Liebe auf den zweiten Blick

er nicht mehr zu halten gewesen. Doch wie sie ihn so betrachtete, schien auch dieser raue Mann einen weichen Kern zu besitzen. Er sah in einem gewissen Sinne vielleicht sogar verletzlich aus. Seine Haare, sonst unzähmbar, hingen schlaff an dem Kopf hinunter. Es hatte während des Trainings regnen müssen, selbst Stürme waren um diese Jahreszeit vollkommen normal.
Es schienen Minuten zu vergehen in denen die beiden sich nur ansahen und versuchten das tiefere Innere des anderen zu ergründen. Jahre schienen zu vergehen als James es endlich schaffte seinen Körper aus der Starre zu lösen. Es war kein weiter Weg bis zu ihren Sachen. Sie lagen vielleicht einen halben Meter hinter ihm, doch jener schien ihm unendlich vorzukommen. Könnte ich doch nur länger bei ihr bleiben, sehnte sich sein Herz. Doch ohne einen weiteren Gedanken an die Tagträume zu verschenken, griff er nach ihrem Bademantel. Er war ganz weich und ihre Initialen waren eingestickt. Lily Evans
Im nächsten Moment wurde ihm jedoch erst klar, was das alles bedeuten würde. Sie würde sich aus dem Wasser erheben und mit großer Wahrscheinlichkeit nichts anhaben. Allein bei diesem Gedanken lief er wieder rot an. So hatte er sich schon Ewigkeiten nicht mehr gefühlt, wenn er sich dennoch jemals so gefühlt hatte. Sicherlich, sie wäre nicht die erste Frau in seinem Leben, doch sie war etwas ganz Besonderes. Seit Jahren umwarb er sie mit allen Mitteln, versuchte immer charmant zu sein, doch sie sah ihn nie, ging an ihm vorbei und würdigte ihm keines Blickes. Es war deprimierend und vielleicht drehte er deshalb so oft auf und beging mit den anderen drei Jungen Dinge, die sie lieber lassen sollten. Es war schon ein eigenartiger Kreislauf, doch wollte James der jungen Frau damit nicht die Schuld an den Streichen und Gemeinheiten zuschieben. Zumal er doch wegen ihr angefangen hatte ruhiger und besonnener zu werden, es war mit Sicherheit nicht nur der Posten als Schülersprecher.
Dann stand er endlich wieder vor ihr. Im ersten Moment wusste James nicht wirklich, was er tun sollte, doch dann übergab er ihr einfach das Handtuch und legte den Mantel auf den Boden. „Ich…“, doch weiter kam er nicht, sondern tat lieber sofort, was er sonst gesagt hätte. Er drehte sich um und stierte zur Tür. Er konnte hören, wie sie sich aus dem Wasser erhob. Vor seinem inneren Auge stellte er sich vor, wie die Wassertropfen sanft ihren Körper hinab perlten, sich auf dem Boden sammelten. Wäre er doch nur einer dieser Tropfen, er würde ewig verweilen wollen. Doch zwang sich der junge Mann weiterhin nach vorn zu blicken, er verkeilte die Finger ineinander als wolle er sich damit weiterhin dazu anhalten nicht nach hinten zu blicken. Es war verlockend, er würde gern sehen, wie sie ohne etwas aussah. Die Schuluniform ließ selten viele Blicke zu und außerhalb der Schule hatte er Lily nur selten gesehen. Noch nicht einmal in Hogesmeade war ihm aufgefallen, dass er sie ohne Uniform gesehen hätte. Hatte sie keine andere Kleidung? Oder fühlte sie sich in der Uniform am Wohlsten? Sobald er konnte, flogen die Sachen in die Ecke und er kramte in seinem Koffer nach Bequemeren.
„Du kannst dich wieder umdrehen, James“, drang ihre zarte Stimme an sein Ohr. Da stand sie nun vor ihm. In ihren Bademantel gewickelt und ihn anblickend. Wenn er gekonnt hätte, so wäre keine Sekunde vergangen und er hätte sie in den Arm geschlossen. Doch so großmäulig wie er oft war, umso kleiner und schüchterner schien er nun zu sein. „Ich…gehe dann jetzt“, und damit schritt sie leichtfüßig an ihm vorbei.
Er traute sich kaum ihr nachzublicken, es war alles so eigenartig neu für ihn. Unmerklich schluckte er, versuchte irgendwoher noch etwas Mut zu holen, da ihm das Herz bis in die Knie gerutscht war.
„Lily?“, rief er ihr einfach nach als sie schon an der Tür stand.
„Ja?“
„Lily…wäre es…ich meine, nur wenn es dich auch nicht stört…wäre es möglich, dass du mir…“
Doch anstatt auf den Rest der Frage zu warten, nickte sie sachte. „Ich helfe dir nachher bei dem Aufsatz“, und schon war sie aus der Tür verschwunden.
Sofort machte sein Herz einen großen Satz. Er konnte sein Glück kaum fassen. Er würde mit ihr nachher zusammen sein können, neben ihr sitzen und sie beobachten. Sie sah, so empfand es James, einfach nur niedlich aus, wenn sie über ihren Büchern saß und etwas schrieb. Ihre Stirn legte sich hin und wieder in kleine Falten, ihre Mundwinkel zuckten. Zufrieden seufzte er und konnte nun auch sein Bad begehen.
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