Alte Rechnungen

Zurück im Cyberspace

Leicht benommen schlägt Seto Kaiba die Augen auf. Nur Augenblicke vergehen und seine Sicht klärt sich wieder. Von wegen leichter Übergang!, ist sein erster Gedanke. Nun wird er sich langsam seiner Umgebung bewusst. Er schaut sich um und stellt fest, dass er sich auf einer weiten, von Bäumen begrenzten Wiese befindet. Hier und da befinden sich kleine Felsbrocken die verstreut über der Ebene verteilt sind. Ein leichter Wind weht ihm ins Gesicht und trägt ihm den Geruch von Gras und Erde zu.
Skeptisch tritt Kaiba an einen der größeren Felsen heran. Prüfend betastet er ihn. Ein wenig überrascht nimmt er wahr, dass er sich recht massiv anfühlt, ja er spürt sogar die Textur und die Temperatur des Felsens. Eine erstaunliche Realitätsnähe!, stellt er bei sich fest, Aber über solch eine Technik verfügt meine Firma auch.
In diesem Augenblick lässt ihn eine helle Stimme herumfahren: „Willkommen in der Virtuellen Realität von Gigatech-Enterprise, Seto Kaiba!“ Vor sich sieht er eine Gestalt. Es scheint eine Frau in einem langen, wallenden, feuerroten Kleid zu sein. Ihre Haare sind lang und weiß, jedoch verleiht der hohe, leuchtende Stab in ihrer Hand ihrem Haar einen rötlichen Schimmer.
Kaiba reckt sich. „Du musst der Kontaktmacher sein“, stellt er fest. „Ich bin die Feuerprinzessin“, entgegnet die Angesprochene. „Du bist eine Figur aus Duellmonsters, richtig?“, meint Kaiba skeptisch, „Scheinbar ist es den Leuten von Gigatech sehr daran gelegen mein Interesse zu wecken.“ Laut sagt er dann: „Ich nehme an, deine Aufgabe besteht darin, mich durch diese Präsentation zu führen.“ „Ich wurde darauf programmiert alle ihre Fragen zu beantworten“, bestätigt die Gestalt vor ihm.
„Von mir aus“, meint Kaiba etwas missmutig, „Ich hoffe jedoch stark, dass diese Präsentation noch mehr zu bieten hat als das was ich bisher sehe.“ Sein Blick geht in die Runde: „Diese Virtuelle Realität verfügt zwar über eine beachtliche Realitätsnähe, doch verglichen mit unserer eigenen Technik ist das hier nicht besonders beeindruckend.“
„Ich bin sicher, sie werden ihre Meinung im Laufe der Präsentation noch ändern, Seto Kaiba“, entgegnet die Feuerprinzessin. „Das will ich stark hoffen!“, meint Kaiba abfällig, „Im Grunde habe ich dieser Vorführung nur zugestimmt, weil man mir versprochen hat, dass man diese Technik mit unserer Holographietechnik kombinieren könnte. Also worum genau geht es dabei? Ich habe es satt hier noch länger zu warten!“
Ohne ein Wort zu sagen, hebt die Feuerprinzessin ihren Stab und im nächsten Augenblick verwandelt sich die Landschaft. Die Wiese verschwindet und nun befinden sich die beiden auf einer großen, metallischen Plattform die mit einer ebenso massiven Metallbrüstung gesäumt ist. Dahinter ist nichts zu sehen als der leere Himmel. Vor ihnen in der Mitte der Plattform befindet sich ein vertrautes Ambiente: Eine Duellmonsters-Arena!
Für einen Moment hält Kaiba die Luft an. Eine ungute Ahnung befällt ihn darüber wo er sich befindet. Um sich Gewissheit zu verschaffen tritt er an die Brüstung heran und wirft einen Blick darüber hinweg. Dahinter geht es steil abwärts bis er in unzähligen Metern Tiefe den zerklüfteten Boden einer Felseninsel ausmacht. Es kann kein Zweifel bestehen, er befindet sich auf dem Duellturm des Battelcity-Finales.
„Das kann nicht sein, ich habe diese Insel persönlich in die Luft gesprengt“, murmelt er. Doch dann fängt er sich wieder. Wie dumm von mir, das ist selbstverständlich nur eine virtuelle Reproduktion, ruft er sich selbst zur Ordnung, aber eine erstaunlich Detailgetreue! An seine Führerin gewandt sagt er: „Wirklich eine gute Nachbildung, aber was hat das mit unserer Holographietechnik zu tun?“
„Mit unserer Technik ist es uns nicht nur möglich, absolut detailgenaue Nachbildungen von Objekten und Subjekten zu erschaffen, sondern sogar das virtuelle Selbstbild des Benutzers variieren zu lassen“, erklärt die Feuerprinzessin pflichtbewusst. Seto Kaiba zieht die Augenbrauen hoch: „Soll das heißen, wer auch immer diese VR-Technik benutzt, kann selbst darüber entscheiden wie er aussieht, ganz beliebig wie?“ „So ist es!“, bestätigt die Gestalt vor ihm. „Aber das ist völlig unmöglich!“, wirft Kaiba ein, „Bisher ist es niemandem gelungen das virtuelle Selbstbild einer Person in solchem Maße verändern zu können. Vielleicht in Kleidung oder minimalen Veränderungen, die im Programm vorgegeben sind. Aber eine solche Variationsmöglichkeit wie sie es hier andeuten, ist einfach nicht machbar!“
„Dennoch ist es mit dieser Technik möglich“, behauptet die Feuerprinzessin bestimmt, „Und um auf ihre Frage zurückzukommen, stellen sie sich nur die Möglichkeiten vor, wenn diese Technik mit ihrer Holographietechnik kombiniert würde. Sämtlichen Duellmonster-Spielern könnte die Gelegenheit verschafft werden in die Rolle ihrer Lieblingsfiguren zu schlüpfen, um nur eine Verwendungsmöglichkeit zu nennen.“
Kaiba blickt einen Augenblick lang nachdenklich drein. „In der Tat!“, gibt er zu, „Die Möglichkeiten wären beachtlich“, dann jedoch besinnt er sich wieder, „Allerdings habe ich noch nicht den kleinsten Hinweis darauf erhalten, dass dies überhaupt möglich ist. Zeigen sie mir endlich Resultate, oder beenden sie diese Farce auf der Stelle!“ Die Feuerprinzessin wirft ihm einen leicht belustigten Blick zu, was Kaiba etwas überrascht. Dann hebt sie erneut ihren Stab: „Wie sie wünschen!“
Augenblicklich verändert sich die Umgebung erneut. Der Metallboden verwandelt sich wieder in den grasbewachsenen Boden einer Wiese und die Brüstung zerfließt vor seinen Augen um dann die Gestalt einer hohen Mauer anzunehmen. In einigen Metern Entfernung befindet sich ein großes Eisengittertor. Es ist geschlossen.
Kaiba blickt sich irritiert um. Von seiner Begleiterin fehlt jede Spur. „Was soll das nun schon wieder?“, fragt er ärgerlich. Doch kaum hat er die Worte gesagt, da stutzt er. War das wirklich eben er selbst der das gesagt hat? „Moment, was hat das zu bedeuten?“, fragt er erneut und wieder ist er im höchsten Maße irritiert. Was ist denn mit seiner Stimme los? Sie klingt auf einmal so anders, viel heller und... kindlicher!
Ein ungutes Gefühl beschleicht Kaiba. Beunruhigt schaut er an sich herab. Auf einmal beginnt sein Herz schneller zu klopfen. Was er sieht verschlägt ihm die Sprache. Dieser Körper, diese Hände und Füße und diese Kleidung! Sie scheinen einem Kind zu gehören. Wenn er sich nicht täuscht, dann dürfte er nur wenig größer als einen Meter sein. „Das... ist doch aber... absolut unmöglich!“, ruft er fassungslos aus. Und wieder irritiert ihn seine hohe Stimme.
Er kann es einfach nicht glauben. Diese Gigatech-Typen haben es wirklich geschafft! Sie haben auch wirklich an alles gedacht. Sogar an die Stimme und an die leicht unbeholfenen Bewegungen eines Kindes. Eine wirklich erstaunliche Leistung!
Doch die erste Begeisterung verfliegt ebenso schnell wie sie gekommen ist. Die Gestalt eines Kindes zu haben, war nicht das was er erwartet hat, geschweige denn gewünscht. „Soll das ein schlechter Scherz sein?“, ruft er aufgebracht, „Wenn ja, finde ich ihn nicht besonders witzig.“ Doch niemand ist zu sehen, der ihn hören könnte. Von seiner Führerin ist keine Spur zu entdecken. Kaiba kocht vor Wut. „Ich garantiere ihnen, diese respektlose Behandlung wird ein Nachspiel haben!“ Doch noch immer scheint niemand auf ihn zu reagieren.
Da ihm anscheinend nichts anderes übrigbleibt, beschließt Kaiba erst einmal dieses Spiel mitzuspielen. Zunächst einmal versucht er sich klar zu machen wo er sich befindet. Er macht ein paar Schritte auf das große Tor zu und späht durch die Gitterstäbe. Dahinter liegt eine große, vornehme Villa. Er runzelt die Stirn. Irgendwoher kommt ihm dieses Haus bekannt vor.
Auf einmal hört er ein Geräusch. Es klingt wie Lachen. Erneut blickt er durch die Stäbe. Da auf einmal sieht er den Verursacher des Lachens. Es ist ein kleines Mädchen. Sie befindet sich im Garten auf der anderen Seite des Zauns und blickt ihn belustigt an. Erneut perlt ein schadenfrohes Lachen von ihren Lippen. „Was ist denn, Seto? Hast du etwa keine Lust mehr? Ziehst du mit eingezogenem Schwanz davon, oder willst du noch einmal gegen mich verlieren?“ Wieder lacht sie laut auf, dann beginnt sie ihm Grimassen zu schneiden.
Kaiba tritt erschrocken einen Schritt vom Zaun zurück. Er spürt wie ihm für einen Moment alle Farbe aus dem Gesicht weicht. Kein Zweifel! Jetzt weiß er wo er sich befindet. „Nein, unmöglich!“, murmelt er. Hastig wendet er sich von dem Gittertor ab.
Hinter ihm ertönt erneut das schadenfrohe Lachen. Dann hört er: „Feigling, Feigling!“ Energisch geht er weiter, immer weiter vom Tor weg über die große Wiese dahinter, bis er das spöttische Lachen nicht mehr hört. Dann richtet er sich hoch auf. Ärger steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Ich weiß nicht was sie mit diesem Szenario bezwecken, aber wenn sie glauben damit meine Begeisterung für ihr Programm zu wecken, dann täuschen sie sich gewaltig!
„Ich lasse mich doch nicht zum Gespött machen, da haben sie sich hier mit dem Falschen angelegt. Ich verlange, dass sie diese Präsentation auf der Stelle beenden! Und diese Angelegenheit wird ein Nachspiel haben, verlassen sie sich drauf!“
Einen Momentlang wartet er, doch die erhoffte Reaktion bleibt aus. Stattdessen scheint die Umgebung nun nach und nach im Dunkeln zu verschwinden, bis nur noch seine unmittelbare Nähe und er selbst zu sehen ist. „Hören sie nicht, ich will, dass sie mich auf der Stelle hier herauslassen, verstanden, oder ich garantiere ihnen, dass sie es ihr Leben lang bereuen werden!“
In diesem Augenblick bemerkt er wie hinter ihm ein Licht erscheint. Rasch dreht er sich um. Vor ihm
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