Alte Rechnungen

erhobenem Kopf auf die schwarze Limousine zusteuert die vor dem Tor steht, macht keine Andeutungen, dass sie ihn gehört hätte. Ohne sich noch einmal umzudrehen öffnet sie die Autotür und steigt ein.
In diesem Moment erscheint auf dem Spielplatz ein Mann in einem vornehmen Anzug und schaut ihr hinterher während er auf den Jungen auf der Schaukel zugeht. Schließlich steht er neben ihm. Mit rotgeweinten Augen blickt Seto zu Yukis Vater hinauf. Nun bückt sich der Mann auf Setos Augenhöhe hinab.
„Kopf hoch mein Junge!“, meint er ermutigend, „Ich habe gerade mit der Heimleitung gesprochen und ihnen gesagt, dass sie dich und Mokuba gut behandeln sollen.“ „Der Junge schnieft einmal vernehmlich und wischt sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht.
„Hast du dich von Yuki verabschiedet?“, fragt der Vater nun weiter, „Dann werden wir jetzt fahren. Wenn ihr irgendetwas brauchen solltet, dann ruft einfach an!“ Er richtet sich wieder auf. Tief unglücklich blickt der Junge zu ihm auf. Seine Augen scheinen den Mann wortlos um Hilfe anzuschreien. Die Mine des Mannes wird nun ebenfalls betrübt. „Glaub mir“, beginnt er, „Mir tut es wirklich sehr leid für euch, was mit euren Eltern passiert ist. Du warst so oft bei uns, dass ich dich fast schon als meinen eigenen Sohn ansehe, und ich würde dich und deinen Bruder am liebsten auf der Stelle adoptieren und mit zu uns nehmen.
„Aber leider ist das unmöglich. Ich habe zwar keine Ahnung warum, aber vorhin als ich diese Idee zur Sprache brachte, hat Yuki mich fast auf Knien angefleht, dass ich dich auf keinen Fall adoptieren soll.“ Man kann sehen wie dem Jungen nun gänzlich die Gesichtszüge entgleisen. Doch der Mann klopft ihm nun aufmunternd auf die Schultern und wendet sich dann zum Gehen.
Mit bleichem Gesicht und geröteten Augen muss der junge Seto sehen, wie der Mann zur Limousine hinüber geht, einsteigt und dann schließlich das Auto den Hof verlässt um dann für immer aus seinem Blickfeld zu verschwinden.
Kaum ist das geschehen, da verblassen auch schon die Personen vor den Augen der Beobachter. Fassungslos starrt Yami nun Yuki an. Er kann nicht glauben, was er gerade gehört hat. Bis eben hat auch er geglaubt was sie bisher gesagt hatte, doch diese neue Wendung stellt das alles wieder in Frage. Warum hat sie Kaiba nicht helfen wollen? Ob er doch mit allem recht gehabt hat? Kein Wunder, dass er eine solche Wut auf sie hat.
Schweigend steht Yuki da und blickt zu Boden. Mit grimmiger Mine funkelt Kaiba sie an. „Willst du etwa behaupten, dass das auch nicht passiert ist, Yuki?“, sagt er nun mühsam beherrscht. Yukis Mundwinkel zucken und sie zittert leicht. „Mein Vater...“, bringt sie hohl hervor, „Ein herzensguter Mensch aber leider nicht das kleinste bisschen Taktgefühl!“
Das ist zuviel für Kaiba. „Taktgefühl?“, schreit er auf, „Was hat das mit Taktgefühl zu tun? Die ganze Zeit erzählst du mir schon wir wären Freunde gewesen und es gab tatsächlich mal eine Zeit, wo ich das auch geglaubt habe. Aber das da hatte nicht das Geringste mit Freundschaft zu tun! Nach dem Tod unserer Eltern, war ich am Boden zerstört. Ich hatte keine Ahnung was aus uns werden sollte. Unsere Eltern waren arm, sie hatten nichts was sie uns hinterlassen konnten. Es gab ja noch nicht einmal Verwandte die sich unser annehmen konnten.
„Ich war nun der einzige der sich noch um Mokuba kümmern konnte. Ich wusste, dass es meine Aufgabe als großer Bruder war ihm über diese schwere Zeit hinwegzuhelfen. Aber ich war noch ein Kind! Ich habe meine Eltern so sehr vermisst, wie du es dir gar nicht vorstellen kannst und ich hatte nicht die geringste Ahnung wie es nun weitergehen sollte!
„Ich hatte so sehr gehofft, dass ich mich auf dich verlassen könnte, denn ich dachte wir wären Freunde, egal was kommt. Wir hatten uns geschworen immer füreinander da zu sein und ich war mehr als bereit und entschlossen dieses Versprechen einzuhalten, aber dann als ich dich am meisten gebraucht habe, da hast du mich einfach hängen lassen! Du hast mich im Stich gelassen und das habe ich niemals verstanden!“
Mit bleichem Gesicht steht Yuki nun vor ihm. „Du hast recht, Seto, es war ein Fehler. Von dem Gespräch zwischen dir und meinem Vater wusste ich nichts. Hätte ich geahnt was er dir gesagt hat, hätte ich früher erkannt was der Grund für dein Verhalten war und vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Aber du musst mich verstehen, ich habe damals eine schwere Entscheidung treffen müssen... und offenbar war es die falsche.“
Entscheidung?“, Kaiba schnappt nach Luft, „Was für eine Entscheidung? Du hast mich eiskalt abserviert!“, seine Stimme zittert, „Ich war am Boden und du hast mir noch einen Tritt gegeben. Ich dachte wirklich wir wären... Freunde.“ Seine Stimme bricht. Hastig wendet er sich ab.
Unschlüssig schauen die drei auf seinen Rücken. Wage sieht man wie seine Schultern beben. Zaghaft macht Yuki ein paar Schritte auf den jungen Mann zu. „Seto...?“, versucht sie es erneut, „Es tut mir wirklich schrecklich leid! Aber du musst das verstehen, ich hatte einfach... keine andere Wahl!“
Hastig fährt sich Kaiba mit der Hand über das Gesicht dann dreht er sich wieder zu ihr um. Schwach schüttelt er den Kopf. In seinen blauen Augen liegt nun nichts mehr als tiefer Seelenschmerz. „Warum Yuki?“, fragt er mit hohler Stimme, „Warum hast du mir das angetan? Warum hast du mich im Stich gelassen, als ich dich am meisten brauchte?“
Nun ist es Yuki die es nicht über sich bringen kann zu antworten. Sie beißt sich auf die Lippen und wendet den Blick ab. Ihre Hände sind zu Fäusten geballt. „Ich... kann es dir nicht sagen“, stößt sie schließlich hervor. Doch Kaiba gibt sich damit nicht zufrieden. Mit wenigen Schritten ist er bei ihr und packt grob ihr Handgelenk.
„Warum hast du das getan?“, schreit er sie an, „Sag mir endlich warum!“ Vergeblich versucht sie sich aus seinem Griff zu entwinden. „Ich kann nicht!“, schreit sie zurück. In ihren Augen liegt ebenfalls Schmerz. „Sag es mir! Auf der Stelle!“, sein Griff wird immer fester und seine Augen halten sie ebenfalls gefangen, so dass es kein Entkommen gibt. Yuki wendet ruckartig das Gesicht ab. Diese tiefe Verzweiflung in seinem Blick erträgt sie nicht länger. „Lass mich! Ich kann es dir einfach nicht sagen!“, wehrt sie erneut ab.
Doch nun packt er auch ihren anderen Arm mit der Hand, so dass ihr nichts anderes übrig bleibt als ihn anzusehen. Was sie jedoch sieht verschlägt ihr zunächst die Sprache. Über die Wange ihres Jugendfreundes rollt eine einzelne Träne, die jedoch mehr von dem Schmerz und Leid des sonst so stolzen, jungen Mannes preisgibt, als er jemals mit Worten ausdrücken könnte oder würde.
„Bitte Yuki!“, flüstert er, „Ich muss es einfach wissen. Ich denke das bist du mir schuldig! Wir waren die besten Freunde. Wir haben alles zusammen gemacht und alles geteilt. Warum hast du dann deinen Vater angefleht, uns nicht zu adoptieren?“ Yuki blickt mit klopfenden Herzen in seine feuchtglänzenden, blauen Augen und erkennt deutlich wie verzehrend er auf diese Frage eine Antwort sucht.
Nein, diesen flehenden Blick erträgt sie nicht länger. Mit einem Ruck reißt sie sich los. Er wehrt sich nicht länger. Nun spürt sie wie auch ihre Augen sich mit Wasser füllen. „Weil...“, beginnt sie stockend, doch dann bricht es mit einem Schluchzen aus ihr heraus, „Weil ich dich nicht als Bruder haben wollte!“
Für einen Moment ist das einzige Geräusch, dass zu hören ist Yukis verzweifelter Versuch ihre Tränen zurückzudrängen. Alle Augen ruhen nun auf ihr. Noahs Gesicht ist ausdruckslos, und lässt nicht erkennen was er denkt. Yami allerdings steht die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Das versteh ich einfach nicht!, denkt er bei sich, Das macht doch gar keinen Sinn! „Warum will sie ihn nicht als Bruder haben?“, meldet nun auch Yugi sich wieder zu Wort, „Sie hat doch die ganze Zeit gesagt wie gut sie mit ihm befreundet war. Die beiden standen sich anscheinend mal recht nah und trotzdem reicht es nicht aus um ihn in ihre Familie aufzunehmen?“ „In der Tat seltsam!“, gibt auch Yami zu, „So wie sie sich bisher aufgeführt hat, hatte ich angenommen, dass ihr die Freundschaft mit Kaiba sehr wichtig war und ist. Die ganze Zeit schon versucht sie die Kluft zwischen ihnen zu kitten, warum stößt sie ihn jetzt erneut so vor den Kopf?“ Seine Augen weiten sich als ihm plötzlich etwas einfällt: „Es sei denn...“
Kaiba scheint von all dem jedoch nichts bemerkt zu haben. Sein Blick ist noch immer unverwandt auf Yuki gerichtet. Doch nun wendet er sich steif ab: „Also hatte ich doch recht! Dir ist es niemals ernst mit unserer Freundschaft gewesen. Irgendwie hab ich das immer geahnt, doch nach diesem Tag hatte ich Gewissheit.
„Auf einmal erkannte ich die ganze Wahrheit und so sehr es auch zunächst schmerzte, ich lernte die Wahrheit zu akzeptieren und alles was wir gemeinsam erlebt hatten endlich aus der richtigen Perspektive zu sehen. Ich fand mich damit ab, dass Freundschaft nur eine Illusion ist und letztendlich nur zu Enttäuschungen führt. Und ich schwor mir, dass mir so etwas niemals wieder passieren würde!
„Wer sich auf Freunde verlässt ist verlassen, das habe ich damals erkannt. Also entschloss ich mich, zu meinem und Mokubas Besten, jemand zu werden, der es nicht nötig hat auf Freunde angewiesen zu sein. Wer Gefühle ins Spiel bringt, macht sich verletzlich. Nie wieder würde man mich verletzen, das stand eindeutig für mich fest!“ Mit feuchten Augen hat Yuki ihm zugehört: „Oh, Seto!“, flüstert sie, „Was habe ich dir nur angetan?“
Dann kommt wieder Leben in sie. Ihr Entschluss ist gefasst. Sie vollführt eine
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