Alte Rechnungen

nicht, Seto?“, fragt Yuki ihn nun. Kaiba blickt schweigend auf das Geschehen vor ihm. „Wir beide haben wirklich viel zusammen gespielt. Mein Vater hatte viele Spiele von seinen Reisen mitgebracht. Er war ein richtiger Sammler. Bei uns gab es die unterschiedlichsten Varianten der verschiedensten Spiele. Jedes Mal wenn du zu Besuch kamst, haben wir ein neues ausprobiert. Aber ganz egal welches Spiel wir auch spielten, du hast so gut wie immer gewonnen, das scheinst du vergessen zu haben. Du warst einfach besser als ich.“
Die Szene spult ein Stück weiter und gerade springt die junge Yuki vom Boden auf. „Ja!“, schreit sie, „Ich hab gewonnen, ich hab gewonnen! Seto ist der Verlierer!“ Dann macht sie ihm lange Nasen, während der kleine Junge sie traurig anschaut. Hämisch springt das Mädchen auf und ab: „Du hast verloren und ich bin die Größte! Haha, du hast keine Chance gegen mich!“ Das Gesicht des kleinen Jungen wird mit jedem Wort trauriger. Dann plötzlich springt er auf und läuft aus dem Zimmer. Lachend läuft das Mädchen ihm nach. Zurück bleiben die vier Beobachter.
„Ich habe so selten gewonnen, dass ich es jedes Mal ausgekostet habe“, erklärt Atsumi. „Und du glaubst, das macht es weniger verletzend?“, fragt Kaiba bitter. Atsumi schüttelt langsam den Kopf: „Nein sicher nicht. Aber ich war erst fünf Jahre alt, ich habe gar nicht soweit gedacht.“ Kaiba schnaubt verächtlich auf: „Das ist eine sehr bequeme Ausrede!“
Verdrießlich stemmt Atsumi die Arme in die Seite: „Meine Güte Seto, mach doch nicht so eine riesige Sache daraus! Wir waren Kinder damals. Kinder streiten sich am laufenden Band, das gehört nun mal dazu, aber genau so schnell sind sie auch wieder versöhnt. Bei uns war das nicht anders. Wenn du mal genau überlegst, dann haben wir meistens schon eine Stunde später wieder einträchtig miteinander gespielt.“
Durch ihre Worte wachgerufen, steigen einige Bilder in Kaiba auf. Es stimmt! Jetzt wo sie es sagt, fällt ihm wieder ein wie oft er gewonnen hat. Doch er hat nie so eine große Sache daraus gemacht wie sie. Aber auch wenn sie ihn dann jedes Mal ausgelacht hat, aus irgendeinem bescheuerten Grund ist er immer wieder zu ihr hinüber gegangen.
Verstimmt blickt Kaiba zur Seite: „So ein Unsinn! Daran kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern. Versuch jemand anderem deine Märchen aufzutischen! Mich überzeugst du damit nicht!“
„Ach Seto!“, Atsumi schüttelt seufzend den Kopf, „Warum glaubst du denn selbst das nicht, was du mit eigenen Augen siehst? Warum bist du bloß so verstockt? Wir waren wirklich Freunde, warum kannst du das nicht einfach zugeben?“ „Kann es nicht vielleicht eher sein, dass das dir in deinem kleinen Privatpalast nur so vorgekommen ist?“, gibt Kaiba zurück, „Du sagst dieses System reagiert auf persönliche Erinnerungen. Ich denke eher, dass du derjenige bist der sich falsch erinnert. Im Grunde warst du dir doch viel zu fein dazu, mit jemandem von meinem damaligen Stand eine Freundschaft einzugehen. Du wolltest ja nicht einmal zu uns nach Hause kommen. Immer mussten wir uns bei dir zuhause treffen.“
„So ein Blödsinn!“, ruft Atsumi aus, „Ich bin sehr oft bei dir zuhause gewesen. Wir waren fast so oft bei dir wie bei mir.“ „Und das soll ich dir glauben?“, meint Kaiba verächtlich. Auf einmal kommt Bewegung in die Umgebung. Der Boden beginnt zu schwanken und die Konturen des Raumes zerfließen. Alles wirkt ein wenig chaotisch. Vor Überraschung weiten sich die Augen der Umstehenden. „Was hat das zu bedeuten?“, fragt Kaiba, „Wird das wieder eine deiner Rückblenden?“ „Das bin ich nicht“, verteidigt Atsumi sich, „Anscheinend reagiert unsere Technik diesmal auf deine Erinnerungen, Seto.“ „Na großartig!“, meint Kaiba trocken, „Dann wirst du mir ja vielleicht endlich mal glauben.“
Schließlich wird die Umgebung wieder scharf. Sie stehen vor einem kleinen Einfamilienhaus. Doch sie sind nicht alleine. Gerade sieht man wie der kleine Seto die Straße heraufgerannt kommt. Mit besorgtem Gesicht steuert er auf das Haus zu. Schließlich hat er schnaufend die Eingangstür erreicht. Rasch drückt er die Klinke herunter und tritt ein. „Ich bin zurück!“, ruft er. Von innen hört man jemanden rufen: „Na endlich Seto, da bist du ja! Wo warst du denn schon wieder so lange? Du weißt doch genau, dass ich gleich weg muss.“ Dann hört man nur noch ein „Es tut mir leid, Mama!“ und dann fällt die Tür ins Schloss.
Interessiert haben die vier die Szene beobachtet. Nun werfen sie sich gegenseitig Blicke zu. Schließlich ist es Yami der das Schweigen bricht: „Sollten wir nicht vielleicht hineingehen? Was immer damals passiert ist, spielt sich sicher im Inneren des Hauses ab.“ Atsumi und Noah machen Anstalten seinem Rat zu folgen, doch Kaiba selbst steht nur stumm auf der Stelle und blickt mit ausdruckslosem Blick zum Haus hinüber. „Nein!“, sagt er schließlich, „Wir werden nicht in dieses Haus gehen!“
„Und weshalb nicht?“, fragt Yami nun. „Weil ich es sage!“, stellt Kaiba klar. „Wovor hast du solche Angst, Seto?“, versucht Atsumi es erneut, „Was versuchst du so krampfhaft zu verdrängen?“ „Gar nichts!“, schnaubt Kaiba und wendet sich ab. Gerade öffnet sich die Haustür doch da verschwimmt das Bild um sie.
Kaibas Herz klopft heftig und es gibt nichts was er dagegen tun kann. Aber das Letzte was er will, ist dass Yugi und die anderen etwas davon mitbekommen. Dieses verflixte Programm!, schimpft er innerlich. Warum reagiert es auch auf solche Gedanken? Ganz sicher will er nicht in dieses Haus gehen. Er kann einfach nicht da hinein gehen! Denn dort sind Erinnerungen verstaut, die niemals wiederkommen sollten. Er weiß genau Sie ist da in diesem Haus, er kann sie nicht wiedersehen! Schon alleine ihre Stimme wiederzuhören, lässt ihn einen dicken Kloß im Hals spüren. Er hatte ja keine Ahnung, dass ihre Stimme noch immer so echt in seinen Erinnerungen vergraben war.
Mutter! Kaiba beißt die Zähne zusammen. Er hatte sie schon fast vergessen gehabt. Seit dem einen, schicksalhaften Tag, hatte er sich selbst grimmig verboten, jemals wieder an seine Eltern zurück zu denken, sondern nur noch nach vorne zu schauen, für Mokuba und für sich selbst. Seine eiserne Entschlossenheit aus eigener Kraft aus dieser misslichen Lage herauszukommen, ließ nicht einmal Platz zum Trauern zu. Mit der Zeit würde der Schmerz schon verschwinden, dessen war er sich sicher. Nun stellt er fest, dass nach all diesen Jahren noch immer genug davon übrig ist, und es überrascht ihn sehr.
„Also schön!“, sagt Atsumi nun, „Dann werde ich dir eben zeigen woran ich mich erinnere.“ Sie vollführt eine Handbewegung und sofort befinden sie sich im Inneren des Hauses von eben. Sie stehen im Wohnzimmer. Dort steht ein kleines Kinderbettchen. Daneben auf einem Hocker sitzt der kleine Seto und stützt sich mit den Armen auf der Kante des Bettchens auf. Mit einem sanften Lächeln schaut er hinein. Dort liegt der kleine Mokuba und schläft. Er kann kaum älter als ein Jahr sein.
Aufmerksam beobachtet Yami wie der kleine Seto mit einer Hand in das Bettchen hineinfasst und behutsam über die winzigen Fingerchen seines kleinen Bruders streichelt. Er scheint Mokuba wirklich sehr gern gehabt zu haben, denkt er bei sich, kaum zu glauben, dass er auch eine solch gefühlvolle Seite in sich haben soll.
Zu Yamis Überraschung bemerkt er nun auf der anderen Seite des Zimmers noch eine Person. Die junge Yuki sitzt mit betrübtem Gesicht und angezogenen Knien auf dem Sofa und starrt zu den beiden Brüdern hinüber. „Seto, wollen wir nicht irgendwas spielen gehen?“, fragt sie, „Es ist so schönes Wetter. Lass uns runter zum Fluss gehen.“ Jetzt dreht sich der junge Seto um: „Pss, nicht so laut! Du weckst sonst noch Moki auf“, zischt er, „Nein, ich muss hier bleiben und auf ihn aufpassen. Ich kann ihn doch nicht alleine hier lassen.“
„Und was sollen wir dann sonst machen?“, fragt Yuki maulig, „Sollen wir hier etwas spielen?“ „Ich weiß nicht“, meint Seto, „Solange unsere Eltern nicht da sind, bin ich für ihn verantwortlich. Verstehst du? Sie verlassen sich auf mich.“
„Eine Weile sagt das Mädchen gar nichts, dann schließlich steht sie auf. „Ich geh nach Hause“, sagt sie, „Bis dann, Seto!“ dann läuft sie aus dem Zimmer. Einen Augenblick schaut der Junge ihr hinterher, dann wendet er sich wieder seinem kleinen Bruder zu.
„Wie ich schon sagte“, bemerkt Kaiba kühl, „wenn ich nicht sofort gesprungen bin, wenn du es wolltest, hast du gleich das Interesse verloren. Solange ich mich mit dir beschäftigt habe, war ich noch gut genug für dich, aber sobald ich mal anderer Meinung war als du, war ich dir auf einmal völlig egal.“
Betrübt schaut Atsumi zur Seite. „Ich gebe ja zu, dass es so ausgesehen haben muss“, meint sie, „aber zumindest weißt du jetzt dass ich die Wahrheit sagte, als ich sagte ich wäre schon oft bei dir gewesen. Woher sonst sollte ich das Innere eures Hauses kennen.“ „Jetzt wo du es erwähnst, erinnere ich mich tatsächlich daran“, sagt Kaiba herablassend, „Du warst wirklich hin und wieder bei uns. Aber nachdem Mokuba geboren war, kamst du immer seltener zu uns und schließlich überhaupt nicht mehr. Kein Wunder, dass mir das zunächst entfallen war.“
„Ja was glaubst du denn warum nicht?“, braust Yuki auf einmal auf, „Seit Mokuba geboren war, hattest du auf einmal nur noch Augen für ihn. Du hast deinen kleinen Bruder vergöttert. Du warst völlig vernarrt in ihn!
„Weil deine Eltern so viel unterwegs waren, musstest du oft auf ihn aufpassen. Und du hast diese Aufgabe wirklich ernst genommen. Du hast deinen kleinen Bruder geliebt und das mit aller Macht mit der ein großer Bruder nur lieben kann. Manch
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