Das Glück liegt in Hierakonpolis
Heroo 1
Das Glück liegt in Hierakonpolis
Heroo 1
„In Hierakonpolis findest du dein Glück…“, ertönte eine leise Stimme in Atemus Traum, während er sich in seinem Bett umdrehte, als die ersten Sonnenstrahlen des Tages über den Horizont wanderten. Sie fielen durch die großen halbrunden Fenster und die hellen, leichten Vorhänge, die im sanften Wind des Morgens flatterten, direkt auf sein Nachtlager. Die Sonne hatte ihm unangenehm warm in der Nase gekitzelt und daher hatte er sich die Decke auch noch über den Kopf gezogen. Er war noch müde und unter der Decke war es schön warm.
Eigentlich waren Decken nicht notwenig, wenn man ins Bett ging, da die Hitze des Tages sich in den Mauern der Residenz gespeichert hatte, aber die Nächte waren um diese Jahreszeit durchgehend kühl und im Laufe der Nacht wurde es so kalt, dass man eine dünne Decke brauchte um sich warm zu halten, zumindest wenn man wie er noch immer solo war und keine Frau hatte, mit der man das Bett teilen könnte.
Atemu schmatzte und knautschte das weiche Kissen zusammen, da es sich platt gedrückt hatte. Gestern war er spät ins Bett, Mahado und Seth hatten mit ihm noch ein langes Gespräch geführt und Mana hatte ihn dann noch stundenlang voll geplappert, aber was genau sie gesagt hatte, wusste er schon gar nicht mehr. Bis er Schlaf gefunden hatte, konnten kaum mehr als fünf Stunden vergangen sein.
Er war gerade wieder dem Halbschlaf fast entronnen und hatte sich schon vor dem inneren Auge einen Traum angefangen auszumalen, als ohne Vorwahrung die Türe aufflog und gut und gerne zehn Menschen in sein Schlafgemach drangen.
Atemu registrierte das nur als wäre es sein seltsamer Traum, auch das Gemurmel und Gerede der Höflinge und des alten Wesirs klangen nur verhalten an seine Ohren. Er wollte sie ignorieren, doch dann fand sein Traum ein jähes Ende.
„Pharao?“, Shimon, einer der beiden Wesire von Ägypten und alter Lehrmeister Atemus trat an sein Nachtlager und sah auf ihn herunter. Er legte die Stirn kraus und seufzte, da sich unter der Decke, aus weichem, naturfarbenem Leinen nichts rührte. Dieses Theater kannte er schon. Das hatte Atemu schon als Prinz immer gemacht, wenn er die Nacht zu spät beendet hatte. Vermutlich war mal wieder viel zu viel köstlicher roter Wein oder auch Bier geflossen, der ihm jetzt einen abscheulichen Kater bescherte. Es würde Atemu aber dieses Mal nicht helfen können, auch wenn Shimon verstehen konnte, dass der junge Pharao versuchte seinen Kummer in Bier und Wein zu ertränken. Seinen Vater verlor man schließlich nur einmal und Shimon hätte nur zu gern mit Akunumkanon getauscht, da er der Ältere war. Doch Osiris hatte Pharao Akunumkanon in den Westen gerufen und nicht ihn. Er musste jetzt seine neue Aufgabe annehmen.
„PHARAO!“, wiederholte der Alte lauter und zog Atemu die Bettdecke ein Stück weit weg: „Ra ist schon aufgestiegen, es wird Zeit, dass ihr Euch fertig macht. Die ersten Geschäfte des Tages rufen schon und Ihr liegt immer noch in Eurem Bett.“
„Was?!“, Atemu bemühte sich ein Auge zu öffnen, blinzelte aber dann nur halbschlafend zu seinem guten, alten Freund und Lehrer auf: „Ich bin Prinz…“
„Nein…“, sagte Shimon bedauernd, „… nicht mehr, Atemu. Ich weiß, wir haben die Trauerzeit fast hinter uns gebracht und noch seid Ihr nicht gekrönt, aber das Land kann nicht noch länger ohne Führung sein. Wesir und Hohepriester Akunadin und ich werden uns zwar weiterhin um alles kümmern, aber das heißt nicht, dass Ihr Euch auf die faule Haut legen könnt. Im Gegenteil, Morgen werdet Ihr gekrönt, also müsst Ihr nun zuerst nach Hierakonpolis…“
„Was?!“, Atemu schreckte unerwartet auf, und saß kerzengerade in seinem Bett: „Aua!“, er hielt sich den Kopf und sah dann langsam zu Shimon auf: „Mein Vater ist tot…“
„Ja!“, bestätigte Shimon nickend.
Atemu schloss die Augen, es dämmerte ihm wieder worüber Mana, Mahado und Seth gestern mit ihm geredet hatten. Sie hatten ihn aufmuntern wollen… wegen dem Tod seines Vaters, dem Pharao der ihn damit zum nächsten Pharao gemacht hatte, ja es war schon einige Tage und Wochen her, aber dennoch, es tat noch weh.: „Mein Kopf brummt…“
„Ja…“, seufzte Shimon und klatschte in die Hände.
Die Höflinge traten vor, mit Waschutensilien, Kleidern, Schmuck und Schminke bewaffnet.
„Ihr habt nicht lange Zeit, Pharao. Das Frühstück wird gleich gebracht und bis dahin solltet Ihr gewaschen und angezogen sein. Beeilt Euch bitte!“, der alte Wesir verneigte sich und trat zurück, damit Atemu aufstehen konnte.
Atemu kniff noch mal kurz die Augen zusammen und erhob sich dann. Das Gehen in den Waschraum fiel ihm nicht so leicht wie sonst, denn der Alkohol hatte sich in seinem Blut noch nicht völlig abgebaut und die restliche Müdigkeit in seinen Gliedern erledigte den Rest.
Die Höflinge gingen ihm mit gesengtem Kopf nach. Sie waren dafür da, um den baldigen Pharao zu waschen und einzukleiden. Atemu kannte es zwar anders, aber es würde einen schlechten Eindruck machen, wenn er darauf bestehen würde es alleine zu tun. Er musste zugeben, dass es ihm lieber war sich selbst zu waschen, aber als Prinz war es so, dass man sich waschen ließ.
Das Wasser war etwas kälter als sonst, als einer der Höflinge es ihm über den Kopf schüttete.
Atemu prustete leise. Wasser war ihm in die Nase gekommen, auch wenn er nicht wusste, wie das geschehen konnte, doch die Kühle vertrieb die Müdigkeit aus seinem Körper.
Es dauerte nicht lange, dann war Atemu von dem kalten Schweiß, der sich über Nacht angesammelt hatte, befreit, mit einem duftendem Öl eingerieben, dass nicht nur angenehm roch, sondern auch noch die lästigen Insekten fernhielt. Seine Körperbehaarung hatte ein Diener sorgfältig abrasiert, na ja, fast, Atemu hätte ihn wohl in Kerker werfen lassen, wenn man sich an seinen Haaren oder Augenbrauen vergriffen hätte.
Viele der Ägypter rasieren sich jedes Haar hab, oft wegen der Hitze und der Sauberkeit wegen, die man ohne Haare, in denen sich der Schweiß sammeln konnte und viel zu streng roch.
Atemu ließ sich ankleiden, ein weißer Schurz und ein Hemd aus gestärktem Leinen. Über dem Schurz ein breites blaues Schmuckband, dass von seinem Bauch bis zu den Knien reichte und unten zu einem Spitz geschnitten war. An seiner Taille bis zum Bauch war ein Gürtel aus drei breiteren Goldringen gebunden.
Die Höflinge legten ihm einen breiten goldenen Halskragen um und streiften ihm einen Armreif über den Oberarm, bevor sie ihm Ohrringe zeigten. Das war eigentlich unnütz, da Atemu sich eigentlich immer für die Gleichen entschied, die er schon immer getragen hatte. Auch der breite Goldreif, den er um den Hals trug war schon lange Teil seiner täglichen Gewandung.
„Großer Pharao!“, einer der Diener öffnete ein Kästchen, sagte aber nichts mehr.
Atemu atmete tief durch, als der den Gegenstand aus dem Kästchen nahm. Ein Schmuckstück, von großer Macht und gleichzeitig das Symbol des Pharao. Das Millenniumspuzzle, das vor einigen Wochen noch um den Hals seines Vaters gehangen hatte. Es war in Samt eingeschlagen und offenbar gereinigt worden. Die Sonnenstrahlen blitzten auf der goldenen Oberfläche und das Band, mit dem man es um den Hals trug war neu.
„Ab heute müsst Ihr es tragen!“, mischte sich Akunadin ein, der nach dem Prinzen sehen wollte, der morgen zum Pharao aufsteigen würde. Shimon hatte eigentlich kommen wollen, aber es war Akunadin ein Bedürfnis gewesen sich nach Atemus Wohlbefinden zu erkundigen. Akunadin war Atemus Onkel, es war verständlich dass er sich um seinen Neffen sorgte.
„On… Akunadin!“, Atemu verbesserte sich selbst, da es ihm nicht passend schien, einen seiner Wesire mit Onkel anzusprechen. Es war noch alles sehr neu, aber es tat gut zu wissen, dass es Menschen gab, die sich um ihn Sorgen machten und sich um ihn kümmerten.
Akunadin lächelte schwach, nahm ihm das Puzzle aus der Hand und hängte es ihm und Hals: „Das Erbe Eures Vaters. Macht Euch keine Sorgen, in seine Fußstapfen zu treten, sollte nicht allzu schwer sein. Beeilt Euch nun, Ihr habt viel zu tun, der heutige Tag ist hart und eine Stärkung solltet ihr jetzt wirklich noch zu Euch nehmen.“
„Danke…“, Atemu griff nach seinem Umhang, den er sich umlegte und setzte sich dann die Krone auf den Kopf. Sein Haar war zwar noch feucht, aber das würde bis nach dem Frühstück schon trocken sein. Und durch den schnellen Aufbruch, kam er um das Schminken herum.
„Bitte!“, der Diener stellte einen Korb mit frischem Brot auf den Tisch und einen Becher Milch, den Dritten, seid Atemu am Tisch saß.
„Gut, dann fangen wir an“, Shimon rollte einen Papyrus auf und begann vorzulesen: „Der Tagesplan für heute, mein Pharao. Nach dem Frühstück müsst Ihr Euch mit den angefallenen Unterlagen der Gauherren befassen, sowie mit den beiden Bittstellern, die noch Euer Vater zur Audienz gerufen hat. Die Danksagungen zu Eurer Krönung müssen von Euch noch unterschrieben und abgesegnet werden. Noch bevor Ra am höchsten steht werdet Ihr mit Seth und Mahado nach Hierakonpolis aufbrechen, wo die Priester des Ra Euch erwarten. Dort müsst Ihr einer Zeremonie beiwohnen, die Ra zu Ehren stattfindet und Euch auch noch der Reinigungszeremonie unterziehen, damit Ihr Morgen die Körnungsriten durchführen könnt, aber am Abend werden sich noch die Töchter der hohen Würdenträger und benachbarten Königreiche sich dort einfinden.“
„Bitte?“, Atemu hob eine Augenbraue. Der Tagesplan war voll bis obenhin, doch das war es nicht, was ihn störte, es war etwas anderes, mit dem er nicht gerechnet hatte. „Warum kommen diese Frauen alle nach Hierakonpolis?“, fragte Atemu verdutzt nach.
„Müssen wir Euch das wirklich erklären?“, wollte Akunadin wissen, der sich auf einem Stück Papyrus Notizen gemacht hatte. Sein Neffe war noch nicht soweit, sich alleine um alles kümmern