Kirschbaum
konnte ihn aber nicht davon abhalten, weiterhin an den süßen Früchten zu naschen.
Das waren die Dinge, die sein Leben bestimmten. Für die Schule lernen, sich
um Cherry und den Garten kümmern und träumen. Träumen von einer Welt, die er selbst gestalten durfte. In der er neu anfangen konnte und alles vergessen durfte, was bisher in seinem Leben geschehen war. Einmal war es ihm so vorgekommen, als wenn ihm alles offen steht. Als wenn er alles machen konnte, sogar fliegen.
Das war der Tag gewesen, als man ihn dazu verleitet hatte einen Joint zu rauchen und er hatte es bereut, als der Effekt aufhörte und er sich plötzlich allein in der Wüste wiederfand. Anscheinend hatte man sich einen Spaß mit ihm erlaubt und ihn im Rausch da draußen ausgesetzt. Es hatte ihn zwar ein netter Bauer zurück nach Awey Ville mitgenommen, trotzdem hatte er sich geschworen, nie wieder jegliche Drogen zu nehmen,
bzw. jemals wieder etwas mit diesen "Freunden" zu unternehmen. Das waren alles Faktoren dafür, dass er sein Leben als Einzelgänger anfing. Wer hätte denn auch wissen können, dass Cedric so empfindlich reagieren würde, aber das war den Leuten relativ egal, denn er hatte eh den Ruf als dummer verträumter Großstadtjunge weg.
Großstadtjunge, weil seine Familie eigentlich aus St. Francisco stammte. Cedric's Eltern waren zwar 5 Jahre nach seiner Geburt in ein kleines Dorf in Nebraska gezogen, aber das interessierte keinen mehr. Die Leute hier sind ja so verspannt und beschränkt, hatte Cedric damals gedacht, als man ihm schon wieder einen Job gekündigt hatte, nachdem er einen Gast der Bar, in der er arbeitete, freundlich darauf hinwies, dass seine Kollegin es nicht für angenehm hielt ständig am Po begrapscht zu werden, was dazu führte, dass der Mann sich
in seiner Ehre beleidigt fühlte und eine große Schlägerei anzettelte. Nur wurde danach nicht der Stammgast rausgeworfen, sondern der sichtbar angeschlagene Cedric, der mit blauem Auge und schmerzendem Bein nach Hause hinkte. Gab es überhaupt einen Ort auf dieser Welt, an dem Cedric willkommen war? Manchmal fragte er sich das stundenlang, während er auf dem Sofa lag und Cherry über den Kopf kraulte. Sein Zuhause schien eine Oase in
dieser Gesellschaft zu sein, die ihn ständig versuchte rauszuekeln.
Ausgestoßen von Jedem und jedes Mal wenn er akzeptiert wurde, passierte etwas unerwartetes, was sein Glück zu einem einstürzenden Hochhaus machte.
"Wenigstens hab ich noch dich", sagte Cedric leise und schlich zu Cherry, die immer noch dösend auf dem Stuhl lag. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Fell und lauschte wie sie dabei anfing zu schnurren. "Ich denk ich werd Morgen auf den Markt gehen und dir einen extra großen Fisch kaufen", murmelte er in das warme Fell.
"Und dann noch einen neuen Ventilator auftreiben. Irgendwo in dieser gottverlassenen Gegend muss es doch noch einen funktionstüchtigen Ventilator geben." Cedric richtete sich auf und ging zu der Schaukel, die er immer noch hatte hängen lassen. Ganz vorsichtig, bedacht die Schaukel nicht zu zerstören, setzte er sich hin und ließ die Beine baumeln. "Komisch, ich wohne hier schon seit 4 Jahren und hab mich kein einziges Mal auf diese
Schaukel gesetzt. Ist das zu kindisch, Cherry?" Langsam richtete Cherry ihren Blick nach oben und betrachtete mit schiefgelegtem Kopf ihr Herrchen, wie er zaghaft zu schwingen anfing. Ein leises Maunzen ließ sie von sich hören und schloss gleich wieder ihre Augen, um nicht von der tiefhängenden Abendsonne geblendet zu werden.
Die Vögel waren still geworden und auch der Baum rauschte kaum merkbar, als Cedric beflügelt von kindlicher Energie die Füße in die Luft streckte und träumend die Sonne anblinzelte.