Das Glück liegt in Hierakonpolis

mein Vater in ihre Einladungen geschrieben?“
„Mein Vater sagte dass es an die fünfzig sein müssten, doch nur vierzig haben zugesagt, da die anderen keine Töchter im passenden Alter hatten“, mischte sich Seth ein, der im Schatten einer Palme gewartet hatte: „Was drin stand weiß ich nicht, aber alle hoffen auf deine Gunst, Vetter.“
„Und wenn ich sie wieder nach Hause schicke?“, wollte Atemu wissen.
„Werden sie beleidigt sein und wieder zu ihren Vätern gehen. Aber solange Ihr eine von ihnen auswählt, wird es keinen Krieg geben. Eigentlich könnten sie auch bleiben und gleich in Euren Harem eingeführt werden“, dachte Shada nach.
Atemu fuhr ein kalter Schauer über den Rücken. Das hatte er ganz vergessen, viele Ehen kamen aus politischen Gründen zustande. Die Könige der angrenzenden Länder schickten ihr Töchter in den Haushalt des Pharaos um dort zu leben und den Frieden zu sichern. Ob er das wollte, fragte auch keiner, aber es war nun mal Tradition, aber der Schlag folgte erst noch.
„Ach du nimmst einfach eine und wenn du dich verliebst kannst du dir ja eine zweite oder auch dritte Gemahlin nehmen. Schade das du keine Schwestern hast, dann könntest du dir das ersparen“, Seth klopfte ihm auf die Schulter: „Na komm, gehen wir zum Heiligen See.“

Der Heilige See, war ein langes ovales Becken, das man in den Boden geschlagen hatte. Im Laufe der Jahre hatten sich Wasserpflanzen an zwei gegenüberliegenden Ufern angesammelt, die regelmäßig geschnitten worden waren. An den beiden anderen Seiten waren Stufen angebracht worden um das Ein- und Aussteigen in oder aus den See zu erleichtern. Die Tiefe betrug nicht mal ganz einen Meter. Oft standen die Priester nur im See und begossen sich mit dem Wasser, das sie mit großen Schüsseln schöpften.
„Karim!“, Seth sah den Mann im Wasser der sich die Haare zusammengebunden hatte und sich mit dem Wasser reinigte.
„Hm?“, Karim drahte sich um und verneigte sich noch bevor er aus dem Wasser kam: „Mein Pharao, ich bin erfreut euch wohlauf zu sehen.“
„Was machst du hier?“, fragte Seth: „Wolltest du nicht mit Isis die Gäste begrüßen?“
„Ich fühlte mich unwohl unter den vielen Weibern und wollte noch kurz in den Tempel um die Staue des Gottes zu enthüllen“, erklärte er: „Geht es Euch wirklich wieder gut, mein Pharao?“
Atemu nickte: „Ja, ich danke dir auch für deine Hilfe, mein Freund. Ich wäre vermutlich tot, wenn ihr nicht gekommen wärt. Ist der Tempel soweit gereinigt?“ Er wollte das Thema wechseln. Es ging ihm auf die Nerven, dass sich jeder nach seinem Befinden erkundigte.
„Oh ja, ich werde mich noch ein letztes Mal davon überzeugen und dann könnt ihr in aller Ruhe den Segen der Götter erbitten. Die Götterstatuen sind fein gekleidet und mit großer Sorgfalt gereinigt worden. Die Opfergaben sind auch schon eingetroffen. Ich bin mir sehr sicher, dass unsere Götter mit Euch zufrieden sein werden und ihren Segen geben“, versicherte Karim.
„Dann tu das!“, sagte Seth scharf und sah sich nach einem der Tempeldiener um. „Das gibt’s doch nicht, immer wenn man einen braucht ist keiner da! Ich geh ihn suchen.“
„Ich warte hier“, antwortete Atemu ohne eine Frage gestellt bekommen zu haben, da er ohnehin nicht wusste, warum er seinem Vetter oder Karim nachlaufen sollte. Auch wenn Seth nur kurz weg sein würde, ein bisschen Ruhe war schon mal was.
„Ich beeile mich“, Seth verneigte sich und ging.
Karim sah ihm nach und seufzte: „Er wird die armen Diener wieder zur Schnecke machen.“
„Vermutlich, aber so ist er nun mal“, stimmte Atemu zu: „Wir sehen uns dann später, Karim.“
„Wie Ihr wünscht“, entgegnete Karim und ließ Atemu am See alleine.
Der Kronprinz wandte sich erleichtert dem See zu. Wieder so einfach ins Wasser zu steigen, nachdem er heute fast ertrunken oder von einem Nilungeheuer gefressen worden wäre, schien ihm grotesk. Fürchten sollte er sich, dass in diesem Heiligen See wieder ein Wesen auf lauerte, aber wie wahrscheinlich war das? Dass hier, innerhalb eines Tempels eine Kreatur in einem so seichten Gewässer leben konnte war nahezu unmöglich, oder?
Wie auch immer Atemu hatte keine andere Wahl und begann sich seiner Kleider zu entledigen. Das kühle Wasser lockte ihn, da die Sonne heiß und erbarmungslos auf ihn herunterprallte. Der war mittlerweile zwar hellwach, aber sein Kopf war alles andere als klar. Ihm schwirrten Gedanken durch den Kopf, die nichts miteinander zutun hatten, oder vielleicht doch?
Gemächlich trat er eine Stufe nach der andern ins Wasser, dass seine Wirkung nicht verfehlte. Er wusste, dass sich hier die Priester reinigten, bevor sie vor die Altäre der Götter traten. Atemu tauchte kurz unter und verharrte eine halbe Minute unter Wasser. Als er wieder aus dem Wasser kam, konnte er seine Gedanken ordnen.
Da war das Ungeheuer, dann dieser Dartz, die vielen Frauen, seine morgige Krönung und Isahra.
Er machte ein paar Schwimmzüge und das Nass ließ ihn ohne Widerstand seine Bahn ziehen.
Fast schien es als würde das Heilige Wasser ihm helfen wollen, aber was von diesen fünf Gedanken in deinem Kopf Priorität hatte, konnte er nicht feststellen. Wichtig war alles, na ja, die Novizin offenbar nicht, wenn er seinen Getreuen glaubte. Er sollte sie vergessen und einfach glauben, dass sie unwichtig für ihn war, aber immer sah er ihre Augen vor sich.
„Shadas Schülerin…“, murmelte er als er sich mitten ihm See hinstellte und den Blick über die angrenzende Wiese schweifen ließ. Das Wasser perlte von seiner gebräunten Haut und fing die Sonne auf. Sofort wurde es ihm wieder warm, nur dort, wo die Wasserperlen sich festgesetzt hatten blieb es noch einen kurzen Augenblick länger kühl. Der Wind, der sanft über die Wasseroberfläche kam, kräuselte das Wasser und beruhigte sich wieder. Es war herrlich ruhig und die Stimmen der Priesterschaft und Gäste verhallte noch auf dem Weg zum Heiligen See.
Er schob alle Gedanken beiseite und genoss einfach nur den Augenblick in dem ihn niemand mit Pharao, Prinz, Herr oder König ansprach. Keine lästigen Fragen und Aufgaben, keine Übungen mit dem Dia Diak oder dem Schwert. Ein Moment den er so schnell nicht wieder haben würde. Morgen würde sich sein Leben für immer ändern. Die Kronen der beiden Länder würden auf seinem Kopf sitzen und eine Frau… Ja, eine Frau, der er auch noch gerecht werden musste, als ob eine Last nicht schon schwer genug war. Seine Hohepriester hatten schon Recht, hätte er eine Schwester wäre es sicher einfacher. Dann wüsste er, wen er auf den Thron setzten musste und keiner würde ihn auf Brautschau schicken. Geschwisterehen waren nur im Königshaus erlaubt, da sie die Götter nachmachen wollten. Das Volk sollte sie als menschliche Götter anerkennen. Nur selten kam es vor, dass sich außerhalb des Königshauses Geschwister verheirateten und wenn, dann störte es keinen.
Atemu dachte einen Moment nach, ob er sich damit zufrieden geben würde seine Schwester zu heiraten? Hätte er eine, wäre er niemals gefragt worden, sondern man hätte es von ihm verlangt und er hätte es ohne zu fragen getan. Es war Brauch und daher war es den Pharaonen auch gestattet mehrere Frauen zu haben, da er viele nur heiratete weil es politische Züge waren, um den Frieden zu erhalten und den Thron und den Machtanspruch zu sichern. Heute würde er sich aus eben diesen Gründen eine Frau aussuchen müssen.
Er setzte sich auf die Stufen, die ins Wasser führten und schloss die Augen. Aus Liebe würde er diese erste Ehe also nicht schließen, auch wenn es das war, dass er sich eigentlich immer gewünscht hatte. Die Realität war das Gegenteil seiner Wünsche.
Atemus Gedanken spielten mit den wenigen Möglichkeiten die er hatte, wenn er schon eine Frau aus politischen Gründen heiraten musste, dann sollte es eine sein die zumindest…
Ein lautes Knistern und Rascheln schreckte ihn hoch. „Was?“ Verwirrt sah er sich um entdeckte dass die Äste eines einzigen Busches, der nur fünf Meter von seinem jetzigen Standpunkt entfernt seinen Wurzeln geschlagen hatte, sich bewegten. Jemand musste sich dort versteckt oder ihn sogar beobachtet haben. Drei oder vier Äste des Busches waren immer noch in zitternder Bewegung und sich wieder beruhigten. Atemu könnte schwören dass sich hinter dem ordentlich getrimmten Gewächs ein Mensch versteckte, groß genug war er und etwas Weißes und Schwarzes blitze durch das Laub.
„Hallo?“, fragte er, bekam aber keine Antwort, daher entscheid er sich einfach mal nachzusehen. Langsam stand er auf: „Komm raus, ich seh dich doch…“
„Mit dem Rücken zu mir?“
„Hm?“, Atemu warf erschrocken einen Blick über die Schulter und sah zu Seth, der mit zwei Tempeldienern im Schlepptau auf ihn zukam. Der Kronprinz war auf der anderen Seite des Ufers und da er eben aus dem Wasser wollte, hatte er Seth nicht sehen können: „Du bist es…“
„Hast du einen anderen erwartet?“, Seth zog eine Augenbraue hoch: „Ich sagte doch, dass ich nur die Tempeldiener suche, damit wir Öle und Leinentücher bekommen, oder?“
Atemu seufzte: „Ja, aber dich hab ich nicht gemeint…“, er sprach zögerlich und fuhr herum als hinter ihm wieder ein lautes Knacken ertönte. Dieses Mal war es lauter und es folgten Schritte die auf dem Untergrund nur schwer wahr zu nehmen waren.
„Wer ist das?“, fragte Seth der, genau wie sein Vetter nicht viel sehen konnte. Die Büsche am Ufer waren so aufgereiht, dass sie eine Abschirmung zum See boten und man nicht sah, wer auf der anderen Seite zum Nebeneingang zum Tempel ging. Nun nichts, was das falsche Wort, er sah dass es sich um der Person um eine Frau handelte, oder Mädchen, mit weißer Kleidung.
„Das wollte ich raus finden“, erwiderte Atemu, der aus dem Wasser gesprungen war und sich durch einen der Büsche kämpfte. Zu spät, denn als er der den Weg sehen konnte, war nichts mehr zu
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