Trödeln
Trödeln
"Das du immer so trödeln musst!", schimpfte eine braunhaarige Frau mittleren Alters, die sich als meine Mutter herausstellte.
"Es ist ja nicht nur heute so gewesen. Es ist immer so!" fuhr sie ihre Schimpftirade fort. "Nimm dir mal einen Beispiel an deinen großen Bruder Georg, der braucht beim Aufstehen nur wenige Minuten. Aber du moserst erst eine halbe Stunde in deinem Zimmer herum. Das kann doch nicht angehen. Hörst du mir überhaupt zu?"
Ich blickte von meinen Hausaufgaben auf und sah zu meiner Mutter, die am Küchentisch stand, ihre Hände hatte sie an den Hüften gestemmt.
"Ja", antwortete ich knapp.
Ihr schien diese Aussage zu reichen und drehte sich wieder um, um ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. Schnelles Klacken des Messers ertönte, welches gegen das Brett schlug, wenn es das Gemüse durchschnitt. Es hörte kurz auf, als sie einige Haarsträhnen aus ihren Gesicht strich, erklang aber gleich darauf wieder.
"Und das du nie rechtzeitig nach der Schule zu Hause sein kannst und nie die Zeit einhalten kannst, die man dir vorher sagt. Du weißt doch, das dein Vater und ich zurzeit viel zu tun haben. Die Zeit zwischen einigen Terminen ist sehr knapp, da kann man es sich nicht leisten, eine halbe Stunde zu spät zu kommen. Das du dich etwas beeilen könntest um auf deine kleine Schwester aufzupassen, ist doch nun auch nicht zu viel verlangt, oder?"
Brummend stimmte ich ihr zu. Eine rhetorische Frage, die keine Antwort verlangte. Wie üblich...
Sie füllte die geschnittenen Gurkenscheiben und Salatblätter in eine Schüssel. Kleine Paprikastücke folgten. Ich senkte meinen Blick wieder auf mein Schreibheft.
"Und das du heute beim Einkaufen wieder so trödeln musstest. Hab ich dir das beigebracht, dass du das immer tust? Oder sind deine Freunde auch so drauf und du machst es ihnen nach, um auch so "cool" zu sein wie sie?"
"Nein."
"Du solltest in dieser Sache deine Sicht wirklich mal ändern. Sonst wird aus dir ja nie was. Wie willst du das dann deinem Chef erklären? Passiert das öfter, stempeln sie dich als unzuverlässig ab und suchen sich eher einen neuen als dich weiter arbeiten zu lassen. Das ist wirklich nicht gut."
"Hmm."
Plötzlich ertönte ein Schreien rechts von mir und zucke vor Schreck zusammen.
"Ach Sarah", sagte meine Mutter und wetzte zu meiner kleinen Schwester herüber. Ich hatte total vergessen, dass sie auch noch im Zimmer war. Eine kleine Stoffente entdeckte ich einen Meter neben dem Kinderstuhl auf dem Boden. Anscheint war ihr Bibi, die Ente zu langweilig geworden und sie suchte wieder nach Aufmerksamkeit.
Meine Mutter hatte sie in den Arm genommen und wiegte sie leicht hin und her, um sie zu beruhigen. Es gelang ihr nicht.
"Ich glaub', sie hat in die Windeln gemacht. Könntest du bitte herauf in ihr Zimmer gehen und eine frische Windel holen?"
"Klar, kein Problem", gab ich von mir.
Ich griff nach meinen Krücken, die neben mir an der Wand gelehnt waren und zog mich mit ihnen auf eine aufrechte Position. Mit einem Bein humpelte ich aus der Küche.