Seraphim Call
an.
Neugierig blickte Harry sich um. Die Dorfbewohner nahmen keinerlei Notiz von ihnen, was ihn schon ein wenig verwunderte, doch er beschloss sich erst einmal weiter umzusehen.
Felidea hatte sich unter Harrys Hemd geschlängelt und es sich dort gemütlich gemacht, wofür Harry ihr sehr dankbar war. Und so drehte er sich zu Draco und blickte ihn fragend an.
"Und was machen wir jetzt? Wo gehen wir zuerst hin?"
"Keine Ahnung, um ehrlich zu sein!" antwortete Draco, und ihr kindischer Streit, den sie noch im Hogwarts Express austragen wollten, schien nun weit entfernt.
Es gingen zwei alte Damen an ihnen vorbei, beide mit einem betrübten Ausdruck auf dem Gesicht.
"Hast du es auch gehört, Madeleine? Die beiden sollen erst 16 Jahre alt gewesen sein!"
"So alt ist mein Enkel auch!" erwiderte Madeleine und blickte betrübt zu Seite.
Sie schienen keinerlei Notiz von Harry und Draco zunehmen, Nicht mal ihre zerrissenen Klamotten schiene irgendwie auffällig zu sein.
//Das ist doch alles sehr merkwürdig!//
"Meinst du, es gibt hier irgendwo Zauberer, die wir um Rat bitten könnten?"
"Ich habe keine Ahnung... Lass uns einfach mal nachsehen... Aber... findest du es nicht auch komisch, dass und *niemand* auch nur ansieht? Normalerweise werden wir Zauberer doch immer angesehen wie Wesen von einem anderen Stern." Harry packte Draco leicht am Arm und zog ihn weiter in das Dorf hinein.
"Das ist doch nicht normal."
Es war egal, wie weit sie kamen. Niemand nahm auch nur die leiseste Notiz von ihnen. Allerdings sahen sie nach einer Weile endlich jemanden, der doch wie ein Zauberer aussah. Der Mann mittleren Alters war völlig in schwarz gekleidet und hatte eine Eule auf seiner Schulter sitzen.
"Sollten wir ihn ansprechen?"
"Na ja, mehr wie Nein sagen kann er auch nicht!" meinte Draco mit einem Schulterzucken und ging einen Schritt schneller, um den Mann aufzuholen. Er schien es ziemlich eilig zu haben...
"Hey, Sir!" rief Draco. Normalerweise hasste er es, fremde Menschen anzusprechen, besonders, wenn sie so bettelarm wirkten, wie dieser Mann, doch es blieb ihm nicht anderes über.
"Hallo!"
Der Mann ignorierte ihn. Es schien eher so, als beschleunigte er seine Schritte, um eine Hütte am Rand des Dorfes zu erreichen, die im Schutz von hohen Bäumen stand.
Jetzt, entfernt von den übrigens Bewohnern des kleinen Muggeldorfes, zog er eine Zeitung hervor, eine Zeitung, die Draco als auch Harry sehr bekannt vorkam.
"Der Tagesprophet!" hauchte Draco und eilte sich, dem Mann zu folgen.
Harry folgte ihm dichten Fußes.
Der Mann blieb vor der schweren Holztür seiner Hütte stehen und blickte noch einmal auf die Zeitung hinab. Dann ließ er sie fallen und die Eule sprang von seiner Schulter, um sie aufzufangen. Sie flog wenige Meter weiter zu einer Kiste, die Draco entfernt an einen Komposthaufen erinnerte und ließ sie dort fallen. Seine Blicke waren so sehr auf den Propheten fixiert, dass er zu spät bemerkte, wie der Mann ins Haus gegangen und die Tür verriegelt hatte.
Draco wandte sich um starrte Harry an: "Das gefällt mir nicht! Lass uns sehen ob irgendwas im Propheten steht!"
Felidea zischte zustimmend, doch Draco konnte nicht ausmachen, wo sich die Schlange unter Harrys weiten Gewändern befand.
Gemeinsam rannten sie zu der Kiste und Draco sank vor ihr auf die Knie. Er griff nach der alten Zeitung und befreite die Titelseite vom Dreck.
Das Foto auf der Titelseite verschlug ihm den Atem und seine Augen weiteten sich geschockt.
"D-dies", stotterte er, "Ist die Zeitung von Gestern!"
Mit diesen Worten reichte er sie an Harry weiter.
Leicht zitternd nahm er die Zeitung entgegen und begann laut zu lesen.
"Die Zauberergemeinschaft trauert. Harry Potter und Draco Malfoy tot aufgefunden... Gestern Abend wurden Harry Potter, "der-Junge-der-Lebt" und Draco Malfoy tot aufgefunden. Nachdem was wir bis jetzt wissen, wurden die Beiden auf ihrem Weg von Hogwarts nach Hause von Dementoren angegriffen und stürzten von einer Brücke in die Tiefe..." Gegen Ende war er immer leiser geworden und blickte Draco fassungslos an. "Tod... Wir... sind tot?"
Völlig geschockt und außer Fassung geraten ließ er sich neben ihm auf den Boden sinken.
"Aber... wir können doch nicht wirklich tot sein..."
Draco lächelte sardonisch.
"Um ehrlich zu sein fühle ich mich auch nicht wirklich tot... aber das würde erklären, warum uns niemand sehen kann... wobei", er machte eine Pause, "Geister scheinen wir auch nicht zu sein, sonst hätte uns der alte Zauberer wahrgenommen!"
Seufzend kämmte er sich mit einer Hand durch das blonde Haar.
Er nahm Harry den Propheten noch einmal ab und las weiter.
//...'Das Ministerium für Zauberei erfuhr durch die Kontaktaufnahme von Muggeln, die die Leichen gefunden hatten, wo die beiden vermissten Jungen gefunden wurden. Lucius Malfoy und seine Ehefrau Narcissa beklagen den Verlust ihres Sohnes zutiefst...'// er schlug kurz die Augen nieder // Wenigstens vermissen sie mich.
Dann schwieg er, denn er wu0te nicht, was er sagen sollte.
//Dann sind wir also wirklich tot//
Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Harrys Lippen.
//Na dann... habe ich doch nun eigentlich das, was ich immer wollte, nicht wahr? Meine Ruhe. Und die Dursleys werden mich sicher nicht vermissen. Höchstens Petunia, weil sie nun wieder alles selber machen muss... Und sonst... Die meisten haben in mir doch sowieso nur ihren Retter gesehen. Wer wird wirklich um Harry Potter trauern... Vermutlich nur Sirius... Ich wünschte ich hätte ihn noch mal sehen können, bevor ich gestorben bin//
Seufzend nahm er Felidea unter meiner Kleidung hervor und legte sie wieder um seinen Hals.
~Wenigssstensss bisssst du da...~
"Lass uns gehen, Draco. Wir haben hier nichts mehr zu tun..."
//Seit wann nennt er mich "Draco"?//
Der blonde Junge richtete seine Blicke auf Harry, der sich nun erhoben hatte und zum fernen Horizont starrte, wo die Sonne mit dem Boden verschmolz und damit die Nacht einläutete.
Langsam rappelte auch er sich auf und breitete seine Arme aus. Und zum ersten Mal fiel ihm auf, dass er den Wind nicht spürte, der durch die Bäume wehte.
In diesem Moment begriff er, dass er seine Eltern nicht wieder sehen würde.
Seine Gedanken richteten sich wieder auf Harry, der Felidea sanft ansah und ihren Kopf mit einem Finger streichelte.
"In Ordnung, Harry", erwiderte er, "Sieht wohl so aus, als hätten wir beide kein Zuhause mehr!"
Draco trat dich neben Harry und sah auf die Schlange hinab.
"Irgendwelche Vorschläge, wohin wir gehen können?"
"Irgendwo hin... Hauptsache weit weg... Und wenn wir doch irgendwo hingehen wo uns einer kennt, dann vielleicht nach Hogwarts oder so. Wir können von mir aus sogar zu deinen Eltern gehen wenn du willst. Es gibt keinen Ort mehr an den ich gehen könnte.. Daher könnte es mich nicht gleichgültiger sein, wohin wir gehen..."
Der Schwarzhaarige drehte sich zu dem anderen Jungen um und lächelte ihn leicht an.
"Also weise uns einfach den Weg."
Er streichelte weiter über Felideas Kopf und nahm erfreut wahr, wie diese sich zutraulich an seine Hand schmiegte.
Draco schlug eine Sekunde seine Augen nieder, dachte angestrengt nach.
Würde es Sinn machen, zu seinen Eltern zu gehen? Würde sie ihn oder Harry sehen können?
"Ja, lass uns zu einem Ort gehen, mit dem wir beide vertraut sind und der uns etwas bedeutet. Da wäre Hogwarts nicht schlecht, denn auf Malfoy Manor gibt es nichts, was mit deiner Vergangenheit zu tun hätte..." er hielt inne, " ... vielleicht finden wir einen Weg... vielleicht können wir mit jemanden in Kontakt treten. Denn wir wissen ja noch nicht, WAS wir eigentlich sind, oder wie es passieren konnte. Und wir sind nicht so tot, wie wir sein sollten."
Als Harry ihn mit einem skeptischen Blick bedachte, schmunzelte Draco leicht, "Natürlich sind wir noch nicht ganz tot. Oder hast du dir das Jenseits etwa so vorgestellt?"
"Nein sicher nicht... Ich hatte immer gehofft im Jenseits meine Eltern zu treffen.." ein leichtes trauriges lächelnd zierte seine Lippen.
"Dann lass uns mal auf den Weg machen. Je schneller wir ankommen umso besser ist das, oder?"
Ohne weiter zu warten machte Harry sich auf den Weg zu einem kleinen Shop. Immerhin mussten sie erst einmal herausfinden, wo sie sich überhaupt befanden und wie sie von hier aus nach London oder zu irgendeiner anderen Stadt kommen konnten. Denn eins musste man sagen, als Tote brauchten sie wenigstens nicht zu essen oder zu schlafen. Was schon einmal sehr wichtig war.
Harry durchsuchte ein paar Karten, bis er endlich gefunden hatte wonach er suchte. Er merkte sich den Weg und ging dann zurück zu Draco.
"Wir sollten in diese" er zeigte in eine Richtung. "Richtung gehen. Dann sollten wir nach London kommen. Und wenn wir in London sind, kommen wir zu den Gleisen. Und wenn wir zu den Gleisen kommen, dann kommen wir auch nach Hogwarts."
"Wenn der Zug denn dann auch auf dem Gleis steht! Schließlich sind wir schon etwas zwei tage... ähem.. wie sage ich das jetzt am besten... "von Ihnen gegangen"?"
Draco marschierte neben Harry über den Kiesweg entlang. Die Nacht war nun endgültig über ihnen herein gebrochen und die Sterne leuchteten klar am Himmel, wie sie es beide schon lange nicht mehr gesehen hatten. Es war Neumond, als trübte auch nicht der silbrige Schein des Mondes das Sternenlicht.
Er atmete tief durch, obwohl er wusste, dass es absolut sinnlos und lächerlich war.
Harry sah wieder auf Felidea hinab und schmunzelte, als die Schlange seine Wange mit ihrer Schnauze streichelte.
Draco suchte angestrengt nach einem Grund, um ein Gespräch zu beginnen. Nach sechs Jahren, in denen sie sich bekämpft hatten, war dies jedoch unglaublich schwer. Aber nun, da sie gemeinsam hier waren und dasselbe Schicksal erlitten hatten, musste es damit wohl vorbei sein!
"Ich glaube, ich kann nur erahnen, wie es für dich war, ohne deine Eltern..." begann er, ohne auf eine wirkliche Antwort von Harry zu erwarten, "Doch die Ironie