Kibito meets Kaioshin

"Bunte Tage" im Palast des Dai Kaio

Kibito meets Kaioshin

Vor dem Tor des Dai Kaio wimmelte es nur von Leuten. Alle waren in Aufregung, da der Dai Kaio davon gesprochen hatte, das heute wieder ein „bunter Tag“ sein sollte. An diesem Tag wurden seit langen Zeiten die Positionen der verschiedenen unbeschäftigten Jenseitsbewohner geklärt. Einmal alle 10 Jahre wurden die neuen Rekruten an die verschiedenen Gebiete verteilt, wo sie in Zukunft arbeiten sollten. Und wer mit seinem Gebiet unzufrieden war und eine andere Arbeitsumgebung wünschte, konnte an einem solchen Tag ebenfalls versuchen, sich einen neuen Posten in einem anderen Gebiet geben zu lassen. Ein besonders großer Bursche stellte sich gerade in der immer länger werdenden Schlange an. Einige Aufseher teilten den Wartenden mit, das der Dai Kaio in Kürze beginnen würde. Der große Bursche gab –wie viele andere auch- ein „Na endlich!“ von sich. Da hörte er, wie er von einem der vorbeigehenden Aufseher angesprochen wurde.
„Na Kibito? Du willst deine Stelle im Büro des Paradiesvorstands wirklich aufgeben?“
„Ach du bist es, Retaru. Ja, diese Chance lasse ich mir doch nicht entgehen! Ich habe von Anfang an gewusst, das dies keine gute Stelle für mich ist! Und glaube mir, ich werde hier nicht fortgehen, bis ich eine neue Anstellung gefunden habe!“
„Na, dann wünsche ich dir viel Glück! Bei all den Bewerbern wirst du es Brauchen.“ Der Aufseher winkte Kibito noch einmal zu, ehe er weiterging.
Die Zeit schritt voran. Jedoch schien sie es nur sehr langsam zu tun. Nach und nach wurde zwar der jeweils ganz vorn in der Reihe stehende in den Palast des Dai Kaios gelassen, doch die Schlange schien nicht kürzer zu werden. Immerhin warteten über zweihundert Leute vor den Toren, und jeder Einzelne Besucher brauchte eine gewisse Zeitspanne, bis er schließlich wieder den Palast verlies und der Nächste herein gerufen werden konnte. Alles in allem dauerte die Prozedur –wie jedes mal- viel länger, als die meisten es erwartet hatten. Eine Schnecke, die am Ende der Reihe los gekrochen wäre, als der Erste die Hallen betreten durfte, wäre sehr viel schneller bei den Stufen, die zu den Hallen führten, als der Großteil der Anwärter.
Die Geduld schien bei vielen nahe an der Belastungsgrenze zu liegen. Nach mehreren Stunden verließen die Ersten derjenigen, die um eine andere Stelle bitten wollten, den Vorhof. Wer hier war, um seine erste Stelle zu erhalten musste natürlich bleiben. Dennoch lösten sich nun immer wieder vereinzelte Jenseitsbewohner aus der langen Reihe. Schließlich war Kibito der Letzte in der langen Schlange. Diejenigen, die hinter ihm gestanden hatten, waren alle gegangen. Ohnehin waren es nur drei gewesen. Etwa 20 Personen waren offenbar nicht ausdauernd genug, sich wirklich um einen anderen Posten zu Bemühen. Kibito lächelte.
Ihm sollte es recht sein, so stiegen seine Chancen, einen besseren Platz zu bekommen. Wenn es sein musste, würde er den ganzen Tag hier stehen. Wenn er nur eine neue, bessere Anstellung bekommen würde, wäre es ihm recht. Aber auch er wurde langsam ungeduldig. „Das dauert ja ewig!“ hörte er jemanden vor sich sagen. Und Kibito seufzte. Er hatte ja bereits einmal einen „bunten Tag“ erlebt, als er hergekommen war, um seine erste Anstellung zu erhalten. >Ich hoffe nur, das ich dieses mal eine besseren Platz erhalte, als den im Büro des Paradiesvorstandes.< dachte er seufzend. >Noch mal mache ich diese Tortur nicht mit!<
Kibito beugte sich ein wenig nach links, um zu sehen, wie lang die Schlange noch war, als eine Person seine Aufmerksamkeit erregte. Die Person war nicht besonders groß, und trug eine Kleidung, die verriet, das es sich nicht um einen der Angestellten des Dai Kaios handeln konnte, da diese immer in einem grünen Hemd und einer dunkelgrüne Hose –ihrer Arbeitskleidung- zu sehen waren. Das an sich war nichts ungewöhnliches, jeder hier in der Schlange trug seine eigene Kleidung, schließlich waren sie noch keiner Stelle zugeteilt oder sie wollten eine neue Anstellung, also waren sie im Moment nirgends zugehörig. Was Kibito allerdings an diesem Jemand auffiel, war das er offenbar die Frechheit besaß, zu glauben, die Regeln hier würden für ihn nicht gelten. Wie selbstverständlich ging er auf die Stufen zum Eingang des Palastes zu und kümmerte sich nicht um die Wartenden. Ziemlich wütend verließ Kibito das Ende der Schlange und lief hinter der unverschämten Person her. Als diese gerade einen Fuß auf die Erste der steinernen Stufen setzte, blieb Kibito stehen. Er war jetzt fast ganz vorne angelangt.
„Hey du da! Was fällt dir eigentlich ein?“ Die Person blieb stehen, und drehte sich mit Kopf und Oberkörper ein wenig zu Kibito um.
„Entschuldigung, meinen sie mich?“
„Natürlich, wen denn sonst? Was denkst du dir dabei, dich hier einfach vorzudrängeln? Wir stehen hier schon seit mehreren Stunden und müssen warten, das gilt für alle! Wenn du zu dem Dai Kaio willst, dann stell dich gefälligst hinten an! Die Schlange ist hier schließlich nicht zum Spaß!“ Kibito zeigte mit einer deutlichen Armbewegung auf die lange Schlange wartender Jenseitsbewohner. Der Fremde hielt sich nicht an die Vorschriften, das war etwas, was er gar nicht leiden konnte.
Er rechnete damit, das sein Gegenüber nun versuchen würde sich mit einer Ausrede aus der Sache herausreden, oder das wütend werden würde, aber mit dem, was wirklich folgte, rechnete er nicht: Der Unbekannte hob erst eine Augenbraue, und bedachte ihn dann mit einem Blick, der sowohl Verwunderung als auch Heiterkeit ausdrückte. Dann nahm er den Fuß von der Stufe und meinte freundlich: „Ich bitte vielmals um Entschuldigung, für mein unhöfliches Verhalten. Du hast Recht; wer heute zum Dai Kaio will, muss sich in der Reihe anstellen. Das gilt dann natürlich auch für mich.“
Mit einem Lächeln drehte der Unbekannte sich um und schritt ruhig auf das Ende der Schlange zu.
Einen Moment lang verwirrt blickte Kibito hinterher, dann beeilte er sich, wieder an seinen Platz zu kommen. Er wollte keineswegs hinter dem Unbekannten stehen, hier zählte wahrlich jeder Meter. Nur einen Augenblick später stand er wieder dort, von wo er losgelaufen war. Und kurz darauf trat auch schon der Fremde hinter ihn, um seinen Platz in der Reihe einzunehmen.
Kibito, der ziemlich groß war –mit Sicherheit einer der Größten der hier anwesenden, sah hinunter zu ihm. Der Fremde ging ihm gerade mal bis etwas über die Hüfte. Kibito war es gewohnt, das die meisten Jenseitsbewohner kleiner waren als er, aber dieser musste auch für die Anderen ziemlich zierlich erscheinen und er meinte grinsend: „Es war gut für dich, das du dich so schnell an die Regeln gehalten hast. Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann sind es Leute, die Unruhe stiften.“
Der Fremde sah auf. „Wenn ich mir die Frage gestatten dürfte, was hättest du denn mit mir gemacht, wenn ich einfach weiter gegangen wäre?“
„Ganz einfach: Ich hätte dich höchstpersönlich vom Vorhof des Palastes entfernt.“
Wieder sah der Fremde amüsiert aus und äußerte dann ein „Verstehe.“
Kibito konnte diese Rektion nicht nachvollziehen. >Ich werde aus diesem Kerl nicht schlau. Erst begeht er eine Dreistigkeit sondergleichen, dann entschuldigt er sich in aller Form dafür, und nun freut er sich scheinbar über die Tatsache, das er beinahe ziemlichen Ärger mit mir und sicher auch dem Dai Kaio bekommen hätte. Ach was soll’s, eigentlich geht es mich ja auch nichts an.< Also blicke Kibito wieder nach vorn. Die Schlange war in der Zwischenzeit nicht kürzer geworden. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er endlich dem Dai Kaio seine Bitte vortragen könnte.

Sehr viel später, als etwa hundert Jenseitsbewohner beim Dai Kaio gewesen waren, wurde Kibito von dem Fremden hinter ihm erneut angesprochen: „Ist dir auch aufgefallen, das nun seit geraumer Zeit niemand mehr in den Palast gebeten wurde, obwohl der letzte Besucher die Hallen längst verlassen hat? Das ist ungewöhnlich.“
Kibito stutzte. „Jetzt, wo du es erwähnst...“ Kibito trat einen Schritt zu Seite, um besser sehen zu können, was sich ganz vorn bei dem Eingang tat. Dort tat sich ... nichts. Und da war noch etwas, was Kibito verwirrte.
„Die Palasttür ist ja geschlossen!!“
Diese Aussage veranlasste auch die vor ihm stehenden nun ebenfalls einen Blick zur Seite zu werfen. Ein Raunen setzte ein. Niemand konnte sich erklären, warum die Tür geschlossen war. Sie stand in der Regel immer offen. Das Raunen wurde zur Unruhe, als man bemerkte, das auch von den Angestellten des Dai Kaios niemand mehr zu sehen war.
„Und was jetzt?“
„Warum geht es nicht weiter?“
„Wer hat die Tore geschlossen?“
„Sollte nicht jemand in den Palast gehen, und fragen, was los ist?
„Tu’s, wenn du Mut hast.“
„Was bedeutet das?“
„Das ist kein gutes Zeichen.“
„Hey, was soll nun aus uns werden?!“
Dies und ähnliche Sätze waren im gesamten Vorhof zu hören.
„Merkwürdig...höchst merkwürdig“ meinte nun auch Kibito. Während er überlegte, was er nun am besten tun sollte, bemerkte er, das der Fremde hinter ihm im Begriff war, nach vorne zu gehen.
„Hey, warte, was hast du vor? –Wo willst du hin?“
Der Fremde sah ihn über die Schulter hinweg an und meinte dann: “Ich werde nachfragen, warum es nicht weitergeht.“
„Darüber werden sie sicher nicht begeistert sein! Was immer der Grund für die Verzögerung ist, ich bin mir sicher, er ist von höchster Wichtigkeit und duldet keinen Aufschub. Wenn du sie störst, wird das sicherlich unangenehme Folgen haben.“
Der Fremde lächelte.„Ich danke dir, für deine Sorge um mich, aber ich denke, ich weiß, was ich tue.“
„Wer spricht denn von DIR? –Wenn du dort hineingehst und fragst, wirfst du vielleicht ein schlechtes Licht auf uns! Wir könnten als ungeduldig angesehen werden, und das passt mir
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