Liebe über den Tod hinaus

versteckte.



Yo, der die ganze Zeit gedankenlos in die Sterne blickte und nicht wirklich wusste was er tun, denken oder gar fühlen sollte, spürte zwar wie Anna sich dichter an ihn schmiegte, doch aufsehen tat er erst als diese schließlich leicht zu zittern anfing.
„Wenn dir kalt ist dann geh ruhig rein. Ich bleibe noch etwas draußen!“, sagte Yo und sah kurz zu Anna, welche ihn wegen des kurz mitgeschwungenen, besorgt klingenden Untertons überrascht ansah. Besser als gar keine Gefühlsregung, dachte Anna erleichterter, auch wenn sie nur sehr klein und von noch kürzerer Dauer war. Denn kaum ausgesprochen wendete sich Yo wieder ab und sah wieder mit leerem Blick in die Sterne hinauf.
„Nein schon ok mir ist nicht kalt. Notfalls habe ich ja noch dich als Warmhalter Yo“, sagte Anna in dem Versuch ihren Mann ein bisschen neckend aufzumuntern, doch statt wie sonst zu lächeln zuckte Yo etwas Verständnisloses murrend mit dem Mundwinkel. Anna bemerkte dies aus dem Augenwinkel heraus, doch da sie ihn nicht verstehen konnte und ihr auch gerade etwas anderes in den Sinn kam, schenkte sie den geballten Händen fälschlicherweise keine Bedeutung.
„Weißt du eigentlich noch, dass morgen die anderen kommen werden, sogar mal alle, weil du am Sonntag Geburtstag hast. Kaum zu glauben dass nun schon so viele Jahre vergangen sind seit wir uns alle das letzte Mal zusammen gesehen haben“, sagte Anna und Yo stand mit einem zischenden „Jetzt reicht’s“ völlig überraschend auf und wollte schon zum Hoftor gehen als Anna irritiert aufsprang und ihn am Handgelenk packend zum Stoppen zwang.
„Was!“, knirschte Yo darauf etwas ungehalten und Anna sah ihn erst erschrocken an, ehe sie ihre Fassung wieder fand.
„Yo bitte… so kann das mit dir nicht weitergehen. Hör doch bitte auf dich selbst zu bestrafen“, sagte Anna flehend, unleugbar die Wahrheit treffend und lies Yo damit knurrend zu Boden sehen.
„Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst Anna!“, sagte Yo mit unterdrückter Stimme wütend, was Anna aber nicht davon abhielt jedes Wort verstehen zu können.
„Und wie du das weißt, Yo. Du machst dir immer noch Vorwürfe weil du Hao töten und dein Versprechen damit brechen musstest. Yo... er hätte anderenfalls uns umgebracht!“, sagte Anna und begann dabei langsam zu weinen. Warum verstand sie gerade selber nicht und schob es auf den Stress der Schwangerschaft. Yo aber bezog es auf sich und riss sich, diesem Schuldgefühl nicht standhalten könnend, aus Annas Griff, was diese wieder erschrocken zusammenzucken lies.
„Darum geht es doch gar nicht“, sagte Yo mit auf den Boden gesenkten Blick wütend und entfernte sich dabei einige Schritte rückwärts gehend von Anna, deren aufkommende Tränen er nicht sehen wollte.
„Worum dann Yo? Sag es mir, ich kann dir doch nicht mehr in den Kopf sehen“, sagte Anna und weckte dabei in Yo die Erinnerung an Haos Gabe Gedanken lesen zu können. Dies bemerkte Anna auch als Yo zornig zu ihr aufblickte, den Schmerz in sich dabei nicht zurückhalten könnend. Doch als er sah wie sich Anna dadurch erschreckte, kamen in ihm sofort neue Schuldgefühle hoch und er senkte beschämt den Blick darüber, dass er sich seiner schwangeren Frau gegenüber nicht im Zaum hatte.
„Yo ist schon in Ordnung, aber ich bitte dich… es bringt niemandem und vor allem auch deinem Bruder nichts wenn du anfängst dich selber fertig zu machen. Es gibt auch noch andere die dich brauchen und die deine Hilfe angenommen haben“, sagte Anna ruhig, ging dabei langsam auf Yo zu und griff wieder vorsichtig nach dessen Handgelenk, als sich dieser weitere Schritte von ihr entfernen wollte. Erschrocken zuckte der Braunhaarige unter der Berührung kurz zusammen, machte aber mit einem reuevollen Blick auf Annas Babybauch keine weiteren Anstalten ihr zu entfliehen. Dankbar ging Anna dies spürend ganz zu ihm und schmiegte sich an ihn, darum flehend dass es endlich aufhören sollte. Yoh endlich verstehen sollte, dass er Vergangenes nicht mehr ändern konnte. Nicht an seinen Schuldgefühlen zerbrechen durfte, wie es seinen Bruder mit seinem Hass auf alles und jeden zerrissen hatte.

Yo selber sagte und reagierte auch sonst auf nichts, doch das war Anna gerade furchtbar egal. Als Yo sie so zornig angesehen hatte konnte sie ihn nicht mehr einschätzen, weil Emotionen wie Wut, Trauer oder sogar Hass so absolut selten bei Yo waren. Selbst im Kampf gegen Hao war sich Anna sicher, dass Yo nicht nur aus Wut gehandelt hatte, sondern ein ganz anderes Gefühl von Ohnmacht vorne an stand. Doch welches hatte sie nie herausfinden können, genauso wenig wie sie verstand, warum Yo gerade so wütend geworden war... er in seinem Hass auf sich selber seinem Bruder ähnlich zu werden drohte.
Doch nicht etwa weil die anderen kommen wollten, kam Anna eine Vermutung in den Sinn, wollte aber durch ein Aufsehen zu Yoh nicht riskieren den Moment der kurzen Ruhe zu zerstören. So blieben sie noch eine ganze Zeit stehen und genossen beide einen der selten gewordenen Momente der gegenseitigen Akzeptanz von persönlicher Nähe. Anna hatte ihren Kopf gegen Yos Brust gelehnt und Yo seinen Kopf auf den ihren, was der Blondhaarigen einen Wärmeschauer nach dem nächsten über den Rücken gleiten lies. Sofort hatte Anna ihn darauf noch etwas fester umgriffen und auch Yo schlang seine Arme um ihre Taille, was die Jüngere erleichtert aufatmen lies, überglücklich, dass Yo sich vor ihr nicht ganz verschlossen hatte. So an der Hofeinfahrt stehend und das wenige Licht des baldigen Vollmondes genießend zog es die Jüngere fast schon in Erwägung ihrer Trauer freien Lauf zu lassen.
„Entschuldige bitte Anna“, sagte Yo aber so plötzlich und leise, dass Anna doch aufsehen musste um ihn verstehen zu können. Schnell schüttelte sie lächelnd den Kopf und schmiegte sich wieder an ihn, ehe es sich Yo doch wieder anders überlegen und wie sonst vor allem und jedem flüchten würde.
„Schon gut… sollen wir aber… nicht lieber wieder ins Haus gehen…? Ich frage dich auch nicht weiter aus, nur bitte... “, versprach Anna und Yo musste nun doch schmunzelnd lächeln, da er sich bei Annas warmen Lächeln kurz irgendwie erleichtert fühlte. Zu deren Enttäuschung aber schüttelte Yo den Kopf und löste die Umarmung sogleich wieder, ehe diese ihren Satz zu Ende sagen und ihn nur fragend ansehen konnte.
„Geh schon mal vor, ich komme nach Anna. Will nur noch etwas trainieren gehen um meinen Kopf freizubekommen“, sagte Yo und floh auch schon durch die Hofeinfahrt, bevor Anna sich seiner Worte richtig bewusst werden konnte. Zurück blieb eine verwirrte Ehefrau, die ihm traurig hinterher sah und wimmernd ihre Arme fest um ihren Oberkörper schlang.
Trainieren?… im Dunkeln! Yo, warum belügst du uns und vor allem dich selber, fragte sie sich und sah dem Richtung Friedhof laufenden Yo hinterher, ehe sie sich ein Schluchzen kaum mehr unterdrücken könnend umdrehte und ins Haus zurückging.

Manta, der alles aus dem Fenster hatte beobachten können, schwieg als Anna im Flur wortlos und ohne aufzusehen an der Küche vorbei Richtung Treppe zum Schlafzimmer ging. Dabei wusste er nicht ob sie jetzt einfach nur ihre Ruhe haben wollte oder gar nicht an ihn gedacht hatte. Bei beidem, so wusste Manta nur zu gut, war es besser die Itako in Ruhe zu lassen und so räumte er lieber das restliche Geschirr ein als etwas zu der Situation zu sagen. Wenn etwas passieren sollte könnte er immer noch nach Yo schreien, denn wenn schon sein Freund es gerade nicht konnte wollte wenigstens er als dessen Freund auf die werdende Mutter aufpassen bis das es der Vater selbst konnte.

Dieser hatte derweil auf dem Friedhof Halt gemacht, lehnte sich gegen einen Baum und versuchte krampfhaft sich zu beruhigen. Tränen drohten dem jungen Schamanen auszubrechen und der sich dabei zuschnürende Kehlkopf raubte ihn den zusätzlich Sauerstoff, nach welchem sein Körper durch die Aufregung und Gelaufen jetzt erst recht verlangte.
An den Baum den Kopf so weit es ging in den Nacken zurück gelehnt, um mehr Sauerstoff einatmen zu können, griff Yo mit einer seiner freien Hände zu seiner Brust und spürte wie ihm sein Herz bis zu Hals heraus schlug. Übelkeit machte sich daraufhin in seinem Körper breit, was Yo aber einfach nur ignorierte, da er dies als ein Witz dem gegenüber sah, was sein Bruder wohl gefühlt haben musste als er ihn getötet hatte. Er, der seinem eigenen Zwillingbruder den Tod statt die wie den anderen die Hoffnung zurückgebracht hatte. Er, als Haos Zwilling der Einzige mit einer Bindung zu dem Älteren, ihn nicht ganz angehört, seine stummen Aussagen nicht verstanden hatte. Er, der ein Versprechen gab, ehe sich ein Freund für ihn und seine Frau opferte, nicht wenigstens das hatte halten können.
Er einfach nur glaubte bei absolut allem versagt zu haben, was er begonnen hatte, egal ob Hao oder Anna und ihr kommendes Kind.Dabei hatte er es sehen können als sie sich miteinander verbunden hatten. Sehen und sogar selber spüren. Ein Schmerz aus Einsamkeit, Zorn und noch so vielem mehr, den er sein Leben lang nie wieder vergessen würde. Ein Ruf in dem Herzen seines Bruders, von welchem Yoh nicht mehr spüren wollte wie viel Suche nach nur ein bisschen Anerkennung seiner Selbst darin gelegen hatte. Deshalb hatten ihm Annas Worte von vorhin auch so wehgetan.
Sie warm halten. Klar wollte er das, aber was war mit seinem Bruder? Hatte ihn mal jemand gewärmt, ihn einfach nur mal in den Arm genommen und vielleicht auch gesagt, dass er seine Existenz akzeptierte... zumindest ein Mensch? Bestimmt nicht und doch hätte es wahrscheinlich so Vieles ändern können! Ihr sagen was ihn bedrückte. Es war so Vieles, dass er es selber nicht wusste und warum jemandem anvertrauen wenn auch keiner bereit war seinen Bruder verstehen zu wollen. Sich nicht selber bestrafen, was hatte er denn anderes verdient? Hatte sein Versprechen an
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