Das Glück liegt in Hierakonpolis

zu können, daher machte er noch nach wie vor seine Arbeiten, wobei er darauf verzichtete sich mit dem „jetzigen Pharao“ abzusprechen. Für ihn war es ohnehin eine Farce Atemu Pharao zu nennen, er war nicht gekrönt, und dennoch sprachen ihn schon alle mit Pharao an. Egal, es war nicht zu verhindern und auch schon beschlossene Sache.
„Ja, ich bitte darum!“, Atemu starrte die beiden älteren Männer an, auch wenn er sich den Grund denken konnte.
„Ihr seid siebzehn Jahre alt und ledig. Das Volk sieht es nicht gerne, wenn ihr Pharao als unverheirateter Mann den Thron besteigt. Euch muss doch klar sein, dass junge Mädchen mit dem Einsetzen des Mondbluts verheiratet werden. Es ist Zeit für Euch, eine Königliche Gemahlin zu nehmen, das Land hatte schon lange keine mehr. Zudem habt Ihr nicht das Problem, Ihr nichts bieten zu können, Ihr legt ihr das Land zu Füssen“, Akunadin nippte an seiner Milch: „Auch wenn ich das nicht wörtlich meine.“
„Und Nachkommen müsst Ihr auch bald haben, je eher desto besser“, stimmte Shimon zu.
Ein kalter Schauer fuhr Atemu über den Rücken. Eine Frau! Er sollte sich eine Frau suchen? Das war ein Scherz, dass musste einfach ein Scherz sein, ein schlechter, aber immerhin ein Witz.
„Nachkommen?“, wiederholte Atemu langsam.
„Sicher. Habt Ihr gedacht, Ihr könnt Euch dafür drücken? Dass Euch das weibliche Geschlecht bis jetzt reichlich wenig interessiert hat wissen wir, aber Ihr seid jetzt Pharao, oder werdet es nach der Krönung sein. Hat Akunumkanon-Osiris es nie erwähnt?“, fragte Akunadin irritiert nach. Er war der Meinung gewesen, dass Akunumkanon sich schon mit der Frage, eine Frau für Atemu zu finden, beschäftigt hatte. Selbstverständlich hatte er das, immerhin war es Akunumkanon gewesen, der die Einladungen zur Brautschau verschickt hatte.
„Ähm… Doch, aber ich dachte ich hätte noch Zeit…“, wandte Atemu ein.
Shimon lächelte: „Mit der Thronbesteigung solltet Ihr dem Volk eine Königliche Gemahlin präsentieren können. Es sieht nicht gut aus, wenn der Thron der Königsgemahlin leer bleibt.“
Atemu rollte die Augen, das durfte doch nicht wahr sein…

Die Sonne schien durch die Binsenmatte mit der das Fenster zur Hälfte abgedeckt worden war, damit es nicht zu warm im Arbeitszimmer wurde.
Das Arbeitszimmer, das früher mal Akunumkanon gehört hatte, lag an der Nordseite der Residenz, aber dennoch wurde es hier im Laufe des Tages unerträglich heiß. Aus diesem Grund stand auch immer ein Krug mit Wasser, das man stündlich wechselte, und Becher auf einem Beistelltisch. Ein Diener mit einem Fächer stand auch im Raum und schwenkte seine Fächer so, das Atemu beim Arbeiten nicht weiter gestört wurde und es ihm nicht zu heiß wurde.
Nach dem Gespräch mit Shimon und Akunadin hatte er schnell die Flucht ergriffen, da er einen offenen Streit vermeiden wollte. Allein die Vorstellung, dass man ihn verheiraten wollte, machte ihn verrückt und verhinderte, dass er sich auf die Unterlagen vor sich konzentrieren konnte. Diese ganzen Gauberichte, die eigentlich schon mehr als dreimal durchgesehen und abgesegnet worden waren, waren ihm so was von egal, da er eh nichts dran ändern konnte. Für was hatte der Gauherr, der Vorsteher der Scheune und der entsprechende Wesir sich diese Berichte, über Erträge, Viehbestände und Menschen innerhalb der 42 Gaue in Ägypten, denn angesehen, wenn er das jetzt auch noch musste?
42 Berichte, alle mehrere Papyrusseiten lang und in teilweise einer so krakeligen Handschrift, dass es fast unmöglich war, diese zu entziffern. 26 dieser lästigen Berichte hatte er geschafft, als er sich an die Schläfen fasste und diese leicht massierte. Es wäre einfacher, wenn er sich drauf konzentrieren könnte und nicht immer wieder an das Gespräch mit den beiden Wesiren denken müsste. Immer wieder zwang er sich dazu seine Aufmerksamkeit auf die Liste über den Ernteertrag des 5ten Gaus von Unterägypten auf seinem Tisch zu richten, doch jetzt war es vorbei. Atemu wollte und konnte nicht mehr.
Noch während er sich die Schläfen rieb und tief durchatmete klopfte es an der Türe.
„JA?!“, Atemu sah auf und hoffte das es wer war, der erbarmen mit ihm hatte.
„Mein Pharao!“ Mahado verneigte sich tief vor seinem Herren und trat dann an den Schreibtisch heran: „Die Bittsteller sind da, sie erwarten Euch im Thronsaal.“
„Schon?“ Atem erhob sich und stöhnte auf, schon wieder Pharao. „Weißt du um was es geht? Und bitte! Ich bin noch immer ein Prinz.“
„Verzeiht mir, aber morgen ist das auch wieder anders…“ Mahado lächelte kurz, dann kam er auf Atemus Frage zurück: „Nein, woher auch? Das müsstet Ihr doch wissen.“
Atemu lächelte gequält, woher sollte er das wissen? Sein Vater hatte ihm keine Unterlagen oder sonstiges hinterlassen und eigentlich war noch Trauerzeit und keine Arbeitszeit. Er sollte um seinen Vater trauern, Gebete zu den Göttern schicken und nicht auf Bittgesuche eingehen.
„Wie weit seid Ihr gekommen?“, erkundigte sich Mahado: „Seid Ihr zufrieden mit den Gauen?“
„Ja… bin ich… zumindest über das, was ich bis jetzt geschafft habe“, versicherte Atemu und sah auf die ungelesenen Berichte und den Stapel Briefe, die er noch alle durchlesen und unterschreiben musste. Sie einfach so zu unterzeichenen war zu gefährlich. Wenigstens ein Diener oder Beamter könnte eine Schenkung oder Begnadigung dazwischen gesteckt haben.
Mahado folgte seinem Blick: „Ihr werdet sehr bald Routine in diesen Dingen bekommen. Am Anfang ist es immer etwas schwer.“
„Meinst du, Mahado?“ Atemu trank noch schnell das Wasser aus: „Wo ist denn Mana?“
„Mana?“, der Hohepriester und Magier runzelte die Stirn: „Hat sie es Euch nicht gesagt? Sie ist heute in der Früh schon nach Hierakonpolis geritten. Sie wollte sich dort schon mal umsehen und sich vergewissern, dass alles sicher ist…“ Mahado zuckte hilflos mit den Schultern: „Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. So kenn ich sie nicht, aber dort wird sie schon nichts anstellen. Es sind genug hochrangige Priester und Hohepriester dort, die ihre Fehler wieder gut zu machen.“
„Hm?“, Atemu suchte ihn seinen Gedanken und fand tatsächlich einen Satz, den Mana ihm gestern gesagt hatte. Er hatte es nur unter dem ganzen Alkohol vergessen. „Sie wollte sich die Prinzessinnen ansehen, oder so…“
„Prinzessinnen?“, Mahado hielt sich den Kopf: „Will sie etwas schon mal eine Vorauswahl für Euch treffen? Ich hoffe sie beleidigt die edlen Töchter nicht…“
Atemu ging nehmen seinem Freund den Gang zum Thronsaal entlang und grinste verstohlen: „Das glaub ich nicht. Sie weiß, dass es zum Krieg kommen kann. Aber wegen mir kann sie das ruhig machen, ich will keine Frau, dafür bin ich noch zu jung und wie ich das alles hier auf die reihe bringen soll, weiß ich auch noch nicht. Wie soll ich mich da einer Frau widmen, geschweige denn mich für eine entscheiden, die ich nicht mal kenne.“ Es war seine ehrliche Meinung. Einfach eine Frau zum Weib zu nehmen, nur damit er eine Gattin hatte, war ihm nicht nur unangenehmen, sondern der Frau gegenüber auch nicht fair. Zudem wollte er doch nicht eine Fremde im Amt der ersten Frau im Reich haben, dazu war diese Stelle in Kemet viel zu wichtig.
Atemu wollte gerade antworten, doch da öffneten zwei der Medjas, nubische Soldaten in seinen Diensten, die großen Flügeltüren zum Thronsaal und die Blicke richteten sich auf ihn.

Der erste Bittsteller war schnell fertig, es ging um Gold für die Errichtung einer Tempelschule auf der Nilinsel, Elephantine. Da dort nicht nur Priester für die Götter, sondern auch Heiler und Lehrer ausgebildet werden sollten, hatte Atemu seinem Ersuchen zugestimmt und ihm das nötige Baumaterial, sowie Gold zugesichert. Erfreut war der Gauherr gegangen.
Der zweite Bittsteller hingegen war ein ganz anderes Kaliber von Mensch. Dazu kam, dass Atemu noch niemals in seinem Leben jemanden gesehen hatte, der solche Art von Kleidung trug oder auch nur entfernt diese Hautfarbe, Haarfarbe oder Auftreten. Schon als der Mann eingetreten war, hatte man gesehen das er von weit herkommen musste. Sein leichtblaues Haar war länger als das von Frauen, dazu hellblaue Kleidung unter einem schwarzen Umhang und…
„Eiskalte Augen…“, murmelte Atemu und sah seinen Gast an. Instinktiv erhob er sich und ging zum Schreck von Akunadin und Shimon einige Stufen dem Fremden entgegen: „Willkommen in Ägypten, was führt Euch in das Land des Nils und wer seid Ihr?“
„Ich komme aus einem fernen Reich“, der Mann verneigte sich mit einer galanten Bewegung, dann sah er wieder zu Atemu auf, ohne den Respekt zu zeigen, den man einem Pharao zu zollen hatte: „Es nennt sich Atlantis und ich bin sein König, Dartz. Ich bin hier um Handelsbeziehungen mit eurem Reich anzufangen, da der Nil eine gute Möglichkeit ist Waren zu befördern.“
„Atlantis, dieses Reich ist mir unbekannt“, dachte Atemu nach und musterte den König vor sich: „Nun, das kann ich hier und jetzt nicht entscheiden. Im Moment ist es ohnehin nicht passend, da wir viel zu tun haben. Ich müsste auch erst einmal Gesandte zu Euch schicken, die mir Bericht erstatten, ob es für uns von Vor- oder Nachteil ist…“ Und du die Wahrheit sprichst, fügte er in seinen Gedanken noch hinzu.
Dartz Gesicht blieb freundlich, aber irgendetwas störte den Prinzen an diesem König.
„Alles andere hätte Euch in ein schlechtes Licht gerückt. Ich bin selbstverständlich bereit Eure Entscheidung abzuwarten und hoffe, dass ich solange Eure Gastfreundschaft in Anspruch nehmen kann. Die Reise hierher war sehr lange und hart.“
„Wie seid Ihr denn gereist?“, wollte Shimon wissen: „Ich habe kein Gefolge von Euch gesehen.“
„Auf dem Nil, mit einer Barke. Ich liebe das Wasser und reise gerne alleine. Das ist manchmal sicherer als mit einem großen Gefolge, das erregt nur unnötige
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