Schwarz und Weiß

„Inuyasha“, hauchte sie, „Inuyasha.“

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Stillschweigend hatte Gott Satan zugehört. Auf einem Ohr. Mit dem anderen hörte er, wie Kagome den Namen der Schlange hauchte. Er wusste, dass er sich nicht wieder so gehen lassen durfte. Aber dass eine Verbindung zwischen Eva und dieser Schlange bestand, konnte er doch nicht dulden! Aber was sollte er tun? Satan hatte Recht, er könnte die Schlange nicht einfach so töten. Er musste auf natürliche Weise umkommen. Und von Gott getötet zu werden, war nicht natürlich. Es war nicht mal natürlich, dass er hier auf der Erde war.

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« Kagome-sama. Kagome-sama? Lebe ich noch? Kagome-sama, seid Ihr da? »
Nur ganz leise konnte Kagome diese Worte in ihrem Kopf hören. „Inuyasha“, wisperte sie. „Ich bin hier.“ Ganz zaghaft konnte sie eine Bewegung seiner Aura wahrnehmen. Kagomes Herz fühlte sich leicht an wie noch nie. Inuyasha! Inuyasha würde bald aufwachen!

„K… Kago… Kagome… s… sama…?“

Seine Worte waren kaum mehr als ein Hauch gewesen, doch Kagome war überglücklich. Er sprach! Er war da!

„Ist alles gut, Inuyasha. Alles ist gut. Ich bin da, hab keine Angst.“ Ein wenig fühlte sie sich, als würde sie zu einem verschreckten Kind sprechen.

„Wo… wo sind… wir…? Wa… s ist pass… passiert?“

„Keine Ahnung, wo wir genau sind. In einer Gasse, wo du dich mit der schwangeren Frau versteckt hast. Was passiert ist? Nun, du hast dich geweigert, Satan die Frau und das Kind zu geben… nachdem du bewusstlos geworden warst, ist Gott hier aufgetaucht.“ Dass er ihn fast umgebracht hätte, das verschwieg sie ihm lieber. „Ich hatte solche Angst um dich“, diesen Satz hauchte sie nur kaum merklich.

Inuyasha blinzelte, als er diesen letzten Satz gehört hatte. Auch in der Dunkelheit blitzen seine goldenen Augen kurz auf. Was? Kagome-sama hatte Angst um ihn gehabt? Warum? Doch er fand nicht die nötige Kraft, das zu fragen. Er verwendete sie lieber aufs Sehen. Denn was Inuyasha glaubte, zu sehen, war ein Engel. Ein Engel, der sein Engel war? Kagome-sama…

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„Warum? Ich verstehe das nicht. Wie kann es ein Band zwischen der Schlange und Eva geben?“, fragte Gott verständnislos. Wenn Satan gedurft hätte, hätte er dem lieben Herrn Gott ordentlich eine übergebraten. Dieser alte Kauz war blind wie sonst was!
„Warum? WEIL DAS DA WEDER DIE SCHLANGE IST NOCH EVA!!“
Durch Gott schien so was wie ein Ruck zu gehen. Was? Was hatte Satan da gesagt? Weder Schlange noch Eva? Aber… das… wie? „Wie?“, fragte er jetzt auch laut. Satan verspürte den unwillkürlichen Drang, laut aufzustöhnen. Wie konnte man nur so begriffsstutzig sein? Und das vor allem, wenn man Gott hieß?
Der Allmächtige blinzelte und allmählich wurde ihm klar, dass der Diener Satans weder grün noch länglich war. Und ihm wurde auch klar, dass Kagome zwar heilig, aber noch lange nicht Eva war. Und doch… das Band zwischen den Beiden behagte ihm nicht. Es sollte keine Verbindung zwischen Gut und Böse geben. Und doch existierte es. Hier. Und so gesehen, überall. Die Dämmerung war eine Verbindung von Tag und Nacht. Grau eine von Schwarz und Weiß. Es gab stets Verbindungen von Sachen, die eigentlich nur das gemeinsam hatten, dass sie nichts gemeinsam hatten.
„Satan… wann sind uns bloß die Fäden der Welt entglitten?“

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„Kagome-sama… seid Ihr ein Engel?“

Die Unschuld in dieser Frage überrollte Kagome förmlich. So… seine Stimme war so weich gewesen, so liebenswert. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sollte sie einfach Ja sagen? Auf gewisse Weise war sie ja schon einer.

„Seid Ihr… seid Ihr mein Engel, Kagome-sama?“

Kagome riss die Augen auf. Was? Was hatte er da gefragt? Sie? Sie, sein Engel? Nun, recht bedacht… brauchte nicht jeder eine Lichtfigur, einen Engel in seinem Leben? Und prompt fiel ihr eine Frage ein. Was war mit denen, die die Engel spielten? Was… als sie Inuyashas Augen sah, kannte sie die Antwort. Der andere würde der immer der Engel sein. Immer…

„Kagome-sama… bitte… nur… nur einmal… ich bitte Euch, küsst mich…“

Und in diesem Moment gab es nicht, was Kagome wichtiger gewesen wäre. Es war gleich, was danach geschehen würde. Ganz gleich, wie die Welt danach aussehen würde. Ihr ganzes Leben hatte sie nur an die anderen gedacht. Jetzt wollte Kagome nur an sich denken, nur ein einziges Mal. Das erste und letzte Mal in ihrem Leben.

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Von der Straße aus konnte man aus einer unscheinbaren Gasse etwas aufsteigen sehen. Etwas Schwarzes und Weißes. Das Weiße hatte große Engelsflügel, das Schwarze ebenso. Die Leute, die auf den Straßen waren, wussten, welche Gestalten dort verkörpert wurden: ein Erzengel und der gefallene Engel. Auf verdrehte Weise eins und seltsame Weise zertrennt. Das Schicksal hatte vorgeschrieben, dass jene sich niemals berühren dürften. Doch Liebe hatte Wege, die das Schicksal nicht verhindern konnte.

Erzengel und Gefallener trennten ihre Hände voneinander, um auseinander zu stoben. Beide flogen fort, an den Ort, der ihnen vorherbestimmt war, denn ewig konnte man dem Schicksal nicht entfliehen.

Kagome und Inuyasha würden sich nie wieder sehen, doch im Herzen würden sie immer vereint sein. Denn ohne Schwarz konnte Weiß nicht existieren.

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In der Gasse schlug eine junge Frau ihre Augen auf. Sie wusste nicht, wie sie dorthin gekommen war und was sie hier getan hatte. Nur noch vage erinnerte sie sich an das Gesicht eines jungen Mannes, doch bald würde die Erinnerung daran schwinden. Langsam und mit Vorsicht bedacht stand sie auf und sah in den Himmel. Der Himmel war in ein sanftes Blutrot getaucht. Die Frau würde nie erfahren, in wessen Gegenwart sie gewesen war. Sie würde niemals wissen, wer der Mann war, der sie in diese Gasse brachte. Und doch würde sie immer wissen, dass etwas geschehen war. Nur, was, das würde sie niemals erfahren. Es lag allein in Gottes Wissen… und in Satans.
Nie wieder würde es auf der Welt so starke Repräsentanten geben. Nie wieder würde man das Band zwischen Licht und Dunkel kappen. Denn Liebe konnte man nicht zerschneiden, genauso wenig wie die Dämmerung.

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Niemand, niemand bemerkte, wie der Wind sacht eine weiße und eine schwarze Engelsfeder auf der Krone eines mächtigen Baumes landen ließ.
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