Everthing's possible oder Nothing else matters

Kapitel 2

Diese zwei Mathestunden schienen einfach nicht vorbeizugehen. Für Seto gab es eh nur eines, er beobachtete die Wolken, wie sie am Himmel davonzogen. So wie die Worte der Lehrerin an seinen Ohren. Er bekam es nicht einmal mehr mit, dass sie ihn zum wohl vierten Mal aufforderte. Erst beim fünften Versuch zeigte sein Körper eine erste Regung, der Blick ging wieder zur Tafel. So etwas konnte er ihm Schlaf lösen, es stellte für ihn kaum ein Problem da. Aber was wollte der Lehrkörper denn nun wieder von ihm?
„Können Sie mir bitte erzählen, was Sie dort tun, Mister Kaiba?“
„Nachdenken“, gleichgültig zuckte er mit den Achseln. Es war ihm so gut wie alles gleich geworden. Es machte keinen Unterschied würde er nun von der Schule fliegen, sie waren doch von seiner Firma abhängig geworden. Man würde ihn nicht gehen lassen können, also konnte er sich doch von der Seite zeigen, die sie alle an ihm so verachteten. An das, was man als erstes denkt, wenn man den Namen Seto Kaiba ins Ohr gelegt bekommt.
„Könnten Sie das nicht auf nach dem Unterricht verlegen?“, fragte die Lehrerin nun doch leicht genervt, spürte die allgemeine Unruhe in der Klasse. Der Firmenchef schaffte es immer und immer wieder dafür zu sorgen, dass alle Lehrkräfte wie Trottel und Anfänger dastanden. Darin war er wohl wirklich der Größte.
„Nein, da habe ich mich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Tut mir leid. Sind Sie dann fertig?“ Die Arme hielt der Brünette vor der Brust verschränkt, blickte unbeirrt zu der Frau an der Tafel. Seine blauen Augen durchbohrten sie förmlich. Er wollte sich von niemandem mehr etwas vorschreiben lassen, er war erwachsen und wusste, wie er seinen Weg zu bestreiten hatte. Niemand hatte sich ihm mehr in den Weg zu stellen. Es würde auch niemand überleben.
„Mister Kaiba, ich-“, doch da kam der jungen Frau die Schulglocke dazwischen. Mit einem Mal sprangen alle Schüler auf, schmissen die Schulsachen nur so in die Taschen und stürmten aus dem Klassenzimmer. Anders Seto. Er hatte alle Zeit der Welt, zumindest in der Schule. Langsam packte er den Block in seinen Aktenkoffer, schmiss die Aluklappe zu und ging nun zur Lehrerin.
„Kann ich den Palm bekommen oder brauchen Sie ihn noch?“, fragte er sie nun doch dreist ins Gesicht, scherte sich nicht im Geringsten darum, welche Regeln des Respekts er mit dieser Minute alle brach. Gegenüber den größten Firmenbosse hatte er die Ehrfurcht verloren, die Lehrer behandelte er auch wie seine Vorarbeiter. Seine Fassade bröckelte nur an einer Stelle und jene war es, die ihn zur Verzweiflung brachte. Sobald es um seinen jüngeren Bruder ging, setzten sämtliche Schaltkreise in seinem Kopf aus. Dann gab es kein Halten mehr.
„Das Ihnen ein Verweis zu Buche stehen wird, ist Ihnen hoffentlich bewusst“
„Tun Sie, was Sie für richtig halten. Den Computer bitte“, die offene Hand streckte er ihr nun entgegen. Er hätte sich das kleine Gerät nur nehmen brauchen, es lag genau vor seiner Nase. Doch so viel Anstand besaß selbst ein Seto Kaiba. Jedoch würde auch ihm der Faden der Geduld einmal reißen, seine Selbstbeherrschung sich vergessen.
„Verschwinden Sie aus meinen Augen“, kam es nur noch von der Frau als sie ihm das geforderte Objekt in die Hand legte. Sie hatte mit den Tränen zu kämpfen, das hätte man nicht einmal sehen brauchen, denn zu hören war es gut. Die Kehle schnürten sie ihr zu, das Sprechen fiel schwer.
Von alle dem unberührt, verließ der Firmenchef das Klassenzimmer und schritt erhobenen Hauptes über den Gang. Er hatte genau das, was er wollte. Und bald wohl auch seine Ruhe. Die Lehrer gaben ihm nach, duldeten ihn im Unterricht. Jedoch blieb er von jeglicher Mitarbeit befreit. Diese Stümper, dachte er nur und schaute auf die Uhr an seinem Handgelenk. Hatte er doch wirklich drei Minuten mit dieser Frau vergeudet, nur weil sie ihm seinen Besitz nicht geben wollte. Es war einfach nicht zum Aushalten. Man ist nur von Idioten umgeben!
Dieser Zustand verließ ihn auch nicht als er sich auf eine Bank sinken ließ, die an der linken Seite des Schulhofes stand. Im Schatten einer alten Eiche holte er ein Buch aus seinem Koffer und schlug es auf. Irgendwo in der Mitte klemmte ein kleines Lesezeichen, ein Foto seines kleinen Bruders. Diesen brauchte er in der Pause jedoch nicht suchen, da ihm genau bewusst war, mit wem er sich rumtrieb. Zwar war das nicht der richtige Umgang für den Kleinen in seinen Augen, doch etwas dagegen zu sagen, das wollte er nicht. Sie waren derzeit die einzigen Leute, die Mokuba immer um sich haben konnte, wenn etwas mit ihm war. Etwas lehnte er sich zurück, legte den Alukoffer neben sich und begann zu lesen. Er konnte für einen Augenblick den Krach um sich herum vergessen, aber auch dieser schöne Moment schien schon verflogen.
„Was für Intellektuelle, ne Kaiba?“, konnte er nur noch spöttisch hören, dann war das Buch seiner Hand entrissen. Den Blondschopf würde er wohl auch Meilen erkennen können, daran hatte er keinen Zweifel. Ein Seufzen ersparte er nicht, denn das wäre nur vergebene Liebesmüh. Ihn brächte es nicht weiter und Joey würde es nicht intelligenter machen.
Angeheitert blätterte in dem Buch umher, ließ das Bild von Mokuba auf den Boden segeln. Dann kam er endlich beim Titel an. „Also sprach Zarat-wer?“, kam es etwas ungläubig aus dem Mund des jungen Blonden. Dann blickte er den Mann sich gegenüber an, der noch immer gelassen auf seiner Bank saß. Dann stand er ruckartig auf. Sofort wich Joey einen Schritt nach hinten als hätte er doch eine gewisse Furcht dafür jetzt seinen Preis für den heutigen Tag einzusacken, doch unbeirrt schritt Seto an ihm vorbei.
„Also sprach Zarathustra, Wheeler. Kannst es gern behalten, auch wenn du davon wohl kein Wort verstehen wirst“, mit diesen Worten schritt er so kalt wie der Tod selbst an ihm vorbei, würdigte ihn noch nicht einmal eines Seitenblickes mehr. Das war ihm der Blonde nicht wert. Um das Buch war es schade, aber er würde schon ein Neues bekommen. Gerade als er beginnen wollte wieder den üblichen Groll gegen Joey zu hegen, wurde er beinahe schon umgerannt.
„Großer Bruder!“, konnte er über den gesamten Schulhof hören, dann hatte er Mokuba schon bei sich. Sachte schmiegte sich der Kleine bei ihm an, spürte kurz darauf auch schon die schützende Hand des Älteren auf seinem Kopf ruhen.
„Na mein Purzel“
Mit großen Augen blickte Mokuba zu ihm hoch. Das war der Seto, den er kannte. Und den wohl auch nur er so kannte. Es gab niemanden anders, der diese Seite wohl jemals kennen lernen dürfte. Sie war alleine ihm vorbehalten und das bedeutete ihm so viel. Es war so viel wert. Als Seto wieder auf Augenhöhe mit ihm ging, schlang der Jüngere sofort die Arme um dessen Nacken und drückte sich an ihn heran.
„Wir haben uns wohl gerade mal anderthalb Stunden nicht gesehen und du tust als wäre ich ein Jahr nicht zu Hause gewesen“, scherzte der Firmenchef nur und hob den Kleinen nach oben. „Und du hattest wieder Kunst, nicht wahr?“
Ein heftiges Nicken war die Antwort. Doch fragte sich Mokuba gleich wieder, weshalb Seto so etwas wusste. Er wusste doch kaum seinen eigenen Stundenplan, besser kann er doch die Aktienkurse des heutigen Tages. Was hatte ihn verraten? Und als er an sich herunter blickte, wurde ihm die Frage recht schnell beantwortet. Er sah aus wie ein viel zu groß geratener Farbklecks, kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
Doch anstatt nun wieder mit dem Kleinen zu schimpfen, setzte Seto ein liebes Lächeln auf und stupste ihm sachte die Nasenspitze an. Wieder einmal mehr spürte der Brünette, wie er sich doch zu Mokuba hingezogen fühlte. Ohne ihn würde sein Leben wohl nur noch trist und grau sein. So etwas wie Farben würde es nicht geben. Vielleicht noch das blau, welches den Blue Eyes White Dragon zierte, doch damit wäre es sicherlich auch schon getan. Sachte drückte er seinem Bruder einen Kuss auf die Stirn, ließ ihn wieder auf seine eigenen zwei Beine hinunter.
„Hab dich lieb, großer Bruder“, drang es mit kindlicher Stimme zu ihm nach oben. Nur manchmal stellte sich Seto schon die Frage, wieso er das noch verdient hatte? Er fühlte sich so schlecht, dass er so wenig Zeit für ihn hatte. Dennoch sah Mokuba zu ihm hoch. Es war schon ein Spiel um Macht und Liebe. Nur leider konnte er die Waage dazwischen so schlecht halten. Wollte er das eine vorantreiben, blieb das andere auf der Strecke. Und egal für was er sich entschied, er war immer der Verlierer.
„Mein Kleiner“, und damit wuschelte er ihm nochmals durch die Haare, dann ertönte schon wieder das Zeichen, dass die Pause ihr Ende gefunden hatte. Für Mokubas Verständnis war sie wieder viel zu kurz gewesen. Da hatte er Seto einmal für sich und schon verloren sie sich wieder aus den Augen. Ein kleiner Trost war es dann doch, dass sein bester Freund Kato schon wieder nach ihm rief. Als der Große ihm mit einem Blick klar machte, dass er ruhig schon gehen konnte, lief er schon los. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen.
So unbeschwert wäre ich gern noch einmal, sehnte sich Setos Herz im Inneren, doch darauf wollte er nicht hören. Es gab andere Dinge, um die er sich kümmern musste. Und genau das holte ihn auch schon wieder an, als er das Klingeln seines Handys vernahm. Zwischen den lauten Gesprächen auf dem Gang konnte er nichts ausrichten, er suchte sich eine ruhige Stelle bei den Spinten und nahm endlich ab.
„Seto Kaiba, mit wem habe ich die Ehre?“, sagte er nun gewillt freundlich. Es hörte sich nicht nach seinem Sekretär an, auch keinem der Big Five, so dass er sich wahrlich zusammenreißen musste. Jeder Kunde war dieser Tage ein gerngesehener Gast, könnte ihm zu neuem Ruhm und Reichtum verhelfen. Seiner Firma ging es gut, doch so etwas konnte sich ja auch von einem auf den anderen Tag ändern. In das Gespräch vertieft, bemerkte der Firmenleiter
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