Bloody Honeymoon-The lost Bridal Night
Erster Part
Zweiter Part
Seit Jonouchis Zusammentreffen mit dem weißhaarigen Mädchen waren bereits mehrere Wochen vergangen. Inzwischen war es nicht nur kälter – es hatte sogar schon einmal geschneit. Der letzte Monat des Jahres hatte begonnen.
Jonouchi hatte niemandem von dem Mädchen erzählt, nicht einmal Yugi. Er hatte sie seitdem nicht mehr gesehen, doch das störte ihn im Grunde nicht weiter. Trotzdem fragte er sich immer wieder, was sie dort gesucht hatte, warum die Jun-gen eigentlich hinter ihr her waren und ob sie wieder mit ihnen zusammengetroffen sein könnte.
Atsui Sekitan (bedeutet übrigens „Heiße Kohle“) lautete der Name der neuen Lehrerin, die in Jonouchis Klasse Geschichte unterrichtete. Sie hatte pechschwarzes Haar, dunkle Augen und ein hitziges Temperament. Niemand, nicht einmal die schlimmsten Störenfriede der Klasse, wagten es mit ihr aufzunehmen. Die junge Frau fackelte nicht lange – wer bei ihr nicht spurte oder irgendwie unangenehm auffiel schrieb Strafarbeiten bis ihm die Birne rauchte. Obwohl sie streng war, mochten die Schüler sie besonders gern, denn ihr Unterricht wurde nie wirklich langweilig. Vor allem die Mädchen bewun-derten ihre impulsive Lehrerin für ihr Selbstbewusstsein und ihre Art, mit dem anderen Geschlecht umzuspringen.
Fräulein Sekitan hatte sie Angewohnheit, wie ein Sturm in das Zimmer zu rauschen, sodass Schüler, die soeben noch in Gespräche vertieft waren, ihren Sitzplatz erst erreichten, wenn sie längst hinter ihrem Pult stand. Manche versuchten sich zu beeilen, manche stolperten dabei.
Als sie an diesem Morgen das Zimmer betrat, kehrte ungewöhnlich schnell Ruhe ein. Die junge Lehrerin sah sich in der Klasse um, bemerkte einen leeren Tisch in der hintersten Reihe, der nicht leer sein sollte, und schaute finster. Dann rich-tete sie das Wort an die Klasse: »Ich wünsche euch einen guten Morgen.« Die Schüler erwiderten ihren Gruß, dann fuhr sie fort. »Ich will euch nun zwei neue Mitschülerinnen vorstellen. Tut mir einen Gefallen und benehmt euch anständig.«
Die Tür wurde geöffnet und die Lehrerin wandte sich zur Tafel. Die Schüler beobachteten die beiden Mädchen, die lang-sam den Raum betraten: zuerst eine Kleine mit kinnlangem, welligen, feuerroten Haar, danach eine etwas größere, doch nicht größer als die anderen Mädchen der Klasse, mit langen weißem Haar bis auf die Schultern ...
Jonouchi klappte der Mund auf. Das war sie! Das musste sie sein!
Die beiden Mädchen gingen bis zum Pult und drehten sich mit dem Gesicht zur Klasse. Die kleine Rothaarige lächelte fröhlich, doch die Weißhaarige schien eher etwas nervös. Sie sah nicht direkt in die Klasse und hatte Jonouchi offenbar noch nicht bemerkt. Fräulein Sekitan hatte indessen die Namen der beiden an die Tafel geschrieben.
Kashiwa. Haruko und ... Natsuko?
Die Lehrerin rieb sich den Kreidestaub von den Händen und trat an ihr Pult zurück. Einer der Jungen hob die Hand, sprach aber ohne aufgefordert zu werden: »Der gleiche Name? Sind die beiden etwa Schwestern?«
»Wir sind Cousinen«, gab die kleine Rothaarige zur Antwort.
Fräulein Sekitan strafte den Jungen mit einem bösen Blick, woraufhin dieser den Kopf einzog. »Ich wünsche, dass ihr die beiden freundlich und respektvoll behandelt«, sagte sie mahnend. »Wenn ich nur eine Beschwerde ihrerseits höre, fliegen hier die Fetzen – haben wir uns verstanden?«
»Jaaa«, riefen die Schüler im Chor, doch es klang eher gelangweilt. Es war kein Versprechen. Die beiden sahen gut aus, wirklich hübsch, also würden sie vor den Sprüchen und Anmachen der Jungen kaum verschont bleiben.
Jonouchi legte den Kopf schief und betrachtete die Namen der beiden an der Tafel. Ihre Vornamen bestanden aus jeweils zwei Zeichen. Das erste stand für eine Jahreszeit, also Haru für Frühling und Natsu für Sommer. Die neuen Mädchen er-zählten von sich. Haruko, die Weißhaarige, nur sehr wenig, Natsuko dafür umso mehr. Die Schüler sahen sich ungläubig an, als der Rotschopf erzählte, sie hätte noch zwei Cousinen namens Akiko und Fuyuko. (Herbst und Winter).
Jetzt hatte Haruko Jonouchi bemerkt, doch sie schien nicht überrascht. Nein, sie lächelte sogar. Sie lächelte ihn an, was den anderen natürlich nicht entging. Yugi, der direkt neben Jonouchi saß, schaute ziemlich verwirrt drein.
Fräulein Sekitan wollte gerade zu einer weiteren Predigt ansetzen, als die Tür aufgerissen wurde. Verärgert fuhr ihr Kopf herum, und auch die beiden Neuen, sowie alle anderen Schüler blickten zu dem braunhaarigen Jungen, der völlig atem-los in der Tür stand.
Die Lehrerin zog hörbar tief Luft ein. »Aha, Herr Kaiba. Beehren Sie uns auch mal wieder mit Ihrer Anwesenheit?«
Einige Schüler kicherten verhalten. Seto Kaiba zog ein böses Gesicht.
»Schön, dass du dich mal wieder blicken lässt.« Fräulein Sekitan stemmte die Arme in die Hüften. »Aber du bist den-noch zu spät. Du wirst draußen vor der Tür warten.«
Die Schüler staunten. Niemandem war die Spannung zwischen ihrer neuen Lehrerin und Seto Kaiba entgangen, und doch überwältigte es sie geradezu, dass diese forsche junge Frau ihn so einfach aus dem Zimmer verweisen konnte. Jonouchi hätte am liebsten sofort losgebrüllt, so sehr amüsierte ihn diese Szene.
Bevor Seto Kaiba etwas erwidern oder sich rechtfertigen konnte, hatte die Lehrerin ihn in den Flur gescheucht. Sie folgte ihm sogar dorthin, und obwohl sie die Tür hinter sich zuzog, konnte man hören, wie sie ihren ganz speziellen Liebling eine Standpauke hielt.
Yugi grinste verlegen. »Armer Kaiba. Sie scheint's wirklich auf ihn abgesehen zu haben.«
»Wieso arm?« Jonouchi lehnte sich zu ihm rüber. »Das geschieht ihm ganz recht. Erst kreuzt er hier ewig nicht auf und dann auch noch zu spät. Wenn das einem von uns passieren würde, würde sie uns genauso in die Mangel nehmen – und für ihn gelten immer noch die gleichen Regeln.«
»Was ist los mit dir, Jonouchi?« Anzu warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Bist du so verbittert?«
»Aber es stimmt«, bemerkte Yugi. »Bisher hat sich kein Lehrer getraut, Kaiba in die Schranken zu weisen, und Fräulein Sekitan scheint ihn gern bloßzustellen ...«
»Entschuldigung?« Natsuko hatte sich zu Yugi vorgebeugt. »Dieser Junge eben ... war das etwa wirklich Seto Kaiba?«
»Äh ... ja.«
»Er ist in unserer Klasse?«
»Klar.«
Jonouchi, der den Wortwechsel der beiden mitverfolgt hatte, bemerkte, wie Natsuko ihrer Cousine einen besorgten Blick zuwarf. Haruko hatte die ganze Zeit zur Tür gestarrt und weder das Gespräch zwischen Yugi, Anzu und Jonouchi, noch das ihrer Cousine und Yugi mitbekommen. Sie horchte, was sich vor der Tür abspielte.
»Mir ist es gleich, aus welchem Grund du zu spät gekommen bist«, wiederholte Fräulein Sekitan zum dritten Mal. »Ich weiß, dass du neben der Schule andere, vielleicht wichtigere Dinge zu tun hast, und ich bin ziemlich sicher, dir nichts mehr beibringen zu können. Aber es ist dennoch deine Pflicht, zum Unterricht zu erscheinen.«
»Das weiß ich selbst«, erwiderte Seto Kaiba murrend. »Sonst wäre ich nicht hier.«
»Ich habe nicht angenommen, dass du freiwillig hier bist.« Die Lehrerin wandte sich zum Gehen, hielt aber noch einen Moment inne, ehe sie nach der Tür griff. »Du wirst hier warten, bis die Stunde vorbei ist«, sagte sie. »Und in der Pause schreibst du den Test nach, den du letzte Woche versäumt hast.«
Nachdem sie endlich ins Klassenzimmer zurückgekehrt war, teilte sie ihren neuen Schülerinnen erst einmal einen Platz zu. Natsuko setzte sich direkt hinter Bakura, Haruko bekam den Platz neben Kaiba, was ihr entweder nicht sonderlich gefiel oder sie beunruhigte. Offensichtlich fühlte sie sich hier nicht besonders wohl.
In der Pause versammelten sich Yugi, Jonouchi, Anzu, Honda und Bakura. Natsuko gesellte sich zu ihnen, doch Haruko sah ihr unsicher nach. Es war ihr nicht anzusehen, ob sie nicht mitkommen wollte oder sich nur nicht traute.
»Haru-chan.« Natsuko zog ihre Cousine zu sich. »Zier' dich doch nicht so, die sind alle hier ganz nett.«
Jonouchi beugte sich ein Stück zu den beiden runter. »Das weiß sie doch«, sagte er lächelnd, doch Haruko sah ihn nicht an. »Kennst du mich eigentlich noch?«
Haruko reagierte nicht auf seine Frage, doch Natsuko sah verdutzt zwischen den beiden hin und her. »Was denn? Bist du etwa der blonde Wuschelkopf, von dem sie erzählt hat?«
Yugi, Anzu, Honda und Bakura sahen einander verwirrt an. Jonouchi kratzte sich verlegen am Kopf. »Das hab' ich euch ja gar nicht erzählt, nicht wahr?«
»Dann erzähl' es jetzt und lass uns nicht dumm sterben«, nörgelte Anzu.
Jonouchi erklärte seinen Freunden grob, was passiert war. Er erwähnte nicht, dass Haruko die drei Typen zunächst selbst in die Mangel genommen hatte. Nachdem er fertig war, nahm Honda ihn in den Schwitzkasten.
»Du, was treibst du immer nur dann, wenn ich nicht dabei bin?«, maulte er. »Haust einfach ab und lässt mich da dumm stehen! Und dann allein den Helden spielen, was? Das sieht dir ähnlich!«
Jonouchi befreite sich aus seinem Griff. »Red' keinen Scheiss. Die Typen waren die totalen Schwächlinge. Mit denen wäre sogar Bakura fertig geworden.«
»Was, ich?« Bakura hob abwehrend die Hände. »Ich hab' mich noch nie geprügelt, das weißt du doch.«
Jonouchi wandte sich wieder an Haruko, doch seine Worte blieben ihm im Hals stecken. Das Mädchen starrte ihn finster an, so als hätte er sie gerade in ihrem Beisein beschimpft. Nun, wo sie ihn zum ersten Mal direkt ansah, erkannte er endlich die Farbe ihrer Augen. Sie waren blau. Hellblau, und kalt wie Eis.
Mit einer ruckartigen Bewegung löste sie sich aus dem Arm ihrer Cousine und verließ das Zimmer. Die anderen sahen ihr irritiert nach. Natsuko stand vor lauter Verwunderung sogar der Mund offen.
Anzu runzelte die Stirn. »Was ist denn mit der los?«
»Das ist normal«, erwiderte Natsuko, die