Schwarz und Weiß
suchend… er diente Satan, doch es war ihre Pflicht, jedem zu helfen, der Hilfe brauchte. Und wenn es Satan selbst wäre.
« Rettet mich, Kagome-sama!!! »
Dieser Satz hallte so laut, so flehend gegen ihren Verstand, dass es beinahe schon schmerzte. Sie konnte nichts sehen, sie konnte nur spüren, wie die Aura des Teufels näher an die Inuyashas herantrat. Kagome konnte wahrnehmen, dass Inuyashas Aura sich zurückzog, Schutz suchte. Und sie wusste auch, dass sie etwas tun musste. Die Aura der Frau war schon fast gänzlich geschwunden. Wenn sie nicht bald etwas unternahm, würde eine unschuldige Frau sterben!
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Inuyasha konnte den fauligen Geruch der Hölle an dem Teufel riechen, als der immer näher kam. Schwach presste er die bewusstlose, beinahe leblose Frau fester an sich. Er… er konnte sie dem Teufel nicht überlassen!
Zum ersten Mal in seinem Leben ging es nicht. Diese Frau in seinen Armen… warum wollte der Teufel sie und das Ungeborene haben? Er würde es ihm nicht geben… doch er wusste, dass er hilflos war. Wenn der Teufel etwas wollte, dann nahm er es sich.
Satan war nah an ihm, als Inuyasha hörte, wie jemand etwas rief, was er nicht mehr verstand…
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„LASS IHN IN RUHE!!!!“
Satan zuckte etwas von seinem bewusstlosen Diener zurück, als die Heilige laut schrie. „Was willst du, Miko?“, grollte er bedrohlich leise. Niemand wagte es, ihn zu stören, wenn er sich grade sein Opfer beschaffte!
„Nimm dir gefälligst ein Beispiel an Inuyasha! Der hat wenigstens Respekt! Außerdem ist es grauenvoll, was du hier tust! Wieso willst du unbedingt diese Frau und ihr Kind haben? Geh weg! Du darfst nicht hier auf der Erde sein! Geh wieder zurück in die Hölle, wo du hin gehörst!“
Kagome hatte Herzklopfen. Die Aura der Frau war schon fast verschwunden, und auch Inuyashas Aura hatte an Intensität verloren, was darauf schließen ließ, dass er bewusstlos geworden war. Kagome fühlte sich… hilflos. Sie konnte sie fühlen, die finstere Aura des Leibhaftigen. Was würde sie schon tun können, gegen ihn? Sie war eine von Gott gesandte, mehr aber nicht. Sie würde nicht gegen den Teufel bestehen können.
Satan wandte sich von der Miko ab. Sie würde ihm nicht gefährlich werden. Er konnte ihre Angst wahrnehmen, denn Angst war ein Gefühl, das er den Menschen gegeben hatte. Na, war nicht einmal Gottes Engel davor gefeit?
„Halt ein.“
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Die sich noch Bewegenden hielten inne, Kagome wie Satan. Kagome bekam am Rande mit, wie die Aura der Frau fast vollständig geschwunden war. Es musste etwas geschehen, sonst würde sie sterben. Jetzt sofort! Doch noch verweigerten ihre Glieder ihr den Befehl.
Der Teufel fuhr herum zu der neuen Präsenz. „Was tust du hier? Du solltest nicht hier sein“, bemerkte Satan nüchtern. Der neue Ankömmling erwiderte leise: „Ich weiß. Ebenso wenig wie du. Du bist hier, ich bin hier. Wo also liegt das Problem?“
Kagome war immer noch steif. Sie wusste, wer gekommen war. Und eben deswegen konnte sie sich nicht bewegen. Und doch… wer von den beiden würde sich um Inuyasha und die Frau kümmern? Sie musste es tun. Außer ihr würde es niemand tun…
Und doch… wie sollte sie sich so nah an den Teufel heran wagen können? Seine dunkle Aura würde sie nicht vertragen. Was sollte sie nur tun? Die Frau brauchte Hilfe… ganz dringend… und Inuyasha…?
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„Beelzebub. Wir hatten einen Pakt. Wir beide sollten diese Erde niemals betreten. Dafür war es uns gestattet, uns einen Repräsentanten auszusuchen. Ich mir eine Jungfrau und du dir einen Knaben. Warum bist du hier? Dieser Junge tat bisher alles, was du von ihm wolltest. Warum brichst du unsere Vereinbarung?“
„Warum nicht? Diese Frau dort… ich wollte sie persönlich holen. Ich wollte sie mir nicht bringen lassen. Du siehst doch, dass mein nichtsnutziger Diener zu nichts taugt! Schwache Memme. Nie hätte ich ihm die Unsterblichkeit der Hölle geben dürfen.“
„Du hast WAS getan?? Du hast ihn unsterblich gemacht? Warum? Was war so Besonderes an ihm? Noch nie haben wir unseren sterblichen Vertretern Unsterblichkeit verliehen. Es ist gegen das Gesetz der Menschlichkeit.“
„Was kümmert mich dein Gesetz der Menschlichkeit? Er ist mein Diener und gehorcht daher nur meinen Befehlen. Was deine Frage angeht: Er wurde an dem Datum geboren, welches ich so sehr schätze und auf das ich jahrelang gewartet habe!“
„Der 6.6.666… nein.“, echote der Neuankömmling.
„Doch“, grinste Satan, „mein liebster Gott.“
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Kagome hatte einige Male versucht, Inuyasha zu rufen. Doch der hatte darauf nicht reagiert. Die Miko wusste sich keinen Rat, außer, in die Aura des Teufels zu rennen… aber das war zuviel verlangt. Doch auf der anderen Seite waren da die Frau und Inuyasha… irgendjemand musste ihnen helfen! Und es sah nicht so aus, als ob Gott oder gar Satan etwas unternehmen würden. Satan wäre es wahrscheinlich sogar ganz recht, wenn die Frau dort sterben würde.
Kagome befand sich in einer Zwickmühle. Sie könnte ganz einfach kehrt machen… aber… die Frau! Inuyasha! Sie hatte es nicht verhindern können, dass dieser junge Mann ihr ans Herz gewachsen war. Er hatte das getan, was bisher nur ihre Familie gekonnt hatte: normal mit ihr geredet. Zwar mit Respekt, ja, aber normal. Inuyasha war gewesen wie sie.
Kagome ballte die Hand zur Faust. Es war ihr egal, was für eine Aura der Teufel nun hatte! Das Wohlergehen ihrer Mitmenschen hatte allerhöchste Priorität! Trotzig warf sie den Kopf in den Nacken und trat den Schritt über die Grenze…
…die Grenze von Schwarz und Weiß.
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„Ich hätte es verhindern müssen“, murmelte Gott.
„Du hast es aber nicht getan. All die Jahre sagtest du, dass du an diesem wunderbaren Datum kein Balg auf die Welt kommen lassen würdest. Und doch ist es geschehen – drei der vier Kinder wurden umgebracht. Eines nicht. Und genau dieses lebt jetzt noch. Wenn seine Erdenzeit zu Ende ist, werde ich ihn zu mir holen.“
Satan grinste. Er wusste, dass Gott nicht unfehlbar war. Genau wie seine Menschen. Wie sagte man so schön? Der Apfel fällt nie weit vom Stamm.
Gott zuckte hoch. Er bemerkte, wie Kagome sich dazu anschickte, den Diener Satans zu berühren.
„NEIN!“
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Kagome zuckte zurück. Erschrocken starrte sie die reine Aura Gottes an, denn ihre menschlichen Augen waren immer noch nutzlos. „Wa… warum…?“, hauchte sie fragend, die eben noch ausgestreckte Hand an ihre Brust gepresst.
„Berühr ihn nicht“, sagte Gott leise. „Ihr beide würdet davon vergehen.“
Einige Sekunden lang starrte Kagome jene weiße Aura noch ein, bevor sie ihr Gesicht wieder der Aura Inuyashas zuwandte. „Aber… die Frau… Inuyasha…“, stammelte sie unglücklich.
„Nimm die Frau aus seinen Armen. Aber berühr ihn nicht“, sagte Gott leise.
Die Miko schnaubte. „Und wie?! Ich kann nichts sehen! Und die Aura der Frau ist auch schon fast fort…“
Niemand sagte etwas, bis Satan das Wort ergriff: „Ganz schön keck, deine kleine Jungfrau, lieber Gott.“ Es sollte spöttisch klingen und das hatte es auch getan.
„Komm zurück“, befahl der Allmächtige leise. „Du kannst nichts tun. Satan dürfte nicht hier sein, doch erlaubt ihm unser Vertrag, dass er Menschen zu sich holen darf. Er ist im Recht, auch wenn er hier ist. Komm zurück, Kagome.“
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Die Miko rührte sich nicht. Sie wollte es nicht. Sie wollte Inuyasha und die Frau nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Diese Frau trug ein Kind. Und Inuyasha war ihr ans Herz gewachsen. Er war wie sie. Wie könnte sie es verantworten, die einzige verwandte Seele zu verlassen?
…was also sollte sie tun…
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Gott sah auf seine Jungfrau hinab. Sie gehorchte ihm nicht. Sie blieb neben dem Diener Beelzebubs sitzen. Es gefiel dem Allmächtigen nicht. Wie konnte sie sich ihm widersetzen?
Gut und Böse sollten aneinander vorbei leben, nicht miteinander. Und doch hatte er das Ereignis in jener Nacht nicht verhindern können. Er wusste nicht, was Kagome dazu bewegt hatte, in dieser regnerischen Nacht nach draußen zu wagen. Er wusste nur, dass sie sich damals etwas von ihm losgemacht hatte. Kagome hatte das Böse gespürt. Genauso wie Satans Diener das Gute. Sie waren nicht fähig, nebeneinander zu existieren. Eigentlich hätten sie sich niemals begegnen sollen… gut, Beelzebubs Bursche war klüger gewesen, als er gedacht hatte… und zudem noch unsterblich. Was war an ihm, sodass Satan ausgerechnet ihn als den ewigen Diener gewählt hatte?
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Inuyasha konnte nichts sehen, seine ganze Existenz bestand nur aus der Farbe Schwarz. Schwarz… ja, das war die Farbe seines Lebens. Von Anfang schon. Seine Haare waren schwarz, er kleidete sich schwarz. War Schwarz nicht auch das Gegenteil von Weiß? War Schwarz nicht die Schuld, während Weiß der Unschuld verkündete? Ja… Schwarz war eine schlechte Farbe. Sollte es nach Gott gehen, wäre alles warm, weich und wunderbar. Eine verfluchte Illusion…
Wann war es noch mal gewesen, wo der Teufel ihn das erste Mal aufgesucht hatte? Bis zu jenem Tag hatte er sich völlig normal gefühlt. Jetzt wusste er… und wünschte sich, unwissend zu sein. Zu sterben…
--- Es hatte geregnet an jenem Tag. Der Himmel war grau und trist gewesen, und trotzdem hatte er sich auf die Straße gewagt. Das Gasthaus, in dem er als Küchenjunge gearbeitet hatte, war vor einiger Zeit abgebrannt. Seitdem schlief er auf der Straße und baute auf die Gastfreundschaft seiner Mitmenschen. Oft genug ernährte er sich von dem essbaren Müll, den er auf der Straße fand. Eigentlich hatte er an das Wunder geglaubt und eine kinderlose Witwe würde sich seiner annehmen. Wohlan, ein Wunder war geschehen, sein Leben hatte sich verbessert… doch auf eine andere Art und