Fanfic: Verliebt in Domino - Oder auch nicht
folge ihr dann aus dem Raum.
Sie führt mich vom Empfang weg, direkt auf die Aufzüge zu, die genau gegenüber der Eingangstür liegen. Vor den Aufzügen stehen zwei ziemlich grimmige Kleiderschränke, die eine offensichtliche Verwandtschaft mit King Kong nicht abstreiten könnten, frage man sie nur danach. Sie mustern mich kurz – Hanasaki-san scheint ihnen bekannt zu sein – und einer von beiden lässt sich dazu herab, den Aufzug zu rufen.
In der Kabine sagt sie dann, als sie meinen skeptischen Blick bemerkt, zu mir: „Die tun auch nur ihren Job.“
„Mhm.“ Heute war bei mir wohl der Einsilben-Tag.
„Ganz ruhig. Wie wäre es mit einem Du?“ Sie lächelt wieder. „Ich bin Kimiko.“
Innerlich staune ich über die junge Japanerin. Dann sage ich, merklich erleichtert: „Maeve, aber meine Freunde nennen mich Mac.“
Wir schütteln uns die Hände.
Kimiko ist Mitte zwanzig, ein Stück größer als ich, was bei 165 cm kein Kunststück ist und überraschenderweise hat sie ebenfalls ‚nur’ eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht. Wie ich. Gut, sie ist Kauffrau für Bürokommunikation, aber das ist nur ein kleiner Unterschied. Sie trägt eine Brille und ich freue mich, dass ich nicht die Einzige mit diesem ‚Problemchen’, welches sich Kurzsichtigkeit schimpft, bin.
Der Aufzug hält im obersten Stock, wir steigen aus. Aber nur um auf einen weiteren Aufzug zuzugehen.
„Wir sind nun im 98. Stock. Hier befinden sich die sogenannten ‘Unteren Konferenzräume’. Um die hast Du dich nicht zu kümmern, das machen die anderen Sekretärinnen“, erläutert sie.
Aha. Gut zu wissen. Allerdings besteht meine Reaktion nur aus einem Nicken.
Oh, Du liebe Maeve, worauf hast Du dich da nur eingelassen?
Und schon höre ich die Stimme meines älteren Bruders Patrick in meinem Kopf.
„Mac, Du musst das nicht tun. Ich weis doch, dass Du lieber im Sand wühlst und Mumien ausgräbst, als in einem stickigen Büro zu sitzen. Großvater oder Onkel Ian könnten Dir eine Stelle in irgendeinem Museum, oder als Ausgrabungshelferin in Ägypten besorgen. Kein Museumsdirektor bei klarem Verstand würde eine Muldoon ablehnen.“
Toll, Patrick. Wie soll das gehen? Nach unserem Umzug hat es für mich doch nur für die Mittlere Reife gereicht. Dämliches deutsches Schulsystem! Aber wofür gibt es denn den zweiten Bildungsweg. Ihr werdet es schon sehen.
Wie zur Bestätigung meiner Gedanken fange ich an, heftig zu nicken. Ich muss für Umstehende völlig bekloppt aussehen.
Ich trotte hinter Kimiko her, zum Aufzug, welcher sich an der Außenwand des Gebäudes befindet. Beiläufig bemerke ich, dass sie statt mit einer Spange, ihre Frisur mit einem Fineliner zusammenhält. Wie originell! Wir treten ein und ich genieße die Aussicht über Domino.
„Also, da noch Ferien sind, kommt Kaiba-sama immer Punkt acht. Er mag seinen Kaffee schwarz, stark und ohne Zucker. Dafür bist Du verantwortlich. Am besten Du kommst schon um Sieben und kochst gleich eine ganze Kanne. Sprich ihn bitte nicht unaufgefordert an, das mag er nicht. Sei nett und höflich, aber nicht schleimen. Und sonst geh ihm aus dem Weg, dann hast Du einen einfachen Job. Ach ja, er erwartet Motivation, Konzentration und Disziplin, gepaart mit Arbeitseifer. Vor allen Dingen Disziplin. Aber da Du ja in Deutschland gelernt hast, dürfte das kein Problem sein. Seinen kleinen Bruder hast Du immer zu ihm zu lassen, andere Leute nur, wenn du ausdrücklich von ihm darüber instruiert worden bist. Außerdem solltest Du dich auf Mehrarbeit und Überstunden gefasst machen. Den Rest erklär ich Dir, wenn wir oben sind.“
Oben? Wie weit hoch denn noch? Verwirrung macht sich breit. Panik kommt auf. Oh Gott, ich hyperventiliere gleich. OK, tu ich nicht.
Aber ich hör hier immer nur Kaiba-sama, Schulferien und Disziplin. Doch halt, stopp Moment mal! Das heißt ja, dass ich El Chefe, dem Generaldirektor, seiner Exzellenz kurzgesagt: HIMSELF direkt untergeordnet bin und ihm zuarbeiten werde.
Seto Kaiba, DER Seto Kaiba – Jungunternehmer, mehrfacher Multimilliardär und begehrter als Brad Pitt, George Clooney, Pierce Brosnan, Prince William und sämtliche unverheirateten europäischen adligen, neureichen und geldadligen Junggesellen zusammen – ist mein direkter Chef. Mein Zwillingsbruder wird im Viereck springen, wenn er das hört! Ich habe noch genau seine Worte im Ohr.
„Weist Du Mac, ‚Chefsekretärin’ kann viel bedeuten. Es gibt Personalchefs, Marketingchefs, Vorstandschefs et cetera.“
Dabei hat er das Wörtchen ‚Chef’ immer betont. Per Definition ist eine Chefsekretärin eigentlich die oberste Sekretärin. Was meine Aufgabe betrifft würde ich das eher als ‚Sekretärin der Geschäftsleitung’ bezeichnen.
„Mac? Alles in Ordnung bei Dir?“ Besorgt tippt mir Kimiko auf die Schulter.
„Wie?“ Das klang nicht sehr intelligent. Toll, Mac.
„Ob es Dir gut geht.“ Sie verbarg ihr Lachen hinter der Hand. Nun ja, wenigstens hat sie Taktgefühl.
„Ja, klar.“ Heute ist wohl auch mein Tag der intelligenten Äußerungen.
Als der Aufzug erneut hält, stehen wir vor einem rieseigen Korridor, der durch eine Glastüre mit viel Sicherheitsschnickschnack geteilt wird. Dorthin lotst mich meine neue Kollegin. Als wir davor stehen reicht sie mir einen versiegelten Umschlag.
„Da ist Deine PIN drin. Es funktioniert im Prinzip wie bei einer EC-Karte. Ausweis durch den Slot ziehen, Magnetstreifen nach hinten, PIN eingeben und durchgehen.“ Fehlt nur noch, dass das Ding meinen Fingerabdruck will und einen Retina-Scan durchführt.
Sie macht es vor und entschwindet durch die Tür.
Also gut. Umschlag auf, PIN registriert und gemerkt, Umschlag in Tasche gepackt. Ausweis durch den Slot gezogen, PIN eingegeben. Ah ja, das Licht springt von rot auf grün.
ACCESS GRANTED lese ich auf dem Display. Die Tür schwingt auf, alles voll automatisch hier, und ich geselle mich wieder zu Kimiko.
„Hier haben nur wenige Zutritt und auch nicht zu allen Bereichen. Du wirst noch eine weitere PIN bekommen, für andere Sektionen. Am besten ist, du vernichtest das Schreiben gleich wenn wir dort sind.“ Klingt einleuchtend.
„Gut.“
Kimiko führt mich also den Flur entlang. Plötzlich werde ich zur Seite gerissen und wie ein eiskalter Hurrikane fegt etwas weißes an uns vorbei. Genauer gesagt, es ist ein brünetter junger Mann in einem langen weißen Mantel. Und das mitten im Sommer. Na dann, Prost Mahlzeit. Gut, das Gebäude ist klimatisiert. Aber trotzdem das ist schon irgendwie strange...
Kimikos Räuspern holt mich aus meinen Gedanken.
„Das war übrigens Kaiba-sama“, sagt sie daraufhin, sich immer noch an meinem Oberarm festhaltend.
DAS war Seto Kaiba? Der ist ja noch ein Teenager! Jetzt verstehe ich auch das ganze Gerede, von wegen Ferien!
Aber wenn der immer so drauf ist... Die Rädchen hinter meiner Stirn beginnen sich rasant zu drehen. OMFG! Ich bin geliefert. Und Kimiko ist der Henker, der mich zum Schafott führt.
Nach diesem Schock muss ich mich erst mal erholen. Kimiko gibt mir die Zeit. Sie hält es auch für ratsam zu warten, bis der gnädige Herr in sein Büro gefegt ist.
Und weiter geht’s. Den Korridor entlang, an sehr vielen geschlossenen Türen und diversen Abzweigungen vorbei bis zu einem weiteren Aufzug. Auch hier wieder das Spiel mit dem Ausweis und der PIN.
Dann sind wir endlich am Ziel. Die Aufzugtür gleitet lautlos auf und ich starre gebannt auf meinen neuen Arbeitsplatz.
Klotzen, nicht kleckern, scheint wohl die Headline, im Leitbild der Kaiba Corp. zu sein. Das ganze Stockwerk ist verglast. Links vom Aufzug steht eine geschmackvolle Sitzgruppe in blaugrau, um einen ebenso eleganten und wahrscheinlich sauteuren Glastisch mit Chromeinfassung. Zum Glück bin ich Sekretärin und keine Putzfrau.
Links davon mein äußerst stilvoller Arbeitsplatz. Eine fein geschwungene Theke, mit mattsilberner Verkleidung deutlich distinguierter und gediegener als die Empfangtheke unten.
Das Zentrum des Vorraumes bilden allerdings die schweren Türen aus dunklem Holz, mit den Initialen SK. Ein Buchstabe pro Türflügel. Sehr pompös und bombastisch das Ganze. Ich frage mich, ob der sein Geld nicht nützlicher anlegen kann, als in Türen. Zum Beispiel Spenden an die UNICEF oder AIDS-Hilfe.
Die Trennwand zu seinem Büro bilden riesige Milchglasscheiben.
Irgendwie passen die Türen nicht zu der kühlen, schlichten Eleganz der restlichen Einrichtung. Sie sind so Monty Burns-mäßig.
Grinsend stelle ich mir meinen neuen Chef, mit Burns’ Gesicht und Haltung hinter seinem Schreibtisch vor.
Excellent.
Ich konnte ja vorhin sein Gesicht nicht sehen und Burns Fratze passt zu einem Geschäftsmann, wie ich finde. Ein Hoch auf Matt Groening! Schulz!
„Darf ich Dich was fragen?“ Ich stelle meine Tasche hinter der Theke ab, bemüht um einen neutralen Ton in der Stimme. Dann fische ich den Wisch raus und füttere den Reißwolf.
„Klar.“
„Was ist mit meiner Vorgängerin passiert?“ Ich male mir schreckliche Dinge aus.
„Sie ist in Rente gegangen.“ Kommt die lapidare Antwort. Puh. Glück gehabt, Mac.
„Und wer hat ihre Arbeit in der Zwischenzeit gemacht?“
„Belinda und ich.“ Aha. Nur wer ist...
„Belinda?“
„Die Empfangsdame, Du hast sie schon gesehen.“ Oha, Farbtöpfchen. „Mach Dir wegen vorhin keinen Kopf. Die ist nur sauer, weil sie den Posten nicht bekommen hat. Du hast einfach die besseren Qualifikationen. Und noch was, das Kaiba-sama partout nicht leiden kann: wenn eine Frau ihre Waffen einsetzt, um über ihre Inkompetenz hinwegzutäuschen.“
Aha. Interessant. Das dürfte bei mir kein Problem sein. Ich habe keine Waffen nur ... ähm ... na ja... Lassen wir das.
„Was ist jetzt Deine Aufgabe?“
„Das was ich vorher auch schon gemacht habe: Assistentin der Sekretärin des Geschäftsleiters..“ Sie deutete auf einen kleinen, aber nicht