Fanfic: Divided Blood
Kapitel: Das Leben wird immer komplizierter
Mein Heft war leer, einfach leer und weiß, genauso wie mein Kopf. Mir blieben nur noch ein Paar Minuten, um den Text fertig zu schreiben, aber ich habe noch nicht mal das Datum hingekritzelt. Mit der Rückseite meines Stifts malte ich Kreise auf das leere Blatt. Was soll’s, dachte ich mir. Dann ist Kyle eben ein Halbvampir. Wen kümmerts?
Mich kümmerte es. Die letzten paar Tage, in denen ich bereits wusste, was oder eher wer er wirklich war, änderte sich sehr viel. Er berührte mich nicht mehr so oft, er hielt kaum meine Hand. Wenn ich mit ihm redete, versuchten wir beide normal zu wirken, doch es war wie eine Glasmauer zwischen uns. Es war, als hätte ich einen Teil von mir verloren, den Teil, ohne den ich nicht leben konnte. Es war keine Liebe, es war etwas anderes und festeres, das und beide früher verband und jetzt plötzlich weg war. Jedes Mal, wenn er sich neben mich setzte, wenn er mich begrüßte, erschrak ich, wodurch ich ein schlechtes Gewissen hatte. Ihn verletzten war das Letzte, was ich wollte, doch es ging nicht anders. Besonders kränkte es ihn, dass ich nur vor ihm Angst hatte, nur vor ihm allein, obwohl ich jeden Tag von lauter Drecksblütern umgeben war.
Es klingelte und ich gab mein leeres Heft ab. Mrs. Launay hielt mich auf.
“Was ist bloß los mit dir Takara? Jeden Tag wirst du immer schlimmer.” Sie redete so unterdrückend auf mich ein, dass ich anfing, mich schlecht zu fühlen.
“Es tut mir Leid, Mrs. Launay.” , sagte ich piepsig. Ihre Miene wurde weicher.
“Du weißt, dass wenn du Probleme hast, du dich immer an mich wenden kannst.” Na klar, dachte ich mir. Wenn ich ihr die ganze Geschichte erzählen würde, würde sie mich kurzerhand zu einem Psychiater schicken, oder sogar ins Krankenhaus.
“Schon gut, Mrs. Launay.” Ich ging schnell aus dem Klassenzimmer. Ich war froh, sie losgeworden zu sein. Am Ende des Ganges wartete Liss bereits auf mich. Sie packte mich unterm Arm und zog mich in die Cafeteria. Ich versuchte gegen ihren Griff zu Kämpfen, doch sie war stärker, als sie aussah.
“Wohin gehen wir? Wir haben doch noch keine Mittagspause.” Liss lachte.
“Aber Cassandra! Du wirst schon sehen!” Ich dachte nach und mir gefror das Blut in den Adern. Ich riss mich los.
“Du wirst sie doch nicht…”
“He?” Liss schaute mich eine Weile an, dann verstand sie, was ich dachte. Ihr lachen erfüllte den Gang. “Nein du Dummerchen, ich werde sie doch nicht pulverisieren oder sowas! Das ist nur ein kleiner, harmloser Streich.” Misstrauisch ging ich ihr hinterher und wir betraten die Cafeteria.
Die drei Schwestern saßen bereits an einem Tisch mitten im Saal und aßen kichernd. Eigentlich unterhielten sie sich eher, das konnte man nicht genau sagen. Ich und Liss schlichen uns an einen Tisch nicht weit von ihnen und setzten uns hin.
“Pass mal auf.” , flüsterte Liss lächelnd. Sie machte eine Art Welle mit der Hand. Ich machte meine Augen zu kleinen Schlitzen und konzentrierte mich fest an den Tisch. Und tatsächlich! Das Tischbein fing an leicht zu beben und sich zu bewegen, das Geräusch ging aber unter in dem großen Raum. Ich schaute zu Liss, die sich gerade sehr stark konzentrierte, das sah man ihr an. Ich schaute mich um, doch keiner schien was zu merken. Alle saßen und aßen munter, also sah ich nochmal zu Liss.
“Guck”, flüsterte sie. Ich schaute an den Tisch von den drei Schwestern und konnte nicht glauben was passiert war, es ging einfach zu schnell! Ehe ich mich versah, saßen Cassandra und Gina schreiend und schmissen die Spaghetti von ihren Blusen. Ayumi stand daneben und war hin und her gerissen zwischen Mitleid und Lachkrampf. Ich schaute auf das Tischbein, das vorher so gebebt hat. Dieses war in zwei Stücke gerissen und lag neben dem Tisch. Der Schall, den sie in ihre Richtung gesetzt hatte, hatte das Tischbein einfach auseinander gerissen. Einfach so! Ohne große Mühe! Cassandra und Gina schrieen die ganze Schule zusammen.
“Wer war das!?” , schrie Cassandra mit schrecklicher Wut, stand auf und bedrohte die Menge. Gina stand auch auf und blickte sich um. Fast die ganze Cafeteria lachte. Ayumi drehte sich elegant zu mir um und schaute mich hasserfüllt an, woraufhin ich ein bisschen nach hinten schrak. Liss nahm meine Hand und zog mich zum Gang, wo sie dann lachend stoppte. Ich unterbrach sie ungern, aber ich wollte einfach wissen, wie sie das gemacht hatte.
“Was hast du gemacht? Du hast einfach..!” , sagte ich. Ich klang erschrockener, als ich eigentlich war, was ihre Antwort beeinflusste.
“Mach dir keine Sorgen, es ist nur Schall. Es tut niemandem was! Ich kann das nur bei Gegenständen…” Sie lachte.
“Also war das dein Werk?” Tucker erschien hinter ihr. Er hatte die Arme verschränkt und guckte streng. Sein durchbohrender Blick hatte sich etwas gewandelt, er hatte was furchteinflößendes an sich. Wahrscheinlich war er auch in der Cafeteria gewesen und hat alles mitgesehen. Sein Blick war kalt und trotzdem wuterfüllt. Liss drehte sich zu ihm um.
“Ach komm schon, sie haben es verdient.”
“Du hättest uns alle in Gefahr bringen können, ist dir das klar?” , schrie er mit bedrohlichem Ton.
“Hab ich aber nicht, also ist alles gut.” Tucker fasste sich an den Kopf.
“Es ist nichts gut, Liss! Was würde passieren, wenn man erfahren würde, wer wir sind?”
“Musst du dich immer so aufregen?” Der Streit fing an. Viel fing ich nicht auf von den Wörtern, denn sie diskutierten nicht nur über den Vorfall in der Cafeteria. Sie stritten wie ein altes Ehepaar. Das hätte man echt sehen müssen. Weil ich wusste, dass Liss mich eh nicht bemerkte, ging ich allein zur nächsten Stunde. Ich war jetzt schon zu spät, denn die Gänge waren fast ganz leer. Aber ich beeilte mich trotzdem nicht. Es war einfach mal schön Zeit für sich allein zu haben. So kriegte ich richtig den Kopf frei. Liss’ Worte geisterten in meinem Kopf rum: Ich kann das nur bei Gegenständen… Aber Menschen sind auch Gegenstände, oder nicht? Dass ich mal an Stelle von dem Tischbein sein könnte, drehte mir den Magen gewaltig um. Ich hatte mir schon gedacht, dass Liss stark war, aber dass sie so stark war, hatte ich mir echt nicht vorgestellt. War sie denn damit für mich gefährlicher als Kyle? Sollte ich mich von ihr fernhalten? Fragen über Fragen, aber keine Antwort und keiner, dem ich diese Fragen stellen könnte.
Auf der Zielgeraden zum Klassenzimmer gab es einen Tisch, auf dem meistens einfach nur Pflanzen standen, die ständig von den Raudis umgeworfen wurden. An diesem Tisch stand angelehnt jemand, der mir sehr bekannt vorkam, schon von Weitem. Die Bluse war weiß, der Rock braun. Die Haare waren elegant schwarz und sehr lang. Sie hob den Kopf, stand gerade auf und ging mir entgegen mit dem Gang eines Models. Ihre grauen Augen funkelten trotz des schwachen Lichts. Ich blieb stehen, sie auch, auf der sicheren Entfernung von ca. 2 Metern. Während wir schwiegen, betrachtete ich ihr Gesicht, wo ich jetzt zum ersten Mal die Chance hatte. Sie war sehr hübsch, so hübsch, dass jedes Mädchen glatt neidisch werden würde bei ihrem Anblick. Es kam mir aber sehr bekannt vor. Nicht von ihr aus, sondern als hätte ich es schon einmal irgendwo anders gesehen.
Sie atmete auf und ging dann mir vorbei. Ich drehte mich um und schaute ihr nach. Sie stoppte noch mal, drehte sich zu mir und lächelte leicht spöttisch.
“Ich weiß, dass es deine kleine Freundin war, die den Streich gespielt hat. Sag ihr lieber, sie soll es lassen, bevor ihr was schlimmes passiert.” Als Reaktion nickte ich lerschrocken. Sie ging weiter und verschwand hinter der rechten Ecke, Richtung Sporthalle. Ich drehte mich leicht verängstigt um und ließ ihre liebliche Stimme noch mal in meinem Kopf spielen. Es war verrückt, es nach ihrer Drohung zu denken, aber ihre Stimme war wunderschön. Sie war nicht zu tief, nicht zu hoch, nicht zu kindlich, nicht zu erwachsen. Einfach perfekt! Diese Stimme klingelte einfach in den Ohren, aber man wollte sie immer weiter hören. Ich schüttelte den Kopf, als wollte ich die Gedanken abschütteln und machte mich schnell auf den Weg zum Zimmer.
Als ich die Tür aufmachte, kam mir schrecklicher Lärm entgegen. Die meisten Jungs tanzten auf den Tischen zu lauter Musik aus dem CD-Player und die Mädchen gesellten sich entweder zu ihnen, oder sie schlossen sich zu Gruppen zusammen und tuschelten, was aber bei dem Krach fast unmöglich erschien. Ich schaute mich um und merkte an meinem Tisch Kyle sitzen. Als er mich auch noch anlächelte, machte mein Herz einen Sprung, denn es fühlte sich wieder so an, als wäre alles wie vor zwei Wochen. So schnell wie möglich setzte ich mich neben ihn und er erklärte mir die “Party”:
“Mr. Mauren ist nicht da und man konnte keine Vertretung auftreiben.”
“Hab ich mir schon gedacht” Ich lächelte, was mir komischerweise sehr leicht fiel, trotz meiner Belastung durch die letzten Tage. Es war wirklich wieder so leicht wie früher. Komischerweise ganz plötzlich. Kyle stützte mit seinem linken Arm seinen Kopf und fragte mich aus.
“Du warst doch heute in der Cafeteria oder? Was ist da eigentlich passiert?” Ich wollte anfangen, doch Tucker unterbrach mich. Dass er so leise war, dass wir ihn nicht bemerkt hatten, hatte ich nicht gedacht. Er setzte sich, ohne den Stuhl umzudrehen, vor uns und wandte sich zu Kyle.
“Liss! Das ist passiert!”
“Oh nein!” Kyles entspannte Haltung wurde verkrampfter. Wie es aussah, war es nicht das erste Mal, dass Liss so was anstellte. Tucker schaute mich streng mit seinem bohrendem Blick an.
“Warum hast du sie nicht aufgehalten?” Ich machte den Mund auf, obwohl ich nicht wusste, was ich sagen sollte, aber Kyle setzte sich für mich ein.
“Lass sie in Ruhe! Sie kann nichts dafür!” Es nervte mich ein wenig, dass ich nicht mitreden konnte, aber viel konnte ich dagegen nicht machen. Tucker atmete schwer auf. Tucker wusste, dass