Sunheart
Zu schwach?
Bereits früh am Morgen bauten wir die Zelte wieder ab und starteten in der selben Aufstellung wie am Vortag. Kein einziges Mal blickte ich Sasuke ins Gesicht und ich war mir auch ziemlich sicher, dass er kein einziges Mal in meines Blickte. Was in der Nacht passiert war, sollte niemand erfahren, es war eine einmalige Sache und irgendwie war das auch gut so. Denn diese Nähe zwischen uns... es war unwirklich, wäre ich mir nicht ganz sicher, dass ich wach war in der vorherigen Nacht, dann würde ich sagen, es war nur ein Traum...
Die Bäume flogen wieder an meinen Augen vorbei. Krampfhaft presste ich den Gegenstand an mich und war wachsam. Meine Füße drückten sich immer wieder fest an einem Ast ab und ich hatte ein Gefühl von Sicherheit in ihnen.
Es vergingen mehrere Stunden, niemand sprach etwas, alle konzentrierten sich nur auf den Missionsauftrag. Dieses Mal war ich froh über die Stille, so musste niemand etwas von meiner Laune erfahren. Die Laune lag allerdings nicht nur an der vorherigen Nacht, es gab einen anderen bescheuerten Grund. Es lag daran, dass der Himmel von dicken, grauen Regenwolken überzogen war. Die Sonne hatte einfach keine Chance diese Wolkenmauer mit ihren Strahlen zu durchbrechen. In mir spürte ich ein leichtes Ziehen. Es war einfach eine Qual für mich ohne die Sonnenstrahlen durch den Tag gehen zu müssen und der Wunsch wurde immer größer: Ich wollte endlich ankommen, in Sunagakure, dem Wüstendorf. Dort gab es fast jeden Tag goldene Sonnenstrahlen, die sanft über deinen Körper glitten und in dir eine wohlige Wärme verbreiteten. Doch es war noch ein weiter Weg. Vor allem ging er noch eine ganze Weile durch diesen blöden Wald!
Plötzlich ließ mich ein Rascheln aus meinen Gedanken aufwachen. Ich hatte es deutlich gehört, doch der Rest der Gruppe schien nicht gerade den Anschein zu machen, dass irgendein Ton in deren Ohrmuschel angekommen wäre. Meine Augen wanderten wachsam über die Büsche. Hatte sich dort etwa irgendwer im Schutz der Blätter versteckt? Es war mir plötzlich unheimlich und mit einem fröstelnden Gefühl blieb ich stehen. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Shikamaru es und blieb ebenfalls stehen. „Was ist los?“ Mit einem ernsten Ausdruck sahen mich seine Augen an, doch ich nahm seine Frage gar nicht richtig wahr und blickte nur weiterhin angestrengt zu den Büschen hinüber. Shikamaru folgte offensichtlich meinem Blick, denn er meinte: „Hinata, könntest du mal nachschauen?“ Jetzt wandte ich meinen Kopf aber von dem Gestrüpp ab und Hinata zu. Wie wollte sie denn jetzt nachschauen? Doch da bildeten ihre Finger flink ein Fingerzeichen und in ihrem Gesicht traten Konzentrationsfalten um ihre Augen hervor. Nach einem kurzen Moment verschwanden sie wieder. „Und was ist?“, fragte Shikamaru sie ernst. „Da ist…“, setzte sie an, doch es war gar nicht mehr nötig, denn da raschelte es wieder und ein kleines Häschen hüpfte aus den Büschen heraus und verschwand wieder im nächsten. In mir fiel die ganze Anspannung schlaff zusammen. Nur ein Häschen?! „Nur ein Hase!“, meinte Shikamaru da auch schon genervt und verdrehte leicht seine Augen. Der Typ mit dem Hund auf dem Kopf begann zu lachen. Sollten die anderen sich ruhig lustig über mich machen, ich würde keine Miene mehr verziehen. Aber es war ja wirklich peinlich, ich hatte Angst vor einem kleinen Hasen gehabt! Die anderen wandten sich schon wieder um und hüpften weiter zu den nächsten Ästen. Ich folgte ihnen mit einem leicht geröteten Gesicht, die Augen zu Boden gerichtet. Niemand drehte sich zu mir, so blieb mir wenigstens diese Bloßstellung verschont!
Es ging also weiter. Baum, Baum und Baum. Das war alles was ich sah, wenn ich meine Augen über die Umgebung schweifen ließ. Es war langsam albern, wie lange konnte es denn noch dauern, bis wir endlich aus diesem Wald hier raus kamen?
In dem Moment erklang in meinen Ohren ein weiteres Rascheln. Das konnte jetzt nicht wahr sein! Ich schaute wieder zu den anderen. War ich hier etwa die einzige, deren Ohren solche Geräusche wahrnahmen? Hatten die anderen es wirklich nicht gehört, oder konnten sie etwa zwischen Hase und feindlichem Shinobi unterscheiden? Auf jeden Fall hatte ich keine Lust mir noch mal so eine peinliche Aktion zukommen zu lassen, also hielt ich den Blick fest nach vorn gerichtet und stellte meine Ohren auf Durchzug.
Nach einigen Stunden blieben wir dann stehen. Schließlich mussten wir die Nacht über einen Schlafplatz haben, der nach Shikamarus Meinung, an diesem Ort genau richtig war. Er teilte uns in Gruppen auf. Die einen sollten wieder Essbares besorgen, die anderen sollten die Gegend nach feindlichen Ninja durchsuchen. Ich wurde in die Ninja-späh Gruppe gesteckt…
„Sui, du wirst auch nach feindlichen Shinobi Ausschau halten. Sasuke wird mit dir mitgehen und auf den Gegenstand acht geben!“ Mich durchzuckte es. Was? Ich sah in Shikamarus Gesicht. Es war kein Scherz gewesen. Sein Gesicht war ernst. Shikamaru hatte mich gerade eben mit Sasuke in eine Gruppe eingeteilt! Mit SASUKE!! Protestieren konnte ich allerdings nicht, was hätten die anderen dann wohl gesagt? Es wäre heraus gekommen – unsere nächtliche Unterhaltung… In meinem Rücken konnte ich schon die stechenden Blicke von Ino und Sakura spüren, die sich dort tief hinein bohrten, nur weil ich mit Sasuke in einem Team war. Was sie wohl machen würden, wenn sie von der Nacht erfahren würden?
Als ich neben Sasuke her ging, hing zwischen uns in der Luft nur ein betretenes Schweigen. Ein unangenehmes Schweigen, das ich am liebsten gebrochen hätte, doch was hätte ich sagen sollen? Es wäre nur peinlicher geworden! Am besten wäre die gestrige Nacht nie gewesen, dann würde jetzt vielleicht trotzdem ein Schweigen zwischen uns herrschen, aber kein unangenehmes!
Mit einem Anspannen meiner Muskeln holte ich mich selbst aus meiner Gedankenwelt und machte mir klar, dass meine Aufgabe im Moment das Aufspüren von Ninjas war.
Mit scharfen Augen suchte ich alles ab. Es war nichts zu sehen, auch nach einer ganzen Weile nicht.
Allerdings konnte ich doch nicht so ganz bei der Sache bleiben. Meine Gedanken schweiften immer wieder zu Sasuke. Mein Mund wollte ihm endlich ein paar freundliche Wörter zu rufen, doch mein Verstand wehrte sich hartnäckig dagegen.
Als Sasuke vor mir stehen blieb, betrachtete ich seinen Rücken. Es war ein schöner und gerader Rücken, der von breiten Schultern gesäumt war. Sein Nacken, der aus seinem T-Shirt lugte, wirkte hübsch, vor allem die schwarzen Haare die ihn umspielten, machten ihn zu diesem hübschen Gesamtbild, das man am liebsten sanft berührt hätte. Ob Sasukes Nacken wohl warm und weich war? In diesem Moment, indem ich meinen Verstand mit dem Sasukebild abgelenkt hatte, schaffte es mein Mund den Verstand zu besiegen und ein paar Worte kamen heraus.
„Sasuke, das wegen gestern Nacht…“ „Halt den Mund!“, unterbrach er mich mit einem harten Ton. Ich zuckte zurück. Ich sollte den Mund halten? Wollte er etwa das Geschehene verdrängen, oder was hatte er denn jetzt für ein dämliches Problem? Doch im nächsten Moment erübrigte sich die Frage für mich, denn ein feindlicher Ninja hüpfte mit einem eleganten Salto aus dem Gebüsch und landete nur knapp vor uns. Ich war vor Schreck erstarrt. Wie gelähmt. Nichts ließ sich mehr bewegen, ich hatte meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle. Ich hatte ihn gar nicht gehört gehabt, oder lag es daran, dass meine Ohren immer noch auf Durchzug standen? Der Ninja blickte auf den Gegenstand, den ich fest an mich gepresst hielt, grinste und stand plötzlich ganz dicht vor mir. „Du hast es. Sehr schön! Ich habe mich also nicht verguckt. Weißt du Schätzchen, ich habe dich schon den ganzen Tag beobachtet…“, meinte er mit einer dunklen und säuselnden Stimme. Er streckte seine Hände schon nach dem Gegenstand aus und hätte ihn mir sicherlich ohne große Anstrengung entnehmen können, denn ich war wieder in meinen alten Missionsstil
zurückgefallen: Vor Angst gelähmt, unfähig irgendetwas zu unternehmen! Doch da traf ihn Sasukes Faust direkt ins Gesicht. Der Ninja wurde nach hinten geschleudert, schon war Sasuke bei ihm und rammte ihm seinen Fuß in die Eingeweide, so dass aus dem Mund des Shinobis Blut spritzte. Er wurde hart gegen den nächsten Baumstamm befördert. Ein Knacken war zu hören und der Ninja sackte leblos am Boden zusammen.
Erschrocken hielt ich mir die Hand vor den Mund, damit kein Schrei heraus rutschen konnte. Mit geweiteten Augen blickte ich zu Sasuke. Er drehte den Kopf und das erste Mal, seit der gestrigen Nacht, schaute er mir wieder ins Gesicht, direkt in meine Augen. Seine waren hart. Sein ganzes Gesicht machte einen harten Eindruck. Einen abschätzigen. „Wieso hast du nichts getan, du weißt, dass du den Gegenstand beschützen musst und dieser Shinobi war alles andere als schwer. Mit Leichtigkeit hättest du ihn ausschalten können!“ Ich konnte ihm nicht antworten. Es kamen keine Worte über meine Lippen. Seine Augen verengten sich, dann sagte er es mir mitten ins Gesicht, kalt und nackt: „Du bist zu schwach!“ Mit diesen Worten drehte er sich um und begann wieder die Umgebung zu durchsuchen. Hart prallten die Worte an meinem Gesicht ab. In mir fühlte ich dieses schwache, hässliche Etwas, das ich zu Beginn verdrängt hatte. Jetzt war es wieder da, das Etwas das niemals zu einem richtigen Ninja werden würde! Doch noch etwas war in meinem Inneren. Es war etwas seltsames, ein Gefühl, das unangenehmer war, als das schwache Ding. Als ob in mir gerade etwas zerbrochen wäre und bei jedem Gedanken, der von Sasuke und diesem Geschehnis handelte wurde dieses schmerzende Gefühl größer!
Zögernd folgte ich Sasuke, allerdings konnte ich nicht verhindern, dass mir Tränen in die Augen stiegen.
Sasuke suchte alles von Neuem ab, doch dieser feindliche Ninja blieb der einzige.
Als wir wieder bei den anderen