Wölfin der Istari
unsere Leitwölfin, die uns nie fehlleitete, ist soeben verstorben.“, fuhr Amaya fort, während sich die Augen ihrer Zuhörer weiteten, sich gar mit Tränen füllten.
„Führ wahr.“, dachte Amaya, als sie nun ihr Rudel so traurig sah. „Gilaisa war eine freundliche Dämonin gewesen und eine Zierde unseres Rudels. Sie wurde von allen hier geliebt. Ich dachte mir zwar, dass sie die Nachricht schockieren würde, aber so?“
„Und nun muss ich euch weiterhin mitteilen“, fuhr Amaya nach zwei Gedenkminuten fort. „…, dass ich und Miyako euch vorübergehend verlassen werden.“
„WAS?!“, schrieen die Dämoninnen im Chor.
„Aber Amaya-sama, du musst uns nun führen, so will es das Gesetz!“, erhob eine Wolfsdämonin Einspruch.
„Zum einen: Ihr sollt mich nicht mit ‚-sama’ ansprechen. Zum anderen: Es war der letzte Wille Gilaisas, dass ich mich aufmache um die Kaze-Wolfsdämonen aufzusuchen. Und Miyako wird mich begleiten, damit wir, oder besser gesagt ich, nicht schutzlos bin…“, antwortete Amaya ruhig. Darauf wusste niemand etwas zu erwidern.
„Nanashi“, wandte sich Amaya plötzlich an eine Dämonin in der ersten Reihe. „Du wirst das Rudel während meiner Abwesenheit führen.“ Die Angesprochene machte große Augen. Sie konnte nicht ausdrücken, wie geehrt sie durch Amayas Entscheidung war und verbeugte sich daher einfach tief.
„Mögen wir uns bald wieder sehen“, schloss Amaya ihre Rede ab und wandte sich dem nun nicht mehr sonnenbeschienenem Land zu.
„Gehen wir.“, flüsterte sie Miyako zu. Danach sah sie zum Himmel, schloss die Augen und konzentrierte sich. Miyako tat es ihr gleich.
Nach nur wenigen Sekunden veränderten die Beiden sich. Ihre Finger bildeten sich zurück und wurden zu Pfoten. Ihre Ohren wurden größer, es bildete sich eine Schnauze und statt ihrer Felle beschützten sie nun ihr eigenes Fell, dass aus der Haut gesprossen kam, vor den Witterungen der Natur.
Zum Schluss standen dort, wo eben noch die beiden Geschwister gestanden hatten, zwei Wölfe, die sich in zwei Sachen grundlegend unterschieden: Der eine Wolf, Miyako, hatte braunes Fell und war ein wenig kleiner als Amaya. Diese hatte im Gegensatz zu ihrer Schwester, wie im Gegensatz zu allen anderen, weißes Fell. Amaya blickte noch einmal zurück, um danach zusammen mit Miyako den Hang hinunter in den Wald zu sprinten. Es drängte die Zeit, obwohl sie nicht wussten, warum.
Als die Zwei in den Ausläufern des Waldes verschwanden und so schnell liefen, als wenn es um ihr Leben ginge, hallten die Klagegeheule des Rudels um ihre Leitwölfin und deren Töchter, die sich in fremde Gefilde aufmachten, laut und traurig über das Land hinweg…
*Amaya bedeutet im japanischen ‚Nachtregen’
**Miyako bedeutet im japanischen ‚schönes Märzkind’
***Kaze bedeutet im japanischen ‚Wind’