten. Hektisch sah sie sich nach dem Fremden um. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie ragten gefährlich heraus, ja sie drohten aus ihren Höhlen heraus zu fallen.

Ihr Körper schüttelte sich. Voller Entsetzen sah der kleine Mensch sie vom Hocker stürzen. Sie wand sich verkrampft, als hätte sie einen Anfall. Ihr Mund war weit aufgerissen, der erwartete Schrei kam niemals heraus. Die schönen grauen Fingernägel kratzten am Boden entlang.

Voller Angst rannte der Mensch aus dem Zimmer. Die Tür knallte wie von Geisterhand geführt ins Schloss. Im selben Moment konnte man wieder eine verstimmte Melodie vernehmen. Der Mensch war jedoch schon längst verschwunden.

Tage vergingen. Sie wich nicht einen Schritt von dem alten Klavier. Man konnte immer eine Melodie aus ihrem Zimmer vernehmen.

Wieder drehte sich der goldene Türknauf. Kreischte schrecklich dabei. Sie hörte es jedoch nicht. Der blonde Schopf ragte herein. Seine kleinen, dünnen Beinchen huschten herein, immer auf etwas bedacht. Er stand wie angewurzelt da. Schien auch schon fast Wurzeln zu schlagen, so sehr war er von ihrer Musik betört.

Zeit verging da ging er großen Mutes abermals auf sie zu. Die gleiche Prozedur spielte sich ab. Schließlich lag sie schreiend auf dem Boden. Der kleine Mensch ging weiter.

Die Tasten waren sehr dreckig und verstaubt. Einfach widerlich.

Seine kleine Hand strich schüchtern über das alte Holz. Blieb bei den Tasten hängen.

Vorsichtig ließ er sich auf dem Hocker nieder. Seine dünnen kleinen Finger huschten über sie. Unabgelenkt spielte er eine Melodie. Seine eigene Melodie, die es niemals gab.

Ein Seufzen. Die aschfahle Hand streichelte seine Schulter. Der Geist löste sich in Staub auf.

Und der kleine Mensch spielte konzentriert weiter… bis irgendwann es jemand wagen würde, ihn vom alten, verdreckten, verstimmten Klavier wegzureißen.

~THE END~

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