One day I'll fly away
wusste wie und wann sie das Saatgut aussähen musste – eben die wichtigen Dinge um auf dem Land zu überleben. Doch von wirklich wichtigen und interessanten Dingen – so fand sie, hatte sie keine Ahnung. Nicht von Geschichte, Politik. Sie hätte noch nicht mal näher auf der Landkarte bestimmen können wo sie genau lebte. Eine Traurige Tatsache wie sie fand.
Eine zierliche Frau betrat den kleinen Kochraum. Sie trug pechschwarze Haare und hatte ihre lange Haarpracht zu einem strengen Zopf zusammen gebunden. Ihre Haut war blass und bildete einen starken Kontrast zu ihren Haaren. Sie runzelte besorgt die Stirn, als sie Ailana über die Bücher gebeugt sah. Doch ihre Besorgnis verflog sogleich, als ihr Blick zum Eisenbeschlagenen Ofen fiel. Verärgert stemmte sie eine Hand in ihre Hüfte.
„Ailana, du solltest doch das Feuer schüren und was sehe ich? Nichts!“
Dabei deutet sie mit der anderen Hand auf den Ofen der immer noch kein Feuer trug. Angesprochene blickte auf und sah in die anklagenden Augen ihrer sonst so liebevollen Mutter. Ja der Ofen, genau! Sie erinnerte sich, doch als sie den Raum betrat und sich um das Feuer kümmern wollte, da hatte sie ihr Buch auf den Tisch erblickt. Und … nun ja… jetzt saß sie hier und übte das Lesen und dabei hatte sie vollkommen die Zeit und das Feuer vergessen…
„Oh ja, das Feuer. Ich wollte nur kurz etwas Lesen… und dabei scheint mir die Zeit wohl davon geeilt zu sein. Ich war so vertieft… denn wisst ihr Mutter, das mit den Lesen und schreiben funktioniert schon wunderb…“, setzte Ailana zum Schluss euphorisch an und wollte ihrer Mutter stolz ihren Erfolg mitteilen.
„Es reicht Ailana. Du vergisst jedwegliche Aufgabe die ich dir erteile. Dein kleiner Bruder ist mir sogar schon eine größere Hilfe als du.“, sagte ihre Mutter tadelnd. „Du bist doch kein Kind mehr. Schon in zwei Jahren kannst auch du dich vermählen.“, Ihre Mutter seufzte bedrückt, ihre Wut war verfolgen. „Sei doch vernünftig. Einige junge Burschen haben bereits ein Auge auf dich geworfen. Und dein zukünftiger Ehemann will eine Frau die mit anpacken zu weis und niemanden der ihnen ein paar Buchstaben vorlesen kann. … Sie wollen eine gute Hausfrau.“ Sie machte eine kurze Pause und wand schließlich ihren Blick von dem mittlerweile traurigen Gesicht ihrer Tochter ab und schaute zum Ofen. „Eine Hausfrau die den Ofen schürt“, ihr Blick wanderte weiter zum ungesäuberten Geschirr, „das Essen vorbereitet und die Hühner füttert.“ Die schwarzhaarige Frau seufzte abermals, ehe sie zum Eisenofen ging. Sie beugte sich hinunter und nahm einige Holzscheite die neben den kleinen Ofen gestapelt waren und legte sie in die kleine Öffnung des Ofens. Schließlich entnahm sie aus einem Korb neben den Holzscheiten ein wenig trockenes Stroh und zündete dieses an einer‚ Kerze an. Sie legte das brennende Stroh in die Öffnung des Ofens auf die Holzscheite. Sie ließ die Flammen nicht aus den Augen, während sie in unregelmäßigen Abständen immer wieder trockenes Stroh nachlegte, um die Flammen zu erhalten.
Ailana blickte ihre Mutter trübsinnig an. Es war offensichtlich was ihre Mutter von der Idee ihres Vaters hielt, seinen Kindern Bildung näher zu bringen. Ihr Vater pflegte bei diesem leidigen Thema immer zu sagen „Es werden andere Zeiten kommen, in denen man Wissen und Bildung brauchen wird.“ Es war seine Standardantwort, wenn ihre Mutter ihm sein Vorhaben ausreden wollte. Von welchen anderen Zeiten er sprach konnte Ailana sich damals bei weitem nicht denken. Sie hatte ihn auch nie darauf angesprochen. Wichtig war nur, dass sie ihren Wissensdurst befriedigen konnte.
„Ailana!“ Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen. Ihre Mutter blickte sie mit ihren dunklen Augen besorgt an. „fütterst du bitte die Hühner.“ Es war keine Bitte, es war vielmehr eine Aufforderung. „Ja, ich werde das sogleich erledigen.“ Nein, ihre Mutter würde niemals verstehen das ihr Lesen und Schreiben überaus wichtig war. Seufzend klappte sie ihr Buch aufgrund dieser Tatsache zu.
Schnellen Schrittes hatte sie das einfache Holzhaus verlassen. Dieses war umgeben von einigen Bäumen, die im Sommer den Bewohner des Hauses einen angenehmen Schatten spendete. Sogleich dahinter erstreckte sich ein dichter Wald und hinter diesen erblickte man ein mächtiges Gebirge. Von ihren Haus jedoch aus, konnte man diese riesigen Berge nicht erkennen. Zu hoch und zu dicht bewachsen war der Wald. Dennoch wusste Ailana aber genau in welcher Himmelsrichtung das Gebirge lag. Sie kannte sich sowieso ziemlich gut in ihren Wald aus. Als kleines Kind war sie oft herum gewandert und hätte sich das ein oder andere male auch verlaufen. Doch sie war nicht auf den Kopf gefallen. So kletterte sie auf einem Baum um von dort einen bessern Überblick über ihre Lage zu bekommen. Es dauerte damals nicht lange und sie kannte sich in einen gewissen Radius um ihr Haus besten aus.
Ein grinsen stahl sich auf Ailanas Gesicht, oh hatte ihre Mutter sie damals ausgeschimpft als sie gesehen hatte das Ailana an Bäumen hinauf kletterte. ‚Wie ein Junge‘, hatte ihre Mutter gesagt. Nun, vielleicht wäre es ja wirklich besser gewesen wenn aus ihr ein Junge geworden wäre. Sie seufzte. Männer haben so viele Freiheiten mehr. Von einer Frau erwartet man, dass sie alsbald heiratet und Kinder bekommt. Doch genau dieser Gedanke behagte Ailana nicht. Sie würde so gerne herum wandern, fremde Städte und Länder sehen. Vielleicht per Schiff über den Ozean und bis zum Rande der Welt. Bei diesen Gedanken überschlug sich ihr Herz fast vor Aufregung. Welch kühne Idee. Nur leider unmöglich. Unmöglich aufgrund ihres Geschlechts. Seufzend ging sie an ihrem Haus vorbei, hinein in den dichten Wald. Die Hühner, die durfte sie bei ihren Hirngespinsten nicht vergessen, sonst brach noch ein Donnerwetter los!
>>Hühner… Wald… Schreie…>>
*Rückblende Ende*
Nur für einen Augenschlag war sie versunken gewesen in ihrer Vergangenheit. Eine Bewegung, so dachte sie hatte sie aus ihren Gedanken geholt. Doch noch immer war alles um sie herum erstarrt. Ihr Blick immer noch auf die Klinge gerichtet, die nur noch eine Elle breit vom wehrlosen Mann entfernt war.
Die Szene vor ihr machte ihrer furchtbaren Angst. Ihr Körper fühlte sich seltsam schwer an, fast so als hätte sie Blei in ihren Füßen, Armen – einfach überall. Ihre Augen wollten sie nicht von der tödlichen Spitze der Klinge lösen. Zu groß war die Angst sie könnte weiter davon schnellen, wenn sie ihren Blick von dem Messer löste.
…Doch… was war das? Hatte sie sich das nur eingebildete, bewegte sich die Klinge wieder? Nein, ihre Augen täuschten sie sicherlich nur … oder nicht? Ihr Herz begann von neuen wie wild zu schlagen. Es durfte nicht sein…
…Der Dolch er …
…rührte sich wieder.
Er bewegte sich fast kaum wahrnehmbar, aber dennoch unaufhaltsam weiter. Beinahe so langsam, so dass es für das bloße Auge fast nicht zu erkennen war. Die Zeit schien nicht länger verharren zu wollen. Die Starre bröckelte allmählich dahin.
Ailana musste bitter feststellen, dass sie die Klinge des Untoten nur mit Hilfe ihres Blickes leider nicht in einer starre fixieren konnte. So schritt die Klinge unbarmherzig weiter auf den Mann zu. Erst so langsam, dass Ailana glaubte ihre Augen würden ihr einen Streich spielen, doch beschleunigte sich die Geschwindigkeit des Messers fast jeden Augenblick.
Aber sie wollte diesen, ihr doch eigentlich unbekannten Mann helfen. Es sollten nicht noch mehr unschuldige ihr Leben lassen müssen! Nur einen Augenschlag lang glitt ihr Blick von der Waffe des Untoten in die Augen ihres Leidensgenossen vor ihr. Als sich ihre Augen trafen, da setzte ihr rasendes Herze einen Moment aus. Unfassbarkeit machte sich in ihr breit.
Wie nur konnten seine Augen so eine Ausgeglichenheit ausstrahlen?
Wieso hatte sein Gesicht einen unglaublich erleichterten Gesichtsausdruck?
Er… hatte den Verstand verloren! Eindeutig!
Seine Lippen formten ein fast nicht erkennbares Lächeln, worauf nur ein ebenso kurzes nicken folgte.
Das Pfeifen des Windes durch die morschen Baumkronen
Nicken?
Er … nickte
…Er nickte ihr zu?
>>Was zum … <<
Doch plötzlich zog sie erschrocken die Luft zwischen ihren Zähnen ein. Es war völlig abwegig und ergab keinen logisch Sinn, auf die Frage des Warums. Aber, er war nicht verrückt geworden und auch war er nicht mehr im Geiste abwesend, genau in diesen Moment war der Mann vor ihr bei klarem Verstand. Sein Lächeln und das Nicken, lediglich eine Geste für …. Sie, die ihr nur eins vermittelten sollte: Es ist in Ordnung!
Winseln von Menschen
Diese Erkenntnis erschlug sie förmlich. Doch sie begriff, auf eine merkwürdige Art und Weise ergab das alles einen Sinn.
Es war in Ordnung, dass er hier sterben würde. Ailana sollte sich über ihn keine Gedanken machen. Sie sollte Hoffnung haben, Hoffnung auf einen besseren Morgen. Seine Augen signalisierten ihr eine Gewissheit, die ihr sagte, dass sie dieses Martyrium heute überleben würde. Doch diese Erkenntnis verwirrte sie.
Kühler Nordwind der durch ihre Haare wehte
>>… Aber warum ich?<<
Klirrende Rüstungen
Ein Augenblick, keine gefühlte Sekunde.
Ein Meer von Lauten
Da waren sie wieder all die Geräusche und der tiefe Schmerz in ihrer Seele, der sie erbarmungslos in das hier und jetzt zurück beförderte. All die schrecklichen Gefühle spürte sie wieder, die ihre keinen klaren Gedanken fassen ließen. Sie atmete die muffelige Luft und schmeckte den Dunst des grauen Nebels. Da wusste sie - Die Zeit hatte sie wieder eingeholt. Die Welt hatte begonnen sich wieder weiter zu drehen.
Vergessen war der Moment der Gewissheit nicht als Baumschmuck zu enden. Verschwunden war das Lächeln des Mannes, stattdessen schien er nun wieder