Alte Rechnungen

Ein alter Bekannter

„Wenn das hier wieder eines von deinen kranken Spielchen werden soll, Noah, dann kann ich dir gleich sagen: Du verschwendest nur deine Zeit! Ich werde mich sicher nicht darauf einlassen!“ Mit grimmiger Mine bietet Kaiba seinem Stiefbruder die Stirn. „Immer noch der gleiche Sturkopf und Angeber von damals“, stellt Noah gelassen fest, „Du hast dich wirklich kein Stück verändert. Aber das hatte ich auch gar nicht angenommen. Dazu bist du viel zu selbstgerecht.“
„Wenn hier einer selbstgerecht ist, dann ja wohl du“, meint Kaiba kühl, „Beim letzten Mal als wir uns begegnet sind, hast du zwar jede Menge große Töne gespuckt, aber wie bei allen geborenen Versagern konnte dieses lächerliche Unterfangen ja nur mit einer Niederlage enden.“
Noahs Gesicht verfinstert sich. Doch Kaiba lässt sich davon nicht beirren. „Du wolltest deinem Vater beweisen, dass du der Bessere von uns beiden bist, und hast dabei so jämmerlich versagt, dass es dir eigentlich selbst klar sein sollte, dass du mir niemals das Wasser reichen kannst, selbst wenn du auch noch hundert Jahre in dieser digitalen Welt zubringst.
„Ich habe dich damals für einen verwöhnten Hosenscheißer gehalten und daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Allein die Tatsache, dass du mich erneut hierher geholt hast, ganz gleich was der Grund sein mag, beweist es mir nur einmal mehr, dass du der jämmerliche, naive Versager bist, für den ich dich schon damals gehalten habe und der einfach nicht einsehen kann, dass ich nun mal der Bessere von uns beiden bin, und unser Vater sieht das genau so, verlass dich drauf!“
Noahs Mine ist steinern. Mit verschränkten Armen steht er vor Kaiba und schaut auf ihn hinunter. „Bist du jetzt fertig?“, fragt er schließlich ruhig, „Du scheinst ja wirklich verliebt in deine Stimme zu sein. Diese selbstgefälligen Ansprachen, gingen mir schon damals gehörig auf den Geist.“ „Du hast recht!“, meint Kaiba verächtlich, „Jedes weitere Wort an dich ist bloß eine Verschwendung von Atem!
„Wahrscheinlich kommst du dir jetzt besonders überlegen vor mit diesem neuen Outfit, das du dir verpasst hast. Aber im Grunde hättest du es dir sparen können. Du warst damals nur ein verzogener Bengel und bist es heute auch noch, ganz egal wie alt du dich äußerlich machst.“
Ärgerlich funkelt Noah Kaiba an. „Tu doch bloß nicht so! Du weißt doch ganz genau, dass ich genau so alt bin wie du, Seto. Diese neue Technik ermöglicht es mir nur, endlich so alt auszusehen, wie ich wirklich wäre.“
„Wo wir gerade beim Thema sind“, meint Kaiba gereizt, „Ich schätze mal, dass ich dir dieses lächerliche, demütigende Abbild meiner Selbst verdanke.“ Dabei weist er auf sich. Ein schadenfrohes Lächeln legt sich um Noahs Mundwinkel. „Tja, ich gebe zu, ich konnte es mir nicht verkneifen. Was ist es für ein Gefühl, wenn der größte Rivale um mehrere Köpfe größer ist als man selbst?“
Kaiba kocht. „Du machst das auf der Stelle wieder rückgängig, hast du verstanden?“ „Ach Seto“, wehrt Noah gelassen ab, „Soll das etwa heißen, dass es dir keinen Spaß macht im Körper eines Fünfjährigen zu stecken?“ „Nein es macht mir keinen Spaß!“, funkelt Kaiba zurück, „Meine Vergangenheit liegt hinter mir, und ich habe wirklich keinerlei Interesse daran, dass sich das ändert!“
„Wirklich zu dumm!“, meint Noah, „Dann musst du wohl deiner Vergangenheit, ohne dein Interesse daran, begegnen.“ „Wenn du wieder irgendwelche Psychospielchen mit mir versuchst, Noah, dann kannst du dich jetzt schon mal auf was gefasst machen, hab ich mich klar ausgedrückt?“, droht Kaiba verärgert, „Und nun gib mir mein normales Aussehen zurück, aber plötzlich!“
„Mach es doch selber!“, gibt Noah leicht genervt zurück, „Diese Technik reagiert auf deine Gedanken. Das erste Mal war nur eine Demonstration. Du kannst dich jederzeit zurückverwandeln. Dieses Programm ist wirklich erstaunlich!“
Mit grimmigem Blick starrt Kaiba seinen Bruder an. Ob er die Wahrheit sagt? Kann er sich allein durch seine Vorstellung zurück in seine ursprüngliche Form bringen? Wahrscheinlich kommt es auf einen Versuch an. Einen Augenblick lang konzentriert er sich. Vor seinem inneren Auge stellt er sich seine ursprüngliche Gestalt vor. Dann öffnet er die Augen wieder. Nun befindet er sich mit Noah auf Augenhöhe.
„Na bitte, es geht doch!“, meint Noah leicht amüsiert, „Ich sagte doch diese Technik ist erstaunlich.“ „Lass die dummen Scherze!“, grollt Kaiba, „Aber mich würde interessieren was du mit Gigatech-Enterprise zu schaffen hast. Arbeitest du neuerdings für die oder hast du dich heimlich eingeschlichen und dir ihr Programm unter den Nagel gerissen?“
„Das Thema braucht dich vorerst nicht zu kümmern“, weicht Noah aus, „Dich dürfte viel mehr interessieren wie es mir überhaupt möglich war der Explosion zu entkommen.“ „Die Frage hab ich mir in der Tat schon ein paar Mal gestellt“, meint Kaiba verächtlich, „Und wenn du es genau wissen willst, ich bedaure diese Tatsache zutiefst!“
„Tststs, mein lieber Seto“, tadelt Noah leicht, „Das ist aber keine sehr brüderliche Haltung die du da vertrittst.“ „Hmh! Brüderlichkeit kann mir gestohlen bleiben!“, stellt Kaiba klar, „So was Sentimentales habe ich nicht nötig!“ Für einen kleinen Moment verfliegt das überlegene Lächeln von Noahs Gesicht. Es scheint als würde sich eine Spur von Wehmut auf seine Mine legen. Dann wird er wieder ernst.
„Im Grunde verdanke ich mein Überleben allein der Tatsache, dass ich mein Bewusstsein im letzten Moment in den Bordcomputer deines Luftschiffes überspielen konnte. Dadurch wurde ich übrigens auch über den weiteren Verlauf deines kleinen Turniers auf dem Laufenden gehalten. Eine wirklich interessante Wendung die deine ach so überlegenen Pläne schließlich genommen haben. So wie es aussieht bist du noch nicht einmal Zweiter geworden.“
Kaiba blickt verärgert zur Seite: „Auch mit dieser Vergangenheit habe ich inzwischen abgeschlossen. Dieses Kapitel meines Lebens liegt hinter mir und deshalb sehe ich absolut keinen Grund noch einmal ein müßiges Wort darüber zu verlieren!“ Dann blickt er Noah herausfordernd an: „Also, ich denke es wird Zeit, dass du endlich mit der Sprache herausrückst was du von mir willst, damit wir dieses lächerliche Theater hier so schnell wie möglich beenden können. Im Gegensatz zu dir, habe ich nämlich noch eine Firma zu leiten.“
Einen Momentlang sieht Noah ihn schweigend an. Täuscht Kaiba sich oder liegt eine Spur von Traurigkeit im Gesicht seines Bruders? Verständlich, schließlich sollte ihm langsam klar sein, dass Kaiba-Corp nun ihm gehört und nicht seinem digitalen Stiefbruder. Und was auch immer dieser kleine Hosenscheißer vorhat, er wird ihm auf keinen Fall seine Firma überlassen! Dazu hat er viel zu lange und zu hart dafür gearbeitet. Und Mitgefühl ist das Letzte was er für diesen hinterhältigen, kleinen Wicht übrig hat. Kein Mensch wird sich jemals wieder zwischen ihn und seine Ziele stellen!
Einen langen Moment scheint Noah zu zögern. Gerade will er den Mund öffnen um etwas zu sagen, als er plötzlich aufhorcht. Das Lächeln kehrt auf sein Gesicht zurück. „Sieh mal an!“, meint er, „Ich glaube wir bekommen Besuch“, und an Kaiba gewandt, „Ich denke es ist besser wenn ich dich noch ein bisschen zappeln lasse. Aber keine Bange du erfährst schon noch früh genug was ich von dir will.“ Mit diesen Worten löst sich Noahs Gestalt in digitale Pixel auf und verschwindet.
„Hey, warte!“, ruft Kaiba, „Komm sofort zurück, du kleiner Feigling! Erzähl mir gefälligst was hier gespielt wird!“ In diesem Moment weicht die Dunkelheit um ihn zurück und gibt nun den Blick auf einen langen Waldweg frei der durch einen lichten Laubwald führt. Weit und breit ist niemand außer ihm zu sehen. „Na großartig!“, brummt Kaiba und macht sich schließlich daran dem Weg zu folgen.

Wüste! Das ist alles was Yugi um sich wahrnimmt. Zumindest scheint es ihm so. Nachdem die erste Irritation verflogen ist beginnt er neugierig sich umzusehen. Soweit sein Blick reicht sieht er nur endlose Dünen die sich Richtung Horizont erstrecken. Eine grelle, stechendheiße Sonne strahlt auf ihn hinab und in einiger Entfernung kräuseln sich mehrere kleine Windhosen am Horizont.
„Puh! Wo sind wir denn hier hingeraten?“, fragt Yugi. Diese Hitze hier fühlt sich wirklich erstaunlich echt an. „Also so hatte ich mir das nicht vorgestellt“, murmelt er, „Was hat das zu bedeuten?“
Auf einmal verziehen sich die Windhosen und geben den Blick auf ein großes, spitzzulaufendes Gebäude in der Ferne frei. „Da ist eine Pyramide!“, stellt er überrascht fest. „Anscheinend soll diese Projektion Ägypten darstellen“, vermutet Yami, „Wir sollten uns das aus der Nähe ansehen.“ Yugi nickt zustimmend und marschiert los. Die Hitze erschwert die Wanderung durch die Dünen zwar aber er ist gut motiviert.
Schließlich erreicht er nach einer Weile die Pyramide. Das antike Denkmal erscheint aus der Nähe betrachtet doch kleiner als es zunächst den Anschein hat. Es besteht aus vielen, rohbehauenen Steinen und direkt vor ihm befindet sich ein Portal das scheinbar ins Innere führt. Zögerlich geht Yugi darauf zu. „Ich schätze unsere Antworten werden wir dort drinnen finden“, meint er.
In diesem Moment leuchtet sein Millenniumspuzzle auf und eine andere Person nimmt seinen Platz ein. Mit selbstbewusstem Schritt, wenn auch wachsam betritt Yami-Yugi die Pyramide.
Im Inneren befindet sich ein einziger großer Raum, der durch mehrere Fackeln beleuchtet wird. An den Wänden sind viele antike Hieroglyphen zu sehen. Sie scheinen aus dem alten Ägypten zu stammen. In der Mitte des Raumes ist ein steinerner Sockel zu sehen. In
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