Sieben Scherben

Der zerbrochene, gläserne Dolch

Soll eine Mischung aus Drama und Romantik sein, ich hoffe es ist einigermaßen gut geworden....


Der schwere Stiefel verfehlte sein Gesicht nur um die Breite eines Fingers, er konnte einen eisigen Luftzug spüren der wie eine stumpfe Messerklinge an seiner rechten Wange vorbeifuhr. Ohne einen weiteren Gedanken an die Gefahr in der er schwebte zu verschwenden fing er seinen Fall ab indem er mit der rechten Hand seinen Sturz abfederte, mit beherrschter Wut trat er seinem Gegner aus der halb liegenden Position heraus die Beine unter dem Körper weg und sprang gewandt wieder auf die Füße. Er war auf dem Nachhauseweg gewesen und hatte eine Abkürzung durch eine ohnehin etwas verrufene Gegend genommen, jedoch hätte er sich nie träumen lassen gleich einem ganzen Haufen dieser Möchtegern-Gang-Idioten über den Weg zu laufen. Aber was soll’s, schließlich hatte er nicht umsonst fast ein Drittel seines Lebens mit den Training unterschiedlichster Kampfsportarten verbracht. Einer zweibeinigen Katze gleich jagte er auf seinen nächsten Gegner zu wobei er dem nach wie vor am Boden Liegenden mit der Spitze seines Turnschuhs heftig gegen die Schläfe trat und ihn damit wohl für die nächsten Stunden außer Gefecht setzte. Er hatte den Anderen erreicht, erhob sich kurz vor seinem Ziel mit einem Sprung in die Luft und schmetterte noch im Flug seinen Fuß mit einem wütenden, energiegeladenen Schrei in dessen Gesicht. Elegant nutzte er eben Dieses als Plattform für einen weiteren Sprung der ihn zu seinem nächsten Gegner brachte, noch im Flug verlagerte er sein Gewicht sodass er in Drehung geriet und beförderte den vorletzten Gegner mit einem harten Schlag seiner Handkante gegen dessen Hals in eine tiefe, wenn auch nicht ewig währende Bewusstlosigkeit. Er nahm seiner Bewegung mit einer routinierten Schulterrolle den Schwung und richte sich auf um sein Werk zu betrachten, wo zu Beginn des Kampfes noch sechs Gegner lauerten bot sich ihm nun ein Trauerspiel, keiner der am Boden liegenden sah so aus als ob er noch fähig wäre in der nächsten halben Stunde auch nur den kleinen Finger zu rühren. Mit einem zufriedenen Grinsen strich er sich eine seiner weit mehr als Schulterlangen Haarsträhnen von tiefschwarzer Farbe aus dem Gesicht und befeuchte seine rissigen Lippen mit der Zunge. Sein nächster Blick galt der silbernen Armbanduhr, sie war nicht digital sondern lief eben noch wie ein altes Uhrwerk, an seinem linken Handgelenk. Er hatte für den Kampf nicht länger als, nachdenklich legte er den Kopf schräg als ihm klar wurde das er nicht genau sagen konnte wann er damit begonnen hatte diese kleine Meinungsverschiedenheit auszudiskutieren. Sein Blick schweifte zu der winzigen Gravur an der linken Seite des Gehäuses. Sie war zu klein um sie zulesen ohne sie sich direkt vor Augen zu halten, zudem die hiesigen Lichtverhältnisse mehr als bescheiden waren, dennoch kannte er den kurzen Text seit langem auswendig. Sein bisheriges Leben war von drei Sätzen geprägt worden. Der Erste lautete „Glaube nicht an deine Freunde, glaube nicht an Gott, glaube nur daran, was du kannst und wer du bist!“ Diese Worte, wenn auch nicht die selbe Formulierung, waren es gewesen die ihm durch den Kopf gegangen waren nachdem seiner bester, sein einziger Freund ihn Feige verraten hatte. Der nächste Grundsatz seines Seins lautete: „Sieh nicht alle Menschen als etwas Gleiches an, dies würde nicht der Wahrheit entsprechen da jeder Mensch ein Individuum ist, das sein Rang in einer weltweiten Hierarchie hat. Das einzige was zählt ist seinen Rang zu kennen, und vor allem, mehr Menschen unter als über sich zu haben.“ Seine Miene verfinsterte sich, zugleich wich ein dankbares Lächeln jedoch nicht von seinen Lippen. Dieser Grundsatz war den Gedanken seines ersten Kampflehrers, Meisters entsprungen, sein Erster und der Einzige den er je als überlegen angesehen hatte. Den Gedanken des Mannes, der in der Hierarchie weit mehr Menschen über sich hatte, aber dennoch erhobenen Hauptes durch die Straßen schritt. Er sackte etwas in sich zusammen als er an das letzte „Gebot“ seines Lebens dachte. Er spürte wie sein Herz sich verkrampfte als ob eine eiserne Schlinge es unbarmherzig zusammenziehen würde, seine Hände ballten sich erst zu Fäusten, dann zu tierartigen Krallen. Es war ein Satz, der auf der Welt nichts besonderes war, den er jedoch zugleich hasste und auch liebte wie keinen anderen. Es war der Satz, welcher auf seiner Uhr eingraviert war, unverändert seit mehr als vier Jahren, seit dem Tag als sein Geist zum ersten Mal von der Liebe zu seinem anderen Menschen in den Bann gezogen wurde. „Bis über den Tod hinaus...“ Fünf Worte und drei Punkte, in einer verschlungenen, feingliedrigen Schrift. Er hatte seinen Geist gefestigt und jedwedes Gefühl, ob gut oder schlecht, ob Wut oder Freude in die Untiefen seiner Seele verbannt, aber dennoch spürte er wie ein flammender Schmerz der Trauer und der Wut in seinem Herzen aufflammte, wie seine Kehle sich langsam und von unsichtbarer Hand zuzuschnüren begann und sich seine Gedanken mit zähflüssiger Dunkelheit umgaben, in der jeder Atemzug zur Qual würde. Drei Jahre hatten diese Worte sich am Glück einer Beziehung genährt ehe sich alles verändert hatte, ehe ein Mensch gestorben, Etwas geboren, und Einer zerstört worden war. Er richtete seinen Blick in den klaren, wolkenlosen Himmel und ihm offenbarten sich Tausende Sterne am schwarzen Firmament, die Sichel des Mondes prangte inmitten dieses Bildes als ob er der Schlussstein wäre, der das Dach der Welt zusammen hielt. Der beste Freund seiner Verlobten war gestorben, getötet von seiner Hand, sein Geist war an unermesslicher Eifersucht und Wut zerbrochen, aus den Scherben dreier Leben, Seinem, Ihrem und dem des Gefallenen, war etwas Neues geboren worden, der Wunsch nach Rache, das Verlangen zu töten, ihn zu töten. Nachdem er seinen vermeintlichen Konkurrenten aus dem Leben gedrängt hatte, das frische Blut noch auf seinen Lippen und der Klinge seines Schwertes glänzte und sich sein von Wut beherrschter Geist sich an dem Tod eines Unschuldigen labte, hatte seine Verlobte einen unbrechbaren Schwur geleistet. Ihr Freund hatte sich ihr niemals angenähert, war aber trotzdem grundlos abgeschlachtet worden. Er erinnerte sich wie ihre Pupillen zu winzigen Punkten verengt hatte, wie ihre Stimme vor Hass bebte und ihr hellbraunes Haar im stürmischen Herbstwind peitschte. Sie hatte dem Toten geschworen, seine verlorene Seele mit dem Blut seines Mörders zu tränken. Mit dem Blut eines Wesens, das im innersten mehr Dämon als Mensch war. Mit seinem Blut. Sein Blick senkte sich zu Boden, sein aufgewühlter Geist konnte seine herausbrechenden Emotionen kaum noch im Zaum halten, eine einsame, unerwünschte Träne suchte sich den Weg über seine rechte Wange. Geraume Zeit hatte er sie damals einfach nur angesehen, unfähig zu handeln. Der Mensch, der sie liebte befand sich noch immer, bis heute, in einem Konflikt mit seinem inneren Dämon der aus der Wut seines Lebens geboren worden war und nach dem Blut der Menschen, dem süßen Blut aller Menschen dürstete. Schließlich war er auf sie zugegangen, hatte ihr sein Schwert gegeben und sich dann von ihr entfernt, hatte nicht mehr gewagt ihr in die Saphirblauen Augen zu blicken. Er hatte an diesem Tag sein Schicksal akzeptiert. Nicht weil er keinen Ausweg sah, keine Möglichkeit ihr zu entkommen, schon damals hätte er sie ohne Anstrengung töten können. Doch er wollte es nicht. Er hatte sich mit seinem gesamten Dasein verschuldet und er würde ihr das Schenken, was er ihr genommen hatte, das Leben eines Freundes, sein eigenes Leben, so wie sie es wollte. Langsam wandte er sich um, damit er seinen Weg fortsetzten konnte, als er die Drehung beendet hatte weiteten sich seine Augen vor Entsetzen, Kälte wogte um sein verkrampftes Herz. Seine Gegner waren nicht, wie er angenommen hatte, zu sechst gewesen. Er hatte lediglich den Siebten übersehen. Es war eine junge Frau, etwa sein Alter jedoch mehr als einen Kopf kleiner. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er seine Verlobte wiederzuerkennen, doch schnell wurde ihm klar das dieser Gedanke nicht weiter als ein emotionales Hirngespinst seiner verwirrten Seele war. Sie blickte ihn nicht an, trotzdem wusste er das sie lächelte. So wie er es einst tat, als er seinem Opfer vor einem Jahr begegnet war, und sein Blut vergossen hatte. Sein Körper war wie gelähmt, trotzdem schaffte er es zurückzuweichen, ein nur handgroßer, gläserner Dolch durchtrennte die Luft an der Stelle, wo sich soeben noch seine Kehle befunden hatte. Blitzschnell wechselte die Klinge ihre Richtung und jagte, umschlossen von der Hand einer blutdürstenden Seele, auf sein Herz zu. Mit unglaublicher Geschwindigkeit doch zugleich auch mit quälender Langsamkeit drang die gläserne Schneide in seine Brust ein, zerschnitt das warme Fleisch, schabte an einer seiner Rippen vorbei und traf auf sein Rückrat, wo sie zerbarst. Sie hatte sein Herz zwar verfehlt, doch befand sie sich jedoch nun unausweichlich in ihm. Etwas sagte ihm, das es sieben Splitter waren. Sieben Splitter die nun bei jeder noch so kleinen Bewegung sein Fleisch zerschneiden und ihn so ein Stück näher an den Tod bringen würden. Das Mädchen wandte sich von ihm ab und ging aus seinem Sichtfeld. Seiner Kraft beraubt, unfähig zu Bewegen lag er am Boden, eine einzige Angst umschlang seine Existenz wie eine hungrige Schlange ihr vergiftetes Opfer. Ein in Folie eingeschweißter Ausweis fiel aus seiner Tasche. Das von langen schwarzen Haaren umrahmte Gesicht eines jungen Mannes war darauf zu erkennen, daneben prangte der Namenszug „Damian Nefeltari“. Auch ein Geburtsdatum war angegeben. Am folgenden Tag, in weniger als zwei Stunden, würde er sein 19 Lebensjahr erreicht haben. Trotz des wolkenlosen Himmels begann es zu regnen. Sein Bewusstein verdunkelte sich, jeder Schlag seines Herzens bereitete ihm
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