Fanfic: Wie soll ich dich ansprechen...?
wiederholen. Mit leicht gesenktem Kopf stand sie schließlich auf und ging nach draußen. Dort lief sie keinem andren als Ramius in die Hände. Sicher war er rein zufällig vorbeigekommen.
„Da bist du ja“, sagte er grinsend. „Ich habe dich den halben Tag lang gesucht.“
„Und ich habe mich den halben Tag lang vor dir versteckt“, giftete sie zurück und sah an ihm vorbei.
„Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du Wache bei deinem Ziehvater halten willst, aber anscheinend nicht.“ Ramius wartete.
Arai sah ihn ungläubig an. Das konnte er doch nicht ernst meinen. Schließlich resignierte sie.
„Welches Zelt?“
Ramius deutete auf ein kleines Zelt, dass wohl nur aus reiner Menschenfreundlichkeit noch stand. Langsam ging sie darauf zu. Alles in ihr wehrte sich dagegen. Aber sie wollte mit Sabir reden, ihm erklären, dass sie Ramius nicht heiraten würde. Er würde ihr nicht glauben. Das war ihr klar, aber vielleicht konnte sie ihm zur Flucht verhelfen. Dann war wenigstens ihr Gewissen beruhigt, ein bisschen zumindest. Stockend kam sie vor den Zelteingang zum Stehen. Vorsichtig zog sie das Stofftuch zur Seite, das als Tür diente, und trat ein. Im nächsten Moment zuckte sie zusammen.
Sabir bot einen schrecklichen Anblick. Seine Arme waren immer noch an seinen Rücken gebunden, den Kopf hielt er gesenkt. Als er aufsah, erkannte sie, dass er dunkle Ringen unter den Augen und mehr als eine Schramme davongetragen hatte.
„Hal-lo“, stotterte sie leise.
Keine Antwort. Er starrte sie nur weiter voller Hass an. Musterte sie von oben bis unten und blieb schließlich bei ihren Augen hängen.
Mit zusammengebissenen Zähnen näherte sie sich ihm und kniete sich vor ihn. Vorsichtig riss sie ein Stück von ihrem Umhang ab und wollte damit seine Wunden notdürftig reinigen, doch er drehte den Kopf weg und schnaubte.
„Das entzündet sich noch“, sagte sie leise und versuchte ihn zur Vernunft zu bringen. „Lass mich wenigstens-“
Sabir fuhr herum und funkelte sie an.
„Verschwinde!“
Arai zuckte zusammen und biss sich auf die Unterlippe.
„Nein“, konterte sie, dann zog sie einen Dolch hervor.
„Bringst du es endlich zu Ende?“, fragte er mit bitterer Stimme.
„Was sollte ich zu Ende bringen?“, antwortete sie und begann an Sabirs Fesseln zu hantieren.
Binnen kürzester Zeit hatte sie das Seil durchtrennt. Sabir sah sie ungläubig an, dann rieb er kurz mit einer Hand über seine Handgelenke.
„Warum hast du das getan?“
„Weil mir nichts daran liegt dich zu töten.“ Arai sah ihn an. „Warum auch?“
Kopfschüttelnd nahm sie wieder das Stück Stoff und versuchte ein zweites Mal die Schrammen zu versorgen. Doch diesmal waren Sabirs Hände frei und er packte ihr Handgelenk und drückte zu. Arai biss die Zähne zusammen. Der Druck schmerzte, doch sie sagte nichts. Sie wartete darauf was er als nächstes tun oder sagen würde. Dann spürte sie etwas an ihrer Wange. Sabir legte seine andre Hand auf ihre Wange und lächelte. Doch nur kurz, denn dann veränderte sich sein Gesicht und er schlug zu. Reflexartig hob Arai ihre andre Hand, doch führte die Bewegung nicht zu Ende. Sabirs Hand traf sie mit einer Wucht, dass sie umgefallen wäre, hätte Sabir nicht immer noch ihr Handgelenk fest im Griff.
„Du hättest meine Hand locker abwehren können“, meinte er leise.
„Warum hätte ich das tun sollen?“ Arai fuhr sich mit der Hand über die Wange. „Ich habe es doch verdient.“
Sabir schüttelte den Kopf.
„Das hast du wohl“, gab er trocken zurück.
Arai antwortete nicht mehr, sondern stand auf und ging zum Zelteingang.
„Die Wachen sind weg, wenn du jetzt verschwindest wird es keiner bemerken.“ Arai drehte sich wieder um.
„Dann bekommst du gewaltigen Ärger.“ Sabir war auch aufgestanden und trat an ihre Seite. „Du bist immer noch so etwas ähnliches wie meine Tochter.“
„Kann sein, aber ich will, dass du gehst. Was mit mir ist, ist inzwischen egal. Ich komme nicht mehr von Ramius weg, es ist vorbei.“
Sabir sah sie leicht erschrocken an. Was sollte heißen, sie kam nicht mehr von ihm weg? Was sollte das?
„Wie meinst du das?“, fragte er leise.
„Ich bin im verfallen. Das erste Anzeichen dafür sind meine Augen. Erinnerst du dich?“ Sie schloss die Augen und lächelte traurig. „Diejenigen mit schwarzen Augen haben einen schlechten Ba.“
„Das war doch nur eine Geschichte“, brachte Sabir ein wenig würgend hervor.
„Wenn du das sagst.“ Arai sah zu ihm und er schreckte zurück. Diese Augen waren furchteinflössend.
Arai nahm es hin und drehte sich weg.
„Verschwinde jetzt.“
„Ich lasse dich nicht hier zurück.“
„Soll ich nachhelfen?“ Ihre Stimme begann zu zittern.
„Mahina?“
„Ich heiße Arai.“
„Für mich bleibst du Mahina.“
„Auch gut.“
„Arai, komm bitte mit.“
„Ich sagte, dass ich das nicht kann. Und dabei bleibe ich.“ Arai fuhr herum und hielt plötzlich ihr Schwert in der Hand. „Und ich bleibe auch dabei, dass ich nachhelfe, wenn du nicht gleich verschwindest.“
„Ich werde dem Pharao von allem hier berichten. Vielleicht kann er-“
„Nichts kann er!“ Arai biss die Zähne zusammen. „Bring den ja nicht dazu irgendwas Blödes zu tun.“
Sabir sah sie einen Moment lang verwirrt an, dann nickte er. Doch die Absicht, dem Pharao alles zu berichten blieb.
„Dann gehe ich jetzt“, sagte er leise.
„Gut, ich werde dich begleiten bis du in Sicherheit bist.“ Arai steckte ihr Schwert zurück in die Halterung und zog den Umhang fester um sich. „Folge mir.“
Geschmeidig wie eine Raubkatze schlich sie voran. Sabir hatte Mühe ihr zu folgen, denn sie war, dafür, dass sie so leise war unglaublich schnell. Plötzlich blieb sie stehen.
„Von hier aus schaffst du es allein. Ich wünsche dir viel Glück.“
„Danke, dass wünsche ich dir auch. Hoffentlich ist unser nächstes Treffen nicht auf dem Schlachtfeld.“ Sabir lächelte leicht und wollte sie zum Abschied umarmen.
„Bitte, nicht.“ Arai wich zurück in den Schatten eines Zeltes.
Sabir schien verwirrt, doch er sagte nichts. Leise verschwand er in der Dunkelheit und Arai blieb allein zurück. Mit klopfendem Herzen ging Arai zurück zum Zelt, in dem Sabir gefangen gehalten worden war. Dort setzte sich auf den Boden und schloss die Augen. Wenn Ramius nun kommen würde, wäre er sicher nicht erfreut. Würde sie vielleicht schlagen oder töten. Aber alles war besser als bei ihm zu leben. Wirklich alles. Mit einem traurigen seufzen schlief sie schließlich ein.
Atemu stand nun wieder an seinem Lieblingsplatz und beobachtete die tanzenden Lichter der Fackeln die bei den Zelten vor der Stadt brannten. Wie es Arai wohl ging? Ob sie überhaupt noch lebte? Blödsinn, wenn etwas mit ihr gewesen wäre, dann hätte er es gespürt. Oder doch nicht?
Diese Gedanken machten ihn verrückt und er drehte sich um. Seth stand hinter ihm und Atemu schreckte zurück.
„Schleich dich nie wieder an mich heran“, zischte er den Priester an.
„Verzeiht mein Pharao, aber Ihr habt mich wohl nicht gehört. Ihr habt ziemlich laut gedacht.“ Seth grinste amüsiert.
Der Pharao wurde augenblicklich rot um die Wangen und drehte sich weg.
„Gibt es einen Grund für dein spätes Erscheinen?“, fragte er stattdessen.
„Den gibt es sehr wohl“, sagte Seth, „der Hauptmann ist zurück.“
Atemu fuhr herum.
„Wo ist er?“
„Ich wollte Euch gerade holen“, meinte Seth grinsend.
Dann verließ er das Gemach und Atemu eilte ihm hinterher. Seth ging weiter und blieb schließlich vor Shimons Gemach stehen.
„Shimon kümmert sich um ihn, aber er ist nicht lebensgefährlich verletzt.“
Atemu nickte, dann trat er ein und sah Shimon wie er Sabirs Arm verband und Sabir, der das Gesicht verzog.
„Mein Pharao.“ Shimon verbeugte sich und auch Sabir deutete eine Verbeugung an.
Der Pharao trat auf Sabir zu und wollte etwas sagen, doch Sabir kam ihm zuvor.
„Verzeiht, mein Pharao, dass ich Euch ins Wort falle, aber ich denke Ihr wollt sicher alles wissen?“
Verblüfft nickte Atemu und wartete.
„Ich wurde von einem Mann überwältigt und als ich wieder aufwachte war ich an einem Pfahl inmitten eines Zeltes angebunden. Dieser Mann stand vor mir und lachte nur hämisch. Dann ließ er jemanden holen und ich dachte ich sehe nicht recht, denn-“
„Arai? Sie lebt noch?“ Atemu hatte ihn unterbrochen.
Verwirrt sah Sabir den Pharao an, dann nickte er.
„Ja, es war Arai. Dann wisst Ihr, dass sie in der Gewalt dieses Monsters ist? Und lasst sie dort?“ Der Unglaube in Sabirs Stimme war kaum noch zu überhören.
„Arai steht unter seiner Kontrolle“, antwortete Atemu traurig und leise.
„Ich werde weitererzählen, dann werdet Ihr sehen, dass es nicht so ist“, sagte der Hauptmann bestimmt. „Wie Ihr schon gesagt habt, er hat Arai holen lassen. Sie hat sich wirklich erstaunlich entwickelt und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich es bereue ihr Ziehvater zu sein. Auf jeden Fall scheint dieser Mann ihr etwas angetan zu haben. Das konnte ich nicht wissen und habe ihr weniger schöne Sachen an den Kopf geworfen. Aber als ich an ihr vorbeiging fiel mir etwas an ihr auf. Könnt Ihr euch denken was?“
Atemu schüttelte ratlos den Kopf.
„Ich habe ihr direkt in die Augen gesehen. Und sie zeigten Angst. Unvorstellbare Angst, zusammen mit Trauer. Ich habe ihr nie beigebracht feige zu sein, sondern ihr immer wieder eingebläut stark zu sein und am besten alle Gefühle auszuschalten.“
„Arai...“ Atemu sah zu Boden. „Bitte erzähl weiter, ich möchte alles hören.“
„Wie Ihr wünscht.“ Sabir nahm den Faden wieder auf und berichtete weiter: „Ich wurde in ein Zelt gebracht und gegen Abend ist Arai gekommen. Anscheinend sollte sie die Wache übernehmen. Doch sie hat mich losgebunden und mich weggeschickt. Sie meinte, sie ist diesem - Ramius? Heißt er so? – verfallen.“
Atemu nickte.
„Ja, sein Name ist Ramius. Aber was