Fanfic: Es war alles so egal
Kapitel: -Regen-
Eine Unterführung, Verbindung zwischen zwei Bahngleisen. Der Boden war übersät mit Pützen vom letzten Regen in denen sich das flackernde Licht der Neonleuchten spiegelte. Die Leuchten tauchten alles in ein unwirkliches Licht. Das Geräusch ihrer Schritte hallte laut von den befliesten Wänden wieder.
*platsch*
Sie war in eine riesige Pfütze getreten. Zum Glück hatte sie ihrer Springerstiefel angezogen so konnte sie keine nassen Füße kriegen. Aber selbst wenn sie welche kriegen würde wäre es ihr egal. Alles war ihr egal. Absolut alles. It doesn´t matter to her.
Für sie gab es kein Zurück. Es gab nur einen Ausweg, den sie schon viel zu oft genommen hatte. Davonlaufen. Sie war schon so oft davongelaufen. Immer wenn es ihr zu eng wurde, wenn es schien als wollten alle Probleme sie erdrücken rannte sie davon. Sie hatte sich schon daran gewöhnt. Alles was sie wollte war in Ruhe ihr Leben zu leben. Aber das gönnte ihr niemand.
Langsam stieg sie die Treppe zu Gleis 3 hoch, niemand kam ihr entgegen. Oben angekommen sah sie auf der Uhr mit dem zerbrochenen Glas, dass sie noch etwa 10 Minuten Zeit hatte. Das Gleis war überdacht. Es regnete. Wie schon seit Tagen. Es goss in Strömen, sie sah kaum das andere Gleis so dicht fielen die Tropfen. Es erinnerte sie an einen Tag als sie fast 7 Jahre alt war.
Damals hatte sie noch mit ihrer Mutter auf dem Land in einem kleinen Dorf gewohnt, in einem großen alten Haus. Der Regen war damals genauso gefallen, ihre Mutter hatte im ganzen Haus Kerzen angezündet und ihr den ganzen Abend Sommergeschichten vorgelesen. Am nächsten Tag schien die Sonne.
Gedankenversunken starrte sie in den Regen hinaus. Am liebsten hätte sie ihn gespürt, den kalten Regen auf ihrer Haut. Doch etwas hielt sie zurück. Ihre Angst vor Wasser. Kein Mensch hatte solche Angst vor Wasser wie sie. Das Wasser hatte ihr alles genommen und dafür hasste und fürchtete sie es.
„Am Gleis 3 bitte Vorsicht vor der Einfahrt des Zuges. Dieser Zug fährt um 21.38 Uhr weiter nach Aschaffenburg und Lauda Wertheim. Nächster Halt ist Rot am See.“
Sie trat einen Schritt zurück um nicht vom Zug nass gespritzt zu werden, der einige Augenblicke später einfuhr.
Mit einem ohrenbetäubenden Quietschen hielt das schon etwas ältere Zugmodel und sie konnte einsteigen. Ein Schaffner hielt ihr die Tür auf und lief dann auf dem Gleis auf und ab um sich warm zu halten.
Sie ging in ein Vierer – Abteil, schloss die Tür hinter sich und verstaute ihr Gepäck. Seufzend ließ sie sich in die alten durchgesessenen Sitze fallen. Ihre Glieder schmerzten. Sie hatte soviel Muskelkater wie sie jetzt hatte noch nie zuvor in ihrem Leben gehabt. Ob der blaue Fleck auf ihrer Wange immer noch zu sehen war? Vorsichtshalber schob sie die Haare vor die Stelle an der sie den blauen Fleck vermutete.
Sie sah wieder hinaus in den Regen, in den Regen der noch immer so stark wie vorhin fiel. Er würde in den nächsten Minuten auch nicht anders fallen.
Ein junger Mann rannte draußen über das Gleis, er musste sich beeilen wenn er den Zug noch kriegen wollte. Aus irgendeinem Grund wünschte sie er würde ihn verpassen, auch wenn er ihr nichts getan hatte. Aber er schaffte es, gerade noch rechtzeitig. Er verschwand aus ihrem Blickwinkel und wenige Sekunden später fuhr der Zug auch wieder an.
Plötzlich wurde die Tür zu ihrem Abteil aufgerissen und der junge Mann streckte den Kopf herein.
„Kann ich mich hierher setzten?“
„Es sind doch noch genügend …“, aber es half nichts.
Der junge Mann war schon in das Abteil gekommen und hatte sich auf den Sitz ihr gegenüber gesetzt.
Aber was machte das schon. Er würde sie nicht stören. Hoffentlich nicht. Sie schaute wieder hinaus in den Regen und beachtete ihn nicht weiter. Stille senkte sich über sie.
„Ich bin Daniel.“, unterbrach er das eiserne Schweigen und streckte ihr die Hand hin.
„Hm.“, sie machte keine Anstalten ihren Blick vom Regen abzuwenden. Niemals.
„Du scheinst ja nicht sehr gesprächig zu sein.“, sagte er leicht irritiert.
Sie löste doch ihren Blick von der Scheibe und sah ihn ausdruckslos an. Er sah aus der Nähe betrachtet gar nicht mehr so alt aus, er war höchstens 17 Jahre alt, vielleicht sogar jünger. Aber das änderte nichts daran dass dieser Daniel sie nervte. Genau wie die anderen auch.
Sie sah im in die Augen, ohne das ihr Gesicht irgendeine Regung zeigte. Er starrte zurück. Seine Augen waren von so hellem Grün das es schon fast nicht mehr natürlich war. So anders als ihre Augen. Ihre regengrauen Augen.
„Die Fahrkarten bitte.“, ein Schaffner war ins Abteil getreten ohne das sie etwas gehört hatten.
Sie zog ihren Geldbeutel heraus und zeigte dem Schaffner ihr Ticket. Dabei fiel ihr Personalausweis herunter. Daniel war schneller als sie und hob ihn auf. Nach einem kurzen Blick darauf gab er ihr ihn zurück. Er zeigte dem Schaffner sein Ticket ohne ein Wort.