Liebe
Ein freiwilliger und ein Zwangsurlaub
Sie standen auf einem Grabhügel aus altkeltischen Zeiten und küssten sich leidenschaftlich. Die Dämonin hielt plötzlich inne und sah den sechsgeflügelten Engel an. „Hast du keine Angst?“, fragte sie ihn. Er lächelte nur milde. „Wovor denn?“ Sie senkte den Blick. „Vor Gottes Zorn. Ewig werden uns deine Schilde nicht vor seinen Blicken verbergen“ „Hast du denn Angst vor des Teufels Zorn? Oder vor dem Zorn deines Vaters Azazel?“ Sie schüttelte den Kopf. Warum sollte sie auch, der Bannkreisspruch, den sie ihrem Onkel abgeluchst hatte, war mächtig genug, um sie auch vor Luzifers Augen abzuschirmen. Aber sie wusste aus alten Erzählungen, dass alles im Himmel von Gott überwacht und gelenkt wurde. So mit Sicherheit auch die Sprüche, die Terrael für sie schrieb, damit sie nicht entdeckt wurden. Er schien sich keine Sorgen darum zu machen, sondern hob ihren hübschen Kopf nahe zu seinem und küsste sie wieder auf seine eigene, wunderbare Art, die sie so an ihm liebte. In diesen Momenten vergaß sie den Zorn Luzifers, Azazels oder Gottes. So wie es war, als sie sich zum ersten Mal gesehen hatten, vor einigen Wochen in einer kleinen Stadt…
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Ein freiwilliger und ein Zwangsurlaub
„Ich soll bitte waaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaas?“Azalea starrte ihren Vater entgeistert an. Der stand auf seinen Bocksbeinen und mit seinem stolz erhobenen Ziegenkopf grinsend da. „Du hast mich schon verstanden, Tochter. Du sollst für zwei Monate in die Menschenwelt gehen und dort lernen, wie man richtiges Unheil verursacht. Wenn du das richtig machst, dann schwächst du die Macht Gottes“ er spuckte aus „und ebnest so den Weg für unsere Höllenarmeen.“ Azalea glaubte nicht, was sie eben gehört hatte. Ausgerechnet die Menschenwelt! Was hatte sie denn angestellt, das sie da rauf musste? Da oben gab es mit Sicherheit einen Haufen Engel. Außerdem hatte ihr Onkel ihr erzählt, dass es sehr schwer war, einen gläubigen Menschen den Glauben abzuluchsen. „Warum denn ausgerechnet ich?“ Ihr Vater sah sie streng an. „Weil du meine Tochter bist, Azalea. Du bist eine hochranginge Dämonin, und wirst eines Tages meinen Platz als Heerführerin der Höllenarmeen einnehmen. Du musst lernen, mit den Menschen umzugehen, wie man ihnen am besten schadet, wie man sie verletzt, so dass es richtig wehtut. Außerdem sind ja nur zwei Monate. Das überstehst du schon.“ Sie machte einen Schmollmund und große Augen. „Muss ich wirklich?“ „Keine Wiederrede! In spätestens einer Stunde stehst du abreisebereit wieder hier, ist das klar?“, polterte der riesige Dämon auf sie herunter. „Und jetzt geh!“
Die beiden Seraphim wandelten durch den immergrünen Garten ihres Herren und unterhielten sich über dies und das. Terrael kam schließlich auf das Thema Menschen zu sprechen. Sein Weggefährte Cherubim erzählte ihm etwas bitter: „Die Menschen erkennen nicht, was Gott ihnen gegeben hat. Sie vergessen, wer ihnen diese Welt geschenkt hat. Sie geben sich dem Alkohol, den Drogen und dem Schlechten hin, sie werden zu einem gefundenen Fressen für den Teufel und seine Dämonen.“ Er schüttelte den Kopf. Terrael sah auf die Erde hinunter. Er hatte sie noch nie aus der Nähe betrachtet und hörte immer gespannt zu wenn andere Engel von ihren Besuchen auf der Erde berichteten. Doch schieden sich hier die Geister. Manche meinten, die Erde wär ein wunderschöner Ort, wo es sich trotz der auftretenden Spannungen zwischen den Menschen gut leben ließe. Andere, wie Cherubim, behaupteten, die Menschenwelt wäre ein Ort der Orgien und Exzesse, den der Teufel ohne sie schon fest in seiner Macht hätte. Doch Terrael wollte mit eigenen Augen sehen, wie die Menschen waren. Wie er so darüber nachdachte, vergas der, das Cherubim Gedanken lesen konnte. „Dann geh doch mal hinunter und mache dir ein eigenes Bild von den Menschen“, schlug er vor. Überrascht sah Terrael ihn an. „Und du meinst, das geht?“ Cherubim nickte. „Natürlich, warum sollte es nicht? Ich werde das mit Metatron schon abklären. Und nun mach, dass du auf die Erde kommst und vergiss nicht, dich zu verwandeln. Die Menschen sind sechsgeflügelte Wesen nicht gewohnt.“ Terrael lachte und flog auf seinen sechs Schwingen der Erde entgegen.