Kapitel 3

Der Engel der Revolution

Die Rückkehr

Am 26. August 1789 wurden die Menschen- und Bürgerrechte verabschiedet. Alle Menschen waren nun gleich.
André und Oscar konnten endlich heiraten.
Überall in Paris wurden Feste gefeiert.
Oscar und André hatten mittlerweile ein Haus in der Nähe von Rosalie und Bernard gefunden und waren dort eingezogen.
Dies hatten sie vor allem Alain und Bernard zu verdanken, die viele Freunde und Günstlinge hatten.
Auch Andrés Großmutter und Oscars ehemalige Kinderfrau hatte sich nach langen Überlegungen entschieden, die Familie Jarjaye zu verlassen und zu Oscar und André zu ziehen.
Und noch eine Überraschung hatte es gegeben.
Oscars Vater war so glücklich darüber, seine Tochter unter den Lebenden zu finden, dass er ihr sowohl das Sommerhaus in der Normandie und viel Geld überlassen hatte.
So konnten sie sich dieses Haus in einem besseren Viertel von Paris leisten.
Ab und an besuchten General de Jarjaye und seine Frau Oscar und André.
Ihre Majestät, die Königin hatte niemanden der Familie Jarjaye bestraft, trotz des Verrats, den Oscar begangen hatte, als sie die Seiten wechselte.
So konnte ihr Vater seinen Posten bei der Leibwache des Königs behalten und auch ihre Mutter blieb weiterhin Hofdame bei Marie-Antoinette.
Selbst Oscar hätte ihren Adelstitel behalten können.

Eines Tages erschien abermals unvorhergesehener Besuch.
„Oscar, es hat geklopft, kannst du mal bitte du aufmachen?“
Oscar lief die Treppe hinunter.
„Ich gehe schon. Girodelle, was macht ihr denn hier? Woher wisst ihr, wo wir wohnen?“
Freudig begrüßte sie ihren einstigen Stellvertreter des Garderegiments.
„Nun, über die Heldin Frankreichs spricht sich einiges herum.“
Lachte Girodelle.
„Schön habt ihr es hier.“
Oscar sah sich um.
„Ja, das stimmt. Aber nun mal ehrlich. Ihr kommt doch nicht von Versailles hierher, um zu schauen, wie wir wohnen.“
Sie führte ihren Besucher in ein geräumiges helles Zimmer.
„André, es ist Girodelle!“
Oscar gebot ihm Platz zu nehmen.
„André, musst du schon wieder fort?“
Sie zog ihre Stirn in Falten.
André gab ihr einen Kuss und streichelte ihren Nacken.
„Ja, Bernard und ich müssen zur Versammlung. Robespierre leitet sie. Amüsiert euch schön. Ich liebe dich, mein Engel.“
Girodelle senkte den Kopf.
Da war er wieder der Schmerz jemanden wie Oscar Jarjaye zu lieben.
„Girodelle, was habt ihr?“
Er zuckte zusammen und schaute auf, direkt in Oscars himmelblaue Augen.
Diese Augen…
„Nichts…“
Oscar nahm ihr Glas.
„Ich werde euch ewig zu Dank verpflichtet sein, dass ihr damals auf mich verzichtet habt und euren Heiratsantrag zurückgezogen habt.“
Flüsterte sie.
„Das ist wahre Liebe. Damit habt ihr mich zur glücklichsten Frau Frankreichs gemacht.“
Girodelle spürte eine tiefe Welle der Zuneigung und Liebe für Oscar.
„Erinnert ihr euch, dass ich einmal zu euch sagte, ich würde ohne Zögern die Seiten wechseln…“
Oscar schaute ihn verwundert an.
„Was…“
„Oscar, ich möchte euch bitten wieder meine Vorgesetzte zu werden und den Kommandantenposten zu übernehmen…“
Oscar setzte ihr Glas unsanft auf den Tisch.
„Ich denke, man hört allerhand von mir. Dann müsstet ihr auch gehört haben, dass ich keinen Adelstitel mehr habe und somit auch nicht das Garderegiment kommandieren kann. Außerdem will ich das auch gar nicht. Ich kämpfe auf der Seite des Volkes. Natürlich habe ich mir überlegt, als Soldat in der neuen Nationalgarde …“
„Ich weiß Oscar.“
Girodelles Stimme war ganz ruhig.
„Ich meinte auch den Posten als Kommandant der Nationalgarde.“
Oscar war sprachlos.
„Aber ihr…“
„Ich habe euch doch vorhin etwas gefragt…“
Sein Blick schien sie durchdringen zu wollen.
„Ich bin Hauptmann der Nationalgarde. Es wäre mir eine Ehre, wenn ihr unser Befehlshaber wärt. Die Männer wollen nur einen Kommandanten, Oscar Francois Jarjaye. Und der seid ihr.“
Oscar musste tief Luft holen, um sprechen zu können.
„Die Soldaten der Nationalgarde, von denen mich viele nicht mal persönlich kennen, wollen mich als ihren Befehlshaber? Eine Frau? Ist euch klar, dass ich eine Frau bin?“
Girodelle nickte.
„Genau deswegen lieben sie euch. Ihr habt Gefühle und seid eine Person, der die Soldaten in den Tod folgen würden. Ihr seid ein Mensch und keine Marionette. Sie verehren euch. Alain ist auch in der Truppe. Und fast alle Männer der Garde francais. Bitte überlegt es euch. Es ist jeden Tag um zehn Truppeninspektion. Ihr könnt ja einfach mal vorbei schauen.“
Noch lange nachdem Girodelle gegangen war, saß Oscar grübelnd vor dem Kamin.
Kommandant der Nationalgarde.
Bürger von Paris hatten eine Art Bürgermiliz ins Leben gerufen, der mittlerweile Soldaten aus ganz Frankreich beitraten. Sie war für den inneren Frieden im Land zuständig. Allerdings waren auch Aristokraten dabei, die immer wieder versuchten den Frieden und die Einheit der Garde zu sprengen. Auch Männer General de Bouliers dienten dort. Und er war immer noch General der königlichen Leibwache, womit er ihr Vorgesetzter war. Schließlich war König Ludwig immer noch Staatsoberhaupt und Chef der Militärs.
„Oscar, du bist noch wach?“
André gab ihr einen zärtlichen Kuss.
„Was hast du? Du bist so still.“
Oscar nahm Andrés Hand.
„Ach André. Was soll ich nur machen? Ich wurde mein ganzes Leben lang als Mann erzogen. Ich habe gelernt mit Schwert und Pistole umzugehen. Ich kann nichts, was für eine Frau typisch wäre. Wie soll es denn nun weitergehen? Ich möchte gerne das Leben einer Frau führen, an deiner Seite, aber ich kann meiner Leidenschaft als Soldat nicht entkommen.“
Oscar verbarg ihr Gesicht in den Händen.
„Ich bin keine Frau und kein Mann. Was soll ich nur machen?“
Verzweifelt schluchzte sie auf.
„Oh, André, hilf mir!“
Zärtlich nahm André ihre Hände.
„Ich liebe dich, so wie du bist und dafür was du kannst. Wenn du wieder in einer Kompanie sein möchtest, oder eine solche befehligen möchtest, dann werde ich hinter dir stehen. Egal, was du tust, ich werde dich immer lieben.“
Er setzte sich zu ihr und schenkte sich etwas Wein in ein Glas.
„Girodelle hat dir einen Posten als Kommandant der Nationalgarde angeboten, nicht wahr?“
Verwundert schaute Oscar in Andrés vergnügten Augen.
„Woher…?“
„Ach Oscar, auch ich habe viele Freunde gewonnen, die mir einiges erzählen. Zum Beispiel, dass sich viele Soldaten der Nationalgarde, in der ja viele von deiner ehemaligen Truppe mit von der Partie sind, keinen anderen Kommandanten vor die Nase setzen lassen wollen, als dich. Sie wollen niemandem anders folgen. Wenn du das möchtest, dann mache es.“
Sie küssten sich leidenschaftlich.
„Oscar, dein Herz wird immer für die Soldaten schlagen, die unter dir dienen dürfen. Und das macht dich zu dem einzigartigen Menschen, den ich so liebe. Nimm den Posten an und kämpfe weiter für das französische Volk.“
„Wie meinst du das?“
„Die Revolution ist noch nicht beendet, sie hat erst begonnen. Das Volk braucht seinen Engel der Revolution. Kehre wieder zurück.“

Einige Tage später stand Oscar vor dem Tor der Kaserne in der die Nationalgarde stationiert war.
Zögernd schaute sie sich um und wollte ihr Pferd schon wieder wenden, als Girodelle sie entdeckte.
„Oscar! Es war mir eine große Freude zu hören, dass ihr euch entschieden habt, den Posten anzunehmen.“
Freudig begrüßte er sie.
„Eure Uniform steht euch ausgezeichnet. Wir wollen gerade anfangen. Kommt einfach mit.“
Oscar zögerte.
„Wissen, die Männer, dass ich heute anfange?“
Girodelle winkte ab.
„Nein, sie wissen, dass wir einen neuen Kommandanten haben, aber nicht wen. Ich bin mir sicher, das wird eine schöne Überraschung, wenn ihr plötzlich dort auftaucht. Ich dachte, wir gehen folgendermaßen vor, ich sage ihnen, dass heute der neue Kommandant da ist und dann lasse ich euch die Inspektion durchführen.“
Oscar musste lächeln, als sie sich die verdutzten Gesichter vorstelle.
„Männer Aufstellung!“
Missmutig stellten sich alle in einer Reihe auf.
„Habt ihr gehört, heute kommt der neue Kommandant.“
„Ich werde ihm nicht gehorchen.“
„Es gibt nur einen Kommandeur für uns.“
Girodelle musste sich ein Grinsen verkneifen.
„Nun, wie alle mitbekommen haben, wird unser neuer Kommandant heute die Truppeninspektion durchführen. Ich denke, es wird ein würdiger Kommandant sein. Wir alle werden ihm schon sehr bald treu ergeben sein.“
Die Soldaten knurrten.
„Ha, das wollen wir doch mal sehen.“
Girodelle trieb sein Pferd zur Seite.
„Präsentiert das Gewehr! Männer – Die Augen zum Kommandanten nach rechts!“
Widerwillig gehorchten die Soldaten und wandten ihren Blick.
Sprachlos sahen, wer ihr neuer Kommandant war, der auf sie zugeritten kam.
„Mein Gott, das ist doch…“
„Oscar Francois Jarjaye!“
Alain hüpfte vor Begeisterung fast in die Höhe, konnte sich aber gerade noch zügeln.
Oscar ritt auf die Soldaten zu und bemerkte ihre Fassungslosigkeit und ihre Freude.
Besonders ihre Männer der ehemaligen französischen Garde konnten ihre Freude kaum bändigen.
Sie zügelte ihren Schimmel.
„Soldaten! Vom heutigen Tag an, bin ich der neue Befehlshaber der Nationalgarde. Unsere Aufgabe ist es das Volk von Paris und von Frankreich zu schützen. Seid ihr bereit, mir zu folgen und meinen Befehlen zu gehorchen?“
Da saß sie nun auf ihrem Pferd, das blonde Haar wehte im Wind, ihre Augen sprühten vor Energie.
Ihre Schönheit ließ die Männer nicht los.
Auf einmal ging ein Jubel los.
„Ja, wir wollen euch folgen und euren Befehlen gehorchen!“
„Sie ist wieder da!“
„Unser Kommandeur ist zurück!“
Alain trat einen Schritt vor.
Sofort war es wieder still.
„Es ist uns allen eine Ehre unter euch für Frankreich dienen zu dürfen.“
Er kniete nieder.
„So wie ihr fast euer Leben für uns gegeben
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