Weihnachtsengel
Schutzengel
„Seto........komm endlich. Ich warte schon so lange, gleich geh ich ohne dich los“, rief Mokuba. In seiner Stimme lag ein kleiner Hauch von Wut. Er wartete unten in der Kaiba-Villa auf seinen großen Bruder und schaute zu den Treppen hoch. Es war kurz vor Weihnachten und er wollte zusammen mit Seto draußen einkaufen gehen und die kalte, schneereiche Zeit genießen. Mokuba freute sich immer sehr über Weihnachten, aber für Seto schien die kalte Jahreszeit und das Fest der Liebe nichts zu sein. Und dennoch riss er sich zusammen. Er wollte wie jedes Jahr Mokuba ein schönes Weihnachtsfest bereiten und würde mit ihm einkaufen gehen.
„Da bin ich schon, kleiner Bruder“, lächelte Kaiba.
„Na endlich, das hat ja lange gedauert“, meckerte Moki rum.
„Die Geschäfte laufen dir schon nicht weg. Außerdem wenn du was willst, dann lassen uns die Menschen schon vor. Sie wissen wer ich bin“, grinste Seto.
„Das ist nicht der Sinn von Weihnachten“, seufzte Mokuba. Er war von seinem Bruder enttäuscht und konnte es einfach nicht glauben. Seto war so eiskalt wie immer. Auch wenn Mokuba wusste, dass dies eigentlich nur eine Fassade seines Bruders war, war es für ihn schlimm, besonders in der Weihnachtszeit, wo alle Menschen fröhlich waren. „Ich glaub, es wäre besser, wenn ich alleine gehe“, sagte Moki traurig. Von Seto wollte er nichts hören und ging los. Gebannt bleib Kaiba alleine in der großen Villa zurück. Noch nie hatte sich Mokuba so verhalten, noch nie machte es Seto so viel aus.
„Tut mir Leid, Mokuba“, murmelte Seto. Er war nicht geschaffen für so was und lange dachte er nicht mehr daran. Die Arbeit schien ihm wieder wichtiger zu sein und er ging nach oben in sein Arbeitszimmer.
Draußen konnte man ein seufzen hören, es war Mokuba. Er wartete auf seinen Bruder und hoffte, dass ihm dieser nachgehen würde, aber dem war nicht so. Mokuba hatte das Gefühl, als wäre Seto die Arbeit wichtiger als der Tag mit ihm. Verärgert und traurig ging der Kleine wieder in die Villa. Sein Weg führte ihn in sein Zimmer, wo er sich einfach nur auf das Bett fallen ließ und versuchte alles zu vergessen. Den ganzen Tag über arbeitet Seto und er schien die Zeit vergessen zu haben. Es war der 23. Dezember und spät Abends. Am nächsten Tag war Weihnachten, doch in der Villa war kaum was davon zu sehen. Im Wohnzimmer war zwar alles geschmückt gewesen und der Baum stand auch schon, aber in den restlichen Zimmer war Kälte.
In seinem Zimmer blickte Seto auf die Uhr. Es war 21 Uhr. Seufzend stand Kaiba auf. Geschenke brauchte er keine, aber dennoch wollte er noch nach draußen, die klare Nacht genießen und über alles nachdenken. Langsam machte er sich mit seinem Mantel auf den Weg. Genussvoll atmete er die kühle Luft ein, sie erinnerte ihn an sich. Er war genau so kalt gewesen, wenn Mokuba nicht da war. Hier konnte er entspannen, es waren nur wenige Menschen auf den Straßen unterwegs. Sie alle waren in den Läden, die an diesem Tag bis Mitternacht geöffnet hatten. Die ganze Zeit musste er an Mokuba denken und auch an die Zeit vor Weihnachten. Mokuba hatte ihn die ganze Zeit versucht zu überreden, Weihnachten richtig zu feiern, aber er hatte nichts dafür übrig. Es war das Fest der Liebe, aber von Liebe bekam er kaum was mit. Keiner liebte ihm, es gab auch keine Person, die ihm zeigte wie man liebte. Das komische dabei war, dass die beiden Brüder gemeinsam aufwuchsen, aber total unterschiedlich waren. Mokuba wusste was Liebe war und die ganze Zeit versuchte er, diese auf Seto zu übertragen. Doch Seto war stur gewesen, viel zu stur. Er wollte Weihnachten wie immer feiern, am 24. abends zusammen mit Mokuba essen und ihm seine Geschenke überreichen. Damit wäre der Tag für ihn vorbei gewesen. Natürlich würde er freundlich sein und die Arbeit mal ruhen lassen und das alles nur für seinen Bruder.
Es fing an zu schneien, dicke, weiße Schneeflocken fielen vom Himmel herunter. Im Licht der Lampen glitzerten sie und verrichteten eine schöne Atmosphäre, genau passend für Liebespaare.
Während Kaiba die Straße entlang ging, schaute er sich kaum um. Immer weiter weg ging er, bis er schließlich in den Park kam. Hier war es dunkel und wenig Menschen waren da, aber eine Person fiel ihm als erstes auf. Sie war mit Schnee bedeckt und er konnte sie kaum richtig sehen. Das Mädchen saß auf einer Bank, alleine und einsam. Sie erinnerte ihn im ersten Augenblick an ihn selber und er konnte sich in ihr wiederfinden. Das Mädchen hatte lange, weiße Haare und war 18 Jahre alt. Drei Jahre jünger als er. Ihre hellblauen Augen schauten ihn an. Im Vergleich zu ihrer ganzen Person, waren sie in diesem Kontrast das auffallendste. Das Mädchen trug ein langes weiß-blaues Kleid, dass ihr wundervoll stand und wenig von ihrem Körper repräsentierte. Schuhe trug sie keine mehr. Wie jedes Jahr zu Weihnachten stattet sie der Suppenküche von Domino einen Besuch ab und verteilte mit anderen freiwilligen Essen. Eine der Frauen tat ihr Leid, diese hatte keine Schuhe mehr und ihre Füße waren blau angelaufen. Weil sie nett sein wollte, gab sie dieser ihre Schuhe.
Langsam ging Seto weiter zu ihr, er beobachtete sie aus der Ferne und dann fiel sein Blick auf etwas glänzendes in ihrer Hand. Es war ein kleines Taschenmesser, das mit der Messerklinge aufgeklappt war.
Als sie den Blick von Kaiba weg wandte, schaute sie auf das Messer. Sie schob die Ärmel ihres Kleides nach oben und war bereit, sich selber zu verletzen. Es war niemand da, niemand würde es sehen oder bemerken. Sie wusste, wie die Menschen waren, die interessierten sich nicht für das, was jemand anderes machte.
„Was hast du vor?“, fragte Seto nach. Er setzte sich einfach auf die Bank neben ihr und schaute sie an. „Wie bitte?“, stammelte das Mädchen irritiert. Sie hatte nicht gemerkt, dass Seto so nah bei ihr war und schreckte bei seiner Frage auf. Das Messer ließ sie fallen.
„Was hast du vor?“, wiederholte Kaiba seine Frage. Er bückte sich und hob das Messer auf. Damit nichts schlimmeres passieren konnte, klappte er es zu und packte es in seine Jackentasche.
„Ich will mich scheiden“, meinte das Mädchen.
„Warum verletzt du dich selber? Das ergibt einfach keinen Sinn“, warf Kaiba ein.
„Weil ich mich dann besser fühlen werde“, antwortete sie ihm. In diesem Moment schaute sich Seto die Arme des Mädchens an. Bisher waren da keine Narben und daraus schloss er, dass es das erste Mal wäre, dass sie sich selber verletzen würde.
„Warum willst du dich besser fühlen? Nenn mir einen plausiblen Grund, warum du das machst“, sagte Seto. Er verstand es nicht, wenn sich Menschen schnitten. Was sollte das bringen?
„Es ist für mich eine Art um meine Traurigkeit auszudrücken und dem alltäglichen Leben zu entfliehen“, meinte Kisara.
„Wieso? Du machst es dir zu einfach. Es gibt andere Menschen, denen es weitaus schlimmer geht. „Du weißt nichts von mir, du kennst meine Vergangenheit nicht. Du weißt nicht, wie es ist immer wieder verletzt zu werden und nichts sagen zu können. Du weißt nicht, wie es ist, wenn alles von den Menschen ausgeht, die man am meisten liebt. Du warst nie so alleine wie ich....“, sagte die weißhaarige.
„Das beweist, wie wenig du mich kennst. Ich weiß sehr wohl, wie es ist, wenn man alleine ist und einsam. Mir geht es genau so. Ich weiß wie es ist dauernd verletzt zu werden und immer den Schein zu wahren. Ich kann mir genau denken, wie es ist, aber ich gebe nie auf. Ich kämpfe, dass es wenigstens meinem Bruder besser geht und ich lass mich nicht unterkriegen, egal was passiert. Sich schneiden ist keine Lösung. Es macht es nicht besser“, entgegnete Kaiba etwas traurig. Er erinnerte sich wieder an seine Vergangenheit und an alles, was er je bei Gozaburo erlebt hatte. Es war die Hölle auf Erden für ihn gewesen. Er wurde einfach bestraft, bestraft, weil er versuchte, seinem Bruder eine glückliche Kindheit zu geben.
„Du bist stark, ich bin es nicht. Ich bin ein niemand, ich kann nicht so stark sein wie du. Ich bin anders“, warf das Mädchen ein.
„Das ist doch Unsinn“, zischte Kaiba und sah sie an. „Jeder kann stark sein.“
„Feierst du morgen Weihnachten?“, wollte Kisara wissen. Sie wechselte das Thema, weil sie nicht mehr mit ihm über das alles reden wollte. Sie konnte sich schon denken, was er sagen würde und wollte dies nicht hören. Innerlich wusste das Mädchen, dass er Recht hatte, aber sie konnte es nicht zu geben.
„Ich feier mit meinem Bruder. Aber ob man das Feiern nennen kann, weiß ich nicht. Wir essen gemeinsam und dann gibt es seine Geschenke. Das wars auch schon. Mehr machen wir nie“, antwortete Seto. Es war ihm ein klein wenig unangenehm gewesen, ihr zu sagen, wie Weihnachten bei ihnen aussah. „Was ist mit dir? Feierst du?“, stellte er schnell die Gegenfrage.
„Nein, ich hab niemanden zum feiern. Ich bin ganz alleine“, seufzte das Mädchen.
„Was wirst du morgen tun?“, wollte er von ihr wissen.
„Ich werd mich wohl in mein Zimmer begeben und dort warten bis der Tag vorbei ist. Vielleicht leg ich mich ins Bett und denke an alte Zeiten, dann weine ich sicher und warte bis ich einschlafe, damit der Tag endlich vorbei geht“, zählte Kisara auf. „Wie sieht es bei dir aus?“, fragte sie nach.
„Eigentlich ähnlich, aber ich versuche lieb und nett zu sein. Ich will meinem Bruder ein schönes Weihnachten bereiten, auch wenn ich selber keine Lust dazu habe, aber für ihn würde ich alles tun“, antwortete Seto. Er schaute wieder zu ihr. Sie sah ihn mit ihren großen blauen Augen an, es war ein trauriger Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich beneidete sie ihn darum, dass er jemanden hatte mit dem er feiern konnte.
„Du hast es gut, du hast jemanden zum feiern. Bei mir sieht es da schon ganz anders aus“, seufzte Kisara leise.
„Du hast doch sicher auch jemanden. Ich kauf es dir nicht ab, dass du alleine bist“, meinte