Fanfic: Ein Besuch im Zoo

Kapitel: Ein Besuch im Zoo

Ein Besuch im Zoo

Rote Blätter kreiselten auf dem Asphalt um die Masse von Leuten. Kleine Kinder rannten kreischend vor Aufregung von einem Gehege zum anderem, die Eltern folgten ihnen hastig und konnten kaum Schritt halten.

Er beobachtete diese Szene mit einem ausdruckslosen Gesicht. Immer wieder sah er die vor Lachen verzerrten Gesichter der Kleinen. Sie kamen ihm fast schon übertrieben verzerrt vor. Doch er musste bei diesem Anblick leicht lächeln. Es war ein mattes, trauriges Lächeln. Wieso sollte er denn schon so aufgeregt herumlachen wie diese kleinen Menschen? Er hatte keinen Grund.

Große schwarze Augen huschten über die Menschenmenge. Kinder zeigten freudig auf sie, erwarteten etwas von ihnen, etwas besonderes. Die Eltern wünschten es sich für ihre Kleinen.

Der graue Rüssel baumelte ruhig hin und her. Das Tier verlor das Interesse an der Menge . Schon bald wandte es sich von ihr ab. Die Kinder jammerten enttäuscht und ihre Eltern versuchten ihnen einen Grund für dieses Verhalten zu geben.

Er hatte für all dies nichts übrig. Es schien ihm alles lächerlich. Die kleine Menschenmenge lief weiter, doch er blieb als einziger an dem Geländer stehen und sah diesen grauen, riesigen Schlappohren zu. Die schwarzen Augen trafen auf seine dunklen. Das Tier lief langsamen Schrittes auf ihn zu. Er rührte sich immer noch nicht von der Stelle, als er den riesigen Rüssel keinen Meter mehr vor sich hatte. Seine Hand fuhr leicht über die raue, graue, faltige Haut des alten Tieres. Die runzeligen Augen gaben ihm Frieden, Ruhe, Trost. Dieser Moment war wie eine heilende Salbe für seine verletzte, aufgewühlte Seele. Ein Lächeln zierte seine Lippen. Ihm schien, sein Gegenüber erwiderte es.

Das nervenzerreißende Kreischen der Kleinen schreckte ihn und den grauen Riesen auf. Schnell wandte sich das Tier ab. Seine Schlappohren flatterten in seinem Lauf. Wieder hörte man das Gejammer der kleinen Menschen. Eines dieser Kinder sah zu ihm hoch. Er erwiderte den Blick mit einem traurigen Gesicht. Leise ließ er die Menge hinter sich. Die aufgeregten Augen des Kindes bohrten sich in seinen Rücken.

Bunte Blätter knisterten unter seinen Schritten.

Der Wind spielte mit der schwarzen Haarpracht. Er ließ sich auf einer Bank nieder. Ein grauer Himmel und leuchtend rote Bäume um ihm. Das Rot gefiel ihm am meisten.

Es erinnerte ihn an sie.

Ein schmales, blasses Gesicht, rote Haare und tiefblaue Augen. Plötzlich sah er sie wieder, hörte wieder ihr Lachen, ihr wunderbares Lachen. Sie kreiste mit einem jungen Mann in dem Meer aus bunten Blättern. Das Paar wirkte glücklich. Der Mann lachte mit ihr und umarmte sie. Zwei Augenpaare sahen sich lachend an. Sie spielte mit seiner schwarzen Mähne. Nach einer Weile gingen sie lächelnd weiter, Hand in Hand.

…Das war ein Jahr her…

Den Mann kannte er nur zu gut. Oder nun wieder nicht mehr.

Es war seine Vergangenheit.

Ein Krächzen brachte ihn zurück. Der schwarze Vogel auf der Rückenlehne der Bank sah sich um. Das elegante und schöne Federkleid schimmerte leicht silbern. Dünne Beinchen sprangen auf die Sitzfläche, schien etwas zu suchen. Wahrscheinlich nach Resten. Das Tier hatte sicher Hunger. Schwarze Augen wandten sich seinen dunklen zu. Für eine Weile sahen sie sich einfach nur stumm an.

Er lächelte. Ein schwacher Ruck ging durch die Bank und schwarze Schwingen erhoben sich gen Himmel. Kinder sahen ihnen aufgeregt nach. Er sah sie still an.

Zeit verging. Es wurde langsam dunkel und die ersten Laternen leuchteten. Und er hatte seinen Platz immer noch nicht verlassen. Erste Schatten tanzten und die Bäume verloren ihre schönen Farben. Er stand auf.

Die Blätter knisterten unter seinen Schritten.

Das Gehege von vorhin fiel in sein Blickfeld. Langsam ging er darauf zu und stützte sich am Geländer ab. Der kalte Wind ließ ihn frösteln.

Stumm sah er neben sich auf den Boden. Ausdruckslose blaue Augen starrten ihn an. In ihnen war kein Leben mehr zu finden. Sie waren umrandet von roten Haaren. Ihr Liebster schrie. Unglaube, Verzweiflung, Trauer waren aus jedem Schrei zu hören. Seine entsetzten, dunklen Augen hörten nicht auf zu weinen. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Kleid und schluchzte. Wie ein kleiner Junge.

Die Menschenmenge stand atem- und regungslos um ihn herum und starrte das Geschehen stumm an. Den Mörder hatten sie entkommen lassen. Ein Bankräuber, wie es sich später herausstellte. Auf der Flucht. Brauchte dann wohl noch eine Geisel. Nur diese hatte sich gewehrt.

Aber wieso…?

Der junge Mann klammerte sich an den roten Mantel. Seine zitternden Hände waren blutverschmiert. Ihr Blut, ihr Leben…

Das war seine Vergangenheit. Vor einem Jahr.

Sein Blick traf in schwarze Augen. Ein grauer Rüssel baumelte hin und her. Schlappohren flatterten mit den Schritten. Das alte Tier sah ihn an. Er schenkte ihm ein Lächeln. Es wandte sich um und verschwand langsamen Schrittes.

Der graue Riese hatte all dies nicht vergessen. Und spendete ihm Trost, gab ihm Ruhe und Frieden.

“Danke.”

Er wandte sich um und ging den Weg entlang.

Graue Blätter knisterten unter seinen Schritten.

ENDE

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