Liebe auf den zweiten Blick
Winzschrift, die bisher jeder Lehrer beklagt hatte, denn selbst mit einer Lupe konnte man es kaum erkennen. Doch hatte diese etwas ganz besonderes. Und James wurde abermals klar, dass sie viel gewissenhafter war als er selbst. Sie arbeitete wirklich und bereitete sich auf die Schule vor. Eigentlich sollte er sie mal auf einen der Streifzüge mitnehmen, damit sie aus diesem Alltag entfliehen konnte. Ob sie Weihnachten hier war? Dann hätte er mit Sicherheit die Chance sie zu entführen. Oder zumindest mit ihr auszugehen. Ob sie wieder die schönste Frau beim Abendessen sein würde?
So sehr in seine Gedanken versunken, bemerkte er gar nicht, wer hinter ihm auftauchte und über seine Schulter schielte. Aber eigentlich brauchte er das auch nicht sehen, denn es war ihm klar, dass es nur einer sein konnte, der ihn so früh am Morgen schon belästigte.
„Tatze“, murmelte er und ließ die Rollen wieder zusammenschnellen. Dann wandte er den Blick nach hinten und sah dessen schwarzen Haare bald in sein Gesicht hängen. „Wie wär’s mit ’nem Besuch beim Glatzenschneider?“
„Gute Idee“, kam es nur ironisch zur Antwort. Sirius gähnte einmal herzhaft und ließ sich neben seinen Freund fallen und blickte auf die Rollen. „Lily?“
Als Antwort bekam er ein stummes Nicken, dann ging James schon auf die Suche nach seinen Schreibsachen.
„Alter, hast du Hausaufgaben wirklich nicht gemacht? Nicht mal angefangen?“
„Doch, doch“, murrte er und wühlte alle Tische durch. Sein Zeug hatte er nämlich am gestrigen Abend nicht mehr nach oben gebracht, da er ja dachte, sie würde am Abend noch ein oder zwei Stunden für ihn haben, doch daraus wurde nun leider nichts. „Angefangen…die ersten zwei Seiten oder so gelesen“, zuckte er mit den Schultern und stürzte sich weiter in den ganzen Papierkram. Das Sirius schon lange mit Pergament und Federkiel winkte, schien ihn kaum zu interessieren.
Die Stunden bis zum Frühstück verbrachten die beiden jungen Männer damit alles abzuschreiben, zumindest suchten sie sich nach ihrer Meinung das Beste von alledem heraus, denn Lily hatte keinen der Fakten ausgelassen. Sicherlich hatte sie auch wieder Dinge herausgefunden, die nicht einmal der Lehrer wusste und sie wieder alle ausstechen könnte. Manchmal war es auch einfach hilfreich, wenn sich Lily aufopferte, denn dann wurde es hinfällig, dass andere die Aufgaben abzugeben hatten.
Peter stapfte kurz vor sieben Uhr langsam die Treppen runter und rieb sich noch die Augen. Er hatte wieder bis in die Nacht irgendeinen Roman gelesen, zumindest gab er dies vor, obwohl alle anderen der Meinung waren, er würde Selbstgespräche führen. Aber das brachte auch nichts, er sagte nie etwas.
„Hunger“, murmelte er und ging zu den beiden anderen heran.
„Moony?“
„Der ist krank…schau doch mal auf den Kalender“, kam es eher gelangweilt von James, der endlich die letzten Worte aufschrieb. Er hatte es wirklich noch geschafft die Hausaufgaben zu machen.
„Ach, ist schon wieder Vollmond?“, murrte Sirius und erhob sich dann. „Ich geh mal nach ihm schauen“
„Tu das…wir gehen dann nachher schon mal vor“, und mit diesen Worten ging Peter auch schon vor.
„Sage mal, du kleiner Missetäter…wirst du wohl auf mich warten?“, knurrte Sirius sofort.
„Jungens, nun macht mal halblang…“, versuchte James nun den Streit zu schlichten, doch es brach abermals ein lautes Wortgefecht zwischen den beiden Freunden aus. Es blieb ihm nichts mehr als mit den Augen zu rollen und selbst nach oben zu gehen. Wenn sie beiden sich lieber streiten wollten, so hatte wenigstens James vor nach seinem Freund zu sehen, der an diesen Tagen immer zu nichts mehr zu gebrauchen war.
Leise betrat er das Zimmer und sah den jungen Mann wieder nur halbtot auf dem Bett liegen. Der Anblick schmerzte, aber sie waren von Remus seit sie ihn kannten kaum etwas anderes gewöhnt. Es war soundso ein Wunder, dass er noch immer an dieser Schule war. Es war allein Dumbledores großem Herzen zu verdanken, dass der Junge zu einem Zauberer ausgebildet werden konnte. Doch ob er es später dadurch einfacher haben würde, war fraglich.
„Peter und Sirius, hm?“, fragte Remus nur schwach und versuchte sich aufzusetzen. Er hatte sich gestern schon nicht wohlgefühlt, doch heute war es wieder besonders schlimm. Die Verwandlung hatte nur ein Gutes und das war, dass es ihm übermorgen schon wieder besser gehen würde.
Mit einem dünnen Lächeln nickte James, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu Remus ans Bett. „Die beiden können es einfach nicht lassen“, setzte er noch hinten an und lehnte sich zurück. „Und bei dir?“
„Das Übliche, weißte doch. Aber na ja…nach dreizehn Jahren kaum mehr was Neues“, versuchte er zu scherzen, legte sich jedoch lieber wieder richtig in das Bett. Die Decke zog er sich beinahe bis zur Nasenspitze hinauf, er wollte gar nicht wissen, wie elend er an diesen Tagen aussah. Sicherlich wie ein Phönix.
„Na ja, dann können wir ja heute Abend ne Runde durch Hogesmeade, ne? Waren lange nicht mehr da unten. Nächstes Wochenende wäre erst wieder der Termin um dort ein paar Stunden zu verbringen“
„Und in den Ferien, hab mal nachgeforscht. Um Weihnachten dürfen wir auch runter, sind ja nicht so sonderlich viele hier“
„Ich weiß…bleibst du denn hier? Tatze ist hier, Peter will wohl nach Hause. Ich bleib natürlich auch“
Doch darauf bekam er nur ein Achselnzucken. Eigentlich hielt es Remus nirgendwo. Nach Hause wollte er nicht, aber hier bleiben mochte er auch nicht. Dennoch hatte er niemanden, wo er sonst hinsollte. Er kam sich immer so überflüssig vor, wenn Peter nicht da blieb. Dann hingen Sirius und James ununterbrochen beieinander, scherten sich nur um ihre Späße. Da fiel ihm aber noch etwas anderes ein, was in den Ferien wäre.
„Ich denke, ich bleibe“, meinte er dann doch eher beiläufig und drehte sich etwas auf die Seite.
„Das würde uns alle freuen, glaube mal. Stellen wir die Schule etwas auf den Kopf“, grinste James nun doch wieder breit.
„Hey ihr Turteltauben“, betrat Sirius nun auch wieder ins Zimmer und setzte sich auf Remus’ Bett, so dass jener gerade noch die Chance hatte seine Beine einzuziehen ehe sich der Kumpel dort draufplatzieren würde.
„Pass doch auf“, raunte er.
„Ja ja, tu ich nächstes Mal, Moony“, grinste der junge Mann und streckte sich einmal. „Peter wartet unten, notgedrungen“ Und das vielsagende Grinsen, dass auf seinen Lippen lag, konnte kaum lügen. Hatte sich Sirius also wieder einmal durchsetzen konnte. Aber was erwarteten sie bei ihm? Er war ein starker Charakter mit noch stärkeren Argumenten.
„Sollen wir dir was bringen, Remus?“, fragte James noch als er sich schon von seinem Platz erhob. Den Stuhl ließ er stehen, denn ihm war klar, dass der Liegende heute freiwillig nicht mehr aufstehen würde. Es war immer besser, wenn er liegen blieb.
„Nein, lasst mal“, grinste er nur ein wenig. „Ich bekomm schon was, hab dafür gesorgt“
„Red nicht“, und damit setzte sich James doch wieder. Das interessierte ihn nun doch wieder. Wer würde es sein, der ihn mit Essen versorgte, wenn sie es nicht waren?
„Frag ihn später“, meinte Sirius nur und zog den Brillenträger wieder nach oben. „Ich schieb Kohldampf, also beweg deinen Hintern. Bis dann, Remus“, meinte er noch kurz und verschwand dann auch schon aus dem Zimmer.