Alte Rechnungen

um sie dann, wenn sie perfekt währe, dir aus freien Stücken zu überlassen. Das alles hier diente nur dem einen Zweck: Mich wieder mit dir zu versöhnen.“
Ihre Hände zittern als sich ihre Finger mit seinen verflechten und ihre andere Hand sich um beide Hände schließt. Ihre leuchtenden, grünen Augen strahlen nun eine solche Sehnsucht aus, dass Seto nicht in der Lage ist den Blick abzuwenden.
„Als dann Noah in unserer Datenbank auftauchte und ich sah wie du deinen Bruder behandelt hattest, da wurde mir klar, wie sehr du dich verändert hast und ich wusste, dass dies die einzige und letzte Gelegenheit sein würde, um aus dir wieder den Menschen zu machen, den ich schon seit meiner Kindheit... von ganzem Herzen geliebt habe!“
In Setos Kopf überschlagen sich die Gedanken. Alles hat er erwartet, aber das nicht; mit allem hat er gerechnet aber nicht damit! Sein Herz klopft so heftig, dass er glaubt es könnte zerspringen. Das ist alles falsch! Wie kann das sein?
So viele Jahre hat er sie gehasst. Oh ja, er hat sich sehr wohl daran erinnert wie viel Spaß sie beide zusammen hatten. Gerade deshalb hat ihr Verrat damals ja auch so wehgetan. Allein, dass er sich eisern eingeredet hat, sie hätte ihn von vornherein nicht wirklich leiden können, hat den Schmerz ein wenig erträglicher gemacht und über die Jahre hat er es dann auch irgendwann selbst geglaubt.
Aber aus genau dem gleichen Grund, hatte er sich geschworen niemals wieder an das Gespräch unter dem Baum zurückzudenken, denn das was dort geschah, ließ sich nicht mit dem was er sich selbst vorgaukelte in Einklang bringen. Es war ein harter Kampf gewesen dieses Ereignis und alles was damit zusammenhing aus seinem Gedächtnis zu streichen, aber es war immer noch leichter gewesen als sich der Wahrheit zu stellen und in Erinnerung zu behalten, warum er ihr den Ring damals wirklich geschenkt hatte.
Schweigend schaut er auf die junge Frau vor ihm hinab, die noch immer seine Hand zwischen den ihren hält und er spürt wie sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildet. Lass es einfach geschehen, du musst es einfach akzeptieren!, hat sie vorhin gesagt. Wie kann er das? Das ist nicht seine Art. Für gewöhnlich ist er immer der Überlegende, der den nichts aus dem Konzept bringen kann und der mit jeder Situation spielend fertig wird. Und nun steht er hier und hat nicht die leiseste Ahnung wie er das ausdrücken soll was augenblicklich in ihm vorgeht.
Schließlich schluckt er einmal schwer dann sagt er leise: „Yuki, ich... ich hatte keine Ahnung...“ Sie wendet verlegen den Blick ab, dann fasst sie mit einer Hand in ihren Ausschnitt und fördert eine kleine Kette zutage. An ihrem Ende baumelt ein kleiner, roter Plastikring. Scheu schaut sie den hochgewachsenen, jungen Mann vor ihr an. „Ich habe ihn immer noch. Selbst als er mir zu klein geworden ist, konnte ich mich nicht von ihm trennen, denn dieser Ring sollte mich ja immer daran erinnern, wie viel ich dir mal bedeutet habe und immer wenn ich ihn sehe wird mir klar, dass ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben habe, dass... es mal wieder so werden könnte.“
Setos Hand zittert ein wenig als er sie nach dem winzigen Ring ausstreckt. Als sich seine Faust darum schließt, muss er die Augen zusammenkneifen. In seinem Inneren bildet sich ein unglaublicher Druck auf, der verzweifelt einen Ausweg sucht. So sehr ist er hin und hergerissen von zwei widersprüchlichen Gefühlen, dass er nicht weiß was er machen soll. So viel Wut, Schmerz und Verzweiflung versucht ihn völlig zu vereinnahmen und zugleich versucht etwas ganz anderes seinen Weg zu bahnen. Diese beiden Gefühle tragen einen schweren Kampf um die Vorherrschaft in ihm aus und er weiß nicht welchem er Vorrang geben soll.
Als er die Augen wieder öffnet, liegt eine tiefe Verzweiflung und Hilflosigkeit in seinem Blick. Gequält schaut er der junge Frau vor ihm ins Gesicht. „Yuki, ich...“, bringt er fast tonlos hervor. Mit offenen Augen, in deren sattem Grün noch eine Spur von Feuchtigkeit schimmert, erwidert sie ihren Blick. „Seto...“, flüstert sie und eine einzige Träne rollt über ihre schmalen Wangen bis hinab zu ihrem Kinn und tropft von dort zu Boden.
In diesem Moment fällt die Entscheidung! Ohne noch länger darüber nachzudenken, schlingt Seto seine Arme um Yukis Schultern und zieht sie an sich. Fast wie ein Ertrinkender hält er sie fest und im selben Moment erwidert sie seine Umarmung. Ihre schlanken Arme legen sich um seine Taille und drücken ihn an sich. Ihre Wange lehnt behutsam an seiner Brust und sie hört deutlich wie schnell sein Herz schlägt. In diesem Moment ist ihr alles egal. Das hier ist alles was sie jemals wollte und fast schon hat sie nicht mehr daran geglaubt, dass es jemals passieren würde.
Aber sie spürt noch etwas anderes. Seto zittert. Nicht sehr, aber deutlich und anscheinend ist es ihm nicht möglich es zu unterdrücken. Doch plötzlich bahnt sich ein Tropfen Flüssigkeit seinen Weg über ihre Stirn und nun erkennt sie auch den Grund für sein Zittern: Seto weint! Leise und tonlos weint er vor sich hin, aber nichts desto weniger aus tiefstem Herzen. Sie kann nur wage erahnen, was er all die Jahre durchgemacht haben musste, aber heute hat er endlich die Kraft und den Mut gefunden seiner Seele Luft zu verschaffen und sie wird ihm dabei den nötigen Halt geben, das steht für sie fest!
Wie verzweifelt hat sie diesen Moment herbeigesehnt und am liebsten soll er nie wieder vorbeigehen! Ihr Herz klopft so heftig, dass es sie fast zerreißt und die Wärme die nun ihren Körper überflutet, übersteigt alles was sie jemals zu ersehnen gehofft hat. Mit aller Liebe die sie schon so lange für ihn empfindet, drückt sie ihn noch fester an sich. Und während auch ihr wieder Tränen in die Augen treten, spürt sie, dass auch er sie noch dichter an sich zieht.
So eng umschlungen verharren sie eine ganze Weile bis der Tränenfluss aus Setos Augen versiegt und sie spürt, dass seine Brust sich wieder gleichmäßig hebt und senkt. Dann, nach einem unendlich lang erscheinenden Moment, atmet er einmal tief durch.
„Yuki...“, sagt er sanft, „ich wünschte wirklich...“, er stockt kurz, dann setzt er noch mal an, „Ich wünschte wirklich..., ich könnte diese Gefühle erwidern!“ Die junge Frau versteift sich ein wenig, doch er fährt schon fort: „Aber ich bin nicht mehr der Junge wie du ihn im Gedächtnis hast. Seto Tejima... gibt es nicht mehr!“ Behutsam löst er sich von ihr. Nun hält er sie sachte mit beiden Händen an den Schultern auf Armeslänge von sich so dass sie ihm direkt ins Gesicht schauen muss.
In ihrem Blick liegt nun Furcht und tiefe Traurigkeit, als wollte sie nicht wahrhaben was er gerade gesagt hat; als hätte sie Angst er könne sie von sich stoßen und sie damit in diesem flüchtigen Augenblick ebenso nachhaltig und schmerzhaft verletzen wie sie es damals mit ihm getan hat. Ihre Lippen beben und ihr Gesicht wird bleich.
Aber ihre Furcht ist unbegründet. Mit einem milden Blick schaut Seto sie an. Seine Augen sind ein wenig gerötet aber nun wieder klar. „Mein Name ist Seto Kaiba!“, sagt er leise aber fest, „Und was ich geworden bin, wodurch auch immer, das bin ich geworden! Weder du noch ich können die Zeit zurückdrehen.
„Du hast mich schwer verletzt und diese Wunden heilen noch immer aus. Aber ich habe auf meine Art gelernt damit zu leben. Ich bin vielleicht nicht stolz auf alles was ich getan habe, aber ich stehe dazu! So bin ich einfach und ich werde ganz sicher nicht so ohne weiteres wieder so werden können wie früher. Aber...“ Unfähig den Blick abzuwenden schaut Yuki ihn mit feuchten Augen an. Sie wagt kaum zu atmen, als könnte der kleinste Hauch etwas unheimlich Kostbares zum Platzen bringen.
„Aber...“, sagt Seto nun sanft, „ich will es versuchen! Vielleicht bekommst du Seto Tejima niemals wieder, denn das Einzige was ich dir geben kann ist Seto Kaiba... , wenn du ihn haben willst!“ In seinen wasserblauen Augen sieht sie nichts als absolute Aufrichtigkeit und Zuneigung und in diesem Augenblick weiß sie, dass ihr vergeben ist. Die Last die von ihrer Seele abfällt ist unbeschreiblich und es ist ihr unmöglich an sich zu halten. „Oh Seto!“, schluchzt sie und ehe er noch weiß wie ihm geschieht, hat sie auch schon die Arme um seinen Hals geschlungen und drückt ihre Lippen auf seine.
Zunächst überrascht aber dann es langsam akzeptierend legt nun auch Seto seine Hände sanft an ihre Schultern und sachte erwidert er ihren Kuss. Dann jedoch beginnt er sich ihr behutsam zu entziehen. Ihre großen sehnsüchtigen Augen geben ihm einen kleinen Stich, doch dann sagt er: „Hab Geduld mit mir, Yuki! Tiefe Verletzungen heilen langsam... aber sie tun es!“
Für einen Augenblick zögert sie noch, doch dann nickt sie. „Du hast recht! Es braucht Zeit!“ Sanft fängt Seto mit seinem Finger eine Träne auf die von ihrem Kinn tropfen will. „Vielleicht irgendwann...“, meint er. Yuki atmet einmal tief durch. Ein letzter inniger Blick geht zwischen den beiden hin und her, dann wendet sie sich ab.
„Und... was geschieht jetzt?“, fragt sie zögernd. „Wir sollten es langsam angehen, der Rest wird sich schon finden“, meint er, „Außerdem sollten wir zu den anderen zurückgehen. Ich wage schon gar nicht daran zu denken, was die wahrscheinlich glauben was wir hier machen.“ Belustigt schnaubt Yuki kurz auf. „Das geht die doch gar nix an!“, schmunzelt sie. Seto sagt nichts dazu. Auch er schmunzelt leicht, aber ganz wohl ist ihm trotzdem nicht dabei.
„Was wirst du nun wegen Noah tun?“, fragt Yuki nun doch noch mal behutsam. Einen kurzen Moment zögert Seto, dann sagt er: „Ich werde mir was überlegen!“
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