Kaito Kid - Shinichi Kudo Teil 3
Zeiger der Uhr weiter gewandert und es wurde Mitternacht. Plötzlich wurde es stockdunkel.
"Aha!" lachte Yusaka. "Es geht los!"
"Ja! It's showtime!" antwortete ihm sein Gegenüber.
Der Schriftsteller zuckte heftig zusammen, denn die Stimme hörte sich jetzt ganz anders an als die seines Sohnes. Und tatsächlich! Als kurz darauf das Licht wieder aufflammte, saß ihm nicht Shinichi gegenüber, sondern Kaito Kid, der schnell aufstand und sich nach einer Verbeugung in seine Richtung von seinem Tisch entfernte.
"Rotzlöffel!" dachte Yusaku, aber er musste innerlich lachen. Da hatte er also gar nicht mit seinem Sohn zu Abend gegessen, sondern mit Kaito. Natürlich war ihm sofort klar, dass Shinichi darin eingeweiht gewesen war und da kam er ja auch schon mit einem wissenden Grinsen auf ihn zu und setzte sich auf seinen Stuhl.
"Na? Habt ihr euch gut unterhalten?" wollte er wissen.
Yusaku drohte ihm lachend mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand. "Komm du mir nach Hause!"
Der zuckte gespielt zusammen. "Vielleicht sollte er dann meine Rolle noch einmal übernehmen!" Dann erst richtete er seine Aufmerksamkeit auf Kaito Kid und riss erstaunt die Augen auf. Auf das, was er jetzt sah, war auch er nicht vorbereitet gewesen, denn Kaito Kid stand nicht als einzige maskierte Person im Raum.
Eine im schwarzen Mantel gekleidete Frau mit einem schwarzen Damenhut und einer ebensolchen Maske, die das ganze Gesicht bedeckte, stand ihm in einem Abstand von etwa vier Metern gegenüber.
"Hallo Kaito Kid!" klang eine angenehm klingende Stimme durch den Raum. "Hast du mich vergessen?"
"Wie könnte ich dich vergessen!" beantwortete der die Frage mit einer Gegenfrage.
Yusaku zuckte heftig zusammen. "Die Diebische Elster!" flüsterte er.
"Was?" sah ihn sein Sohn überrascht an. "Von wem sprichst du?"
Sein Vater deutete auf die Maskierte, die nun eine seltsame Pistole zog und auf ihren Gegenüber richtete.
"Das muss die diebische Elster sein. In den Anfangszeiten von Kaito Kid gab es noch eine Kriminelle, die ihm durchaus gewachsen war. Sie rasselten öfter zusammen, wenn sie dieselbe Beute begehrten. Doch dann eines Tages verschwand sie einfach und so geriet sie in Vergessenheit, da Kaito Kid die Aufmerksamkeit dann voll auf sich zog. Schließlich dichtete man ihm sogar ihren Namen an! Keiner dachte mehr daran, dass es eine eigene Person gewesen war!"
Shinichi schaute erstaunt. Davon hatte er noch nie etwas gehört.
Die Maskierte schoss auf ihren Gegenüber. Aus der Waffe kamen seltsame kleine Pfeile, die allerdings Kaito Kid verfehlten, der ein Schild vor sich hielt, das er aus der Luft gegriffen hatte, sondern ein paar Polizisten trafen, die hinter ihm aufgetaucht waren. Sie sanken betäubt zusammen. Auch Kaito Kid hob seine seltsame Pistole und schoss. Doch um die Frau erschien eine Rauchwolke. Als sich die verflüchtigte, sah man, dass die Karten, die aus der Waffe Kaito Kids gekommen waren, ebenfalls ein paar Polizisten getroffen hatten und sie mit den Ärmeln an die Wand geheftet hatten, vor der die Diebische Elster gestanden hatte.
Nun sollte man erwarten, dass die Restaurantbesucher entweder verschwinden würden oder versuchen würden die beiden Kriminellen zu überwältigen. Aber nichts davon wurde wahr. Nein! Sie genossen das ganze wie eine Zaubershow.
Die Frau stand nicht mehr an ihrem Platz, sondern tauchte plötzlich mehrere Meter entfernt aus dem Nichts wieder auf.
Das Publikum applaudierte begeistert.
Nun begann ein regelrechtes zauberisches Feuerwerk, das die beiden Kontrahenten jeweils gegeneinander ausspielten. Da flogen die Karten, Reifen, Blumen und alle möglichen anderen Zauberutensilien durch die Luft. So schnell konnte man dem ganzen gar nicht mit den Augen folgen.
Doch Shinichi fiel allmählich auf, dass dabei keiner der beiden Maskierten auch nur einen Kratzer abbekamen. Nein! Immer nur wurden Polizisten getroffen und betäubt. Auf einmal wusste er, dass es tatsächlich nur eine Zaubershow war, die hier alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Niemand achtete mehr auf den gläsernen Tresor. Auch Inspektor Nakamori nicht, der nun wutschnaubend in den Raum stürmte, zwischen die beiden Zauberkünstler lief und dabei laut schrie:
"Hände hoch! Sie sind beide verhaftet!"
Yusaku schüttelte nur resigniert den Kopf. "Dieser Dummkopf!" murmelte er und tatsächlich sank er von Pfeilen getroffen zusammen und verschlief den Rest der Show.
Shinichi lächelte amüsiert. Er als einziger im ganzen Saal riss seine Augen von den beiden Magiern los und schaute auf das Riesenaquarium. Oben auf dem Deckel sah er einen ebenfalls maskierten Mann sitzen, in dem er Jji vermutete. Er hatte die Sicherheitsvorkehrungen wohl überwunden und hielt eine Angel mit einem Greifarm am unteren Ende der Schnur in der Hand, mit der er gerade nach der Perle griff.. Niemand sonst bemerkte es, doch dem Mann fiel es wohl auf, dass er beobachtet wurde. Er blickte hinab und seine Augen trafen die Shinichis. Er winkte ihm kurz zu. Auch Yusaka war inzwischen auf die Lösung gekommen. Doch genau wie Shinichi wandte er seine Augen nach einem kurzen Blick auf das Riesenaquarium und den Mann darauf wieder auf die beiden Zauberer, deren Auftritt einfach unglaublich war.
"Ich liebe, gut gemachte Shows und die beiden hier sind absolute Könner!" sagte Yusaku bewundernd. "Für so eine Darbietung bezahlt man normalerweise eine Menge Eintritt. Ich wüsste nur zu gerne, wie dein Freund den Kontakt mit der alten Rivalin seines Vaters gefunden hat!"
Sein Sohn lachte, den Blick ebenfalls wieder auf die beiden Maskierten richtend. "Wir können ihn ja später danach fragen!"
So ging es noch einige Zeit lang weiter, doch dann plötzlich erhellte eine Blitzgranate den ganzen Raum, so dass niemand mehr etwas sehen konnte. Als sich die Augen langsam wieder erholten, waren beide Zauberer verschwunden.
Das Publikum klatschte begeistert und brüllte: "Zugabe! Zugabe!"
Doch sie waren natürlich nicht überrascht, dass sich nichts mehr tat.
***
Erst später, als die Polizisten wieder zu sich gekommen waren, erkannten sie die Wahrheit.
"Er hat es tatsächlich geschafft!" schrie Inspektor Nakamori und schlug mit seiner Faust fest gegen das Panzerglas des Aquariums. "Die Perle ist verschwunden! Aber wie hat er das gemacht? Er wurde doch die ganze Zeit über beobachtet!"
Shinichi zuckte die Schultern. "Ich würde mal sagen, wir waren Zuschauer einer riesigen Zaubershow. Aber bei einem solchen Auftritt ist selten alles so, wie es einem vorgespielt wird!"
"Natürlich!" sprang Nakamori direkt darauf an. "Wie ich erfahren habe, war die Frau am Anfang in einer Rauchwolke verschwunden. Da muss sie die Perle besorgt haben!"
Yusaka wollte widersprechen, aber als er sah, dass Shinichi hinter Nakamori heftig den Kopf schüttelte, verstand er auch schnell wieso. Sollte der Inspektor doch an seine Erkenntnis glauben, wenn es auch unmöglich war. Die Zeit bis zu ihrem Wiederauftauchen wäre viel zu kurz gewesen, auf das Aquarium zu klettern, nach der Perle zu angeln und dann wieder nach unten in den Esssaal zu gelangen. Niemand brauchte zu wissen, dass noch jemand an dem Diebstahl beteiligt gewesen war.
Genauso wie niemand außer Shinichi wusste, dass neben der Perle noch etwas aus dem riesigen Wasserbehälter gestohlen, oder besser gesagt ausgetauscht worden war.