Brokers and Druids (MMFF)
“Einen Kaffe?”
Die letzten zwei Wochen hatte er in einem billigen Motel im Ostbezirk der Stadt verbracht. Die Gegend war eine der ärmsten. Auch wenn die meisten Bezirke der Stadt nicht unbedingt als wohlhabend zu bezeichnen sind, war diese Gegend doch besonders arm.
Die meisten Einwohner des Ostbezirks gehörten zum ehemaligen Polen, bevor das Land im großen West-Ost Konflikt, vor etwa 35 Jahren, regelrecht zerquetscht wurde.
Die Stadt befand sich komplett auf ehemals polnischem Boden und gehörte zu den größten Siedlungen die nach 1950 gegründet wurden, aber auch zu den ärmsten.
Im West-Ost Konflikt kämpfte die westliche Allianz gegen die UDSSR, wobei die UDSSR zum Ende des Krieges aufgelöst wurde. Das Deutsche Reich hatte sich damals die hälfte Polens einverleibt.
Nathanaël hatte versucht, mehr über das schwarze Ei herauszufinden, doch seine Nachforschungen blieben vergebens und auch der schattenhafte Mann tauchte kein zweites Mal auf.
In der vergangenen Nacht hatte er dann mit einem Warrior aus dem Black Wood Bezirk gesprochen und so von der dortigen Revolte gegen die Druiden und die Machtübernahme seitens der Warriors erfahren.
Zum zweiten Mal seitdem er einen Fuß in diese Stadt gesetzt hatte, verspürte er Neugierde.
Die Druiden hätten sich niemals so leicht zurückgezogen, sie hätten ein riesiges Blutbad im Namen des Gleichgewichts angerichtet und hätten um jeden Millimeter gekämpft.
Das stimmte natürlich nur, wenn sie keinen Plan verfolgten.
Nathanaël hatte schnell ein paar Möglichkeiten durchgespielt und kam auf drei Möglichkeiten.
Die erste ist auch die denkbar einfachste:
Der Rat der Druiden hatte nicht genügend Leute um einen schnellen und endgültigen Befreiungsschlag durchzuführen und fürchtete deshalb einen langen und fruchtlosen Krieg um ein Gebiet, das diesen womöglich gar nicht wert war.
Das Problem bei dieser Theorie war die Tatsache, dass es durchaus möglich gewesen wäre, die Warriors schnell wieder zu vertreiben. Natürlich nur, wenn man genügend Truppen mobilisieren könnte.
So weit Nathanaël wusste, gab es aber genügend Druiden, die innerhalb einer Woche hier sein und den entscheidenden Schlag durchführen könnten.
Diese Tatsache führte Nat zur nächsten Theorie:
Die Druiden hätten genügend Leute, allerdings waren diese anderweitig beschäftigt.
Diese ´Beschäftigung´ musste aber dringlicher sein, als der Verlust eines Gebietes und des Risikos weiterer Revolten.
Blieb noch eine Frage: Was taten die Druiden?
Die letzte Theorie verknüpfte Nat auch gleichzeitig mit der zweiten Möglichkeit:
Da die Druiden kein großes Risiko eingehen und die Verluste so gering wie möglich halten wollten, planten sie einen Überraschungsangriff, oder spannen eine Intrige, die wiederum dazu führte, dass sich die Warriors gegenseitig zerfleischten oder auf einen dritten Feind wie die ASC oder die Brokers losgingen.
Aber wie wollte der Rat der Druiden das anstellen?
Egal welche Theorie nun zutraf, Fakt war, dass Nathanaël über zu wenig Informationen verfügte.
Er brauchte Informanten und zwar viele.
Es konnte schlicht nicht sein, dass er so etwas einfach hinnahm und darauf wartete, wie sich die Dinge entwickeln würden. Dafür war das ganze viel zu interessant!
“Sie fragen sich sicher warum ich sie alle rufen ließ?”
Lady van Marks sprach nicht sehr laut, dennoch wurde sie von jedem im Raum gehört.
Seit der letzten Jagd hatte die Zahl der Jäger stark nachgelassen, und auch einige Forscher wurden von den Leitern der anderen Abteilungen abgezogen.
Kein Wunder also, dass der Raum nicht einmal bis zur Hälfte gefüllt war.
Momentan gab es in der ganzen Stadt nur neunzehn Mitglieder der ASC und die meisten waren im kleinen Besprechungsraum der Villa.
Diese lag im Zentrum der Stadt und hatte daher nur einen kleinen Garten.
Um die Villa herum erhoben sich weitere große Wohngebäude, die alle die gleiche architektonischen Merkmale aufwiesen:
Einen kleinen hübschen Garten am Vordereingang, zwei Säulen aus Stein, die rechts und links vom Eingang eine Art Überdachung hielten, und große, ausladende Fenster die an schwarze, gähnende Löcher erinnern.
Als Lady van Mark an die Forscher dachte, glitt ihr Blick kurz zu Mayra. Die Forscherin hatte alle Mühe sich wach zu halten.
Wenn Erika an die Arbeitszeiten der Forscherin dachte, musste sie gestehen, dass sich Mayra gut hielt.
Mit einem kleinen Seitenblick auf den Projektor begann Erika die Vorführung.
“Der Grund für ihre Anwesenheit sind folgende Bilder!
Bitte prägen sie sich alles ein!
Sobald sie alle Bilder gesehen haben, werde ich ihnen erklären, um was es genau geht!”
Ohne weitere Einleitungen schaltete Lady van Mark den Projektor ein.
Es war vorher schon ruhig im Raum gewesen, nun jedoch herrschte eine geradezu gespenstische Stille.
Jeder starte auf das Bild, das der Projektor an die gegenüberliegende Wand warf.
Das erste Bild zeigte einen schmalen Raum, nach den umgestürzten Regalen zu schließen eine Art Lagerraum.
Das Bild war offensichtlich vom Eingang aus aufgenommen worden, da keine Türe zu sehen war.
Im hinteren Teil des Raumes lehnten zwei Gestalten in einer sitzenden Haltung an der Wand.
Sie wirkten gelassen.
Erst bei näherem Hinsehen erkannte man dunkle Flecken auf der Kleidung, die am Hals begannen und von dort nach unten verliefen.
Die ruhige Haltung der Gestallten wirkte im Chaos um sie herum völlig fehl am Platz.
Nach einer Weile hallte ein leises Klicken und Surren durch den Raum, das nächste Bild wurde eingelegt.
Auf diesem Bild hatte man die Regale weggeräumt und ein Mann stand neben den zwei Gestalten, der Kamerawinkel war etwas verändert worden und man konnte erkennen, dass die beiden Gestalten zwei junge Mädchen waren.
Wieder hallte ein leises Surren durch die Luft und das nächste Bild wurde eingelegt.
Der Kamerawinkel blieb dieses Mal der gleiche, was auf ein Kamerastativ hinwies.
Auf diesem Bild hatte der Mann die Hand auf den Kopf eines der Mädchen gelegt, doch das Mädchen hatte sich offensichtlich nicht gerührt.
Und noch einmal hallte das Surren des Projektors im Raum wieder.
Das Surren blieb dieses Mal nicht das einzige Geräusch. Ein erschrockenes Keuchen aus mehreren Mündern folgte dem erscheinen des Bildes.
Selbst Mayra hatte ihre Müdigkeit abgeworfen.
Auf diesem Bild hatte der Mann seine Hand wieder gehoben, den Kopf des Mädchens hatte er mit in die Höhe gezogen.
Nun war es nicht das Surren des Projektors, sondern Erikas Stimme die die erneute Ruhe, welche dem Aufkeuchen folgte, unterbrach.
“Die beiden Leichen wurden beide geköpft und anschließend in diese Position gebracht.
Die Schnitte, mit denen die Köpfe abgetrennt wurden, sind beide sauber, ohne Ausrisse.
Wahrscheinlich wurden sie jeweils mit einem Schlag geköpft.”
Als hätte der Projektor diese drei Sätze abgewartet, legte er das nächste Bild erst jetzt ein.
Auf diesem lag ein erwachsenes Pärchen aneinander Gekuschelt im Bett, vom Kopf an abwärts wurden sie von der Decke verhüllt.
Auf dem nächsten Bild hatte man die Decke heruntergezogen und die Körper der beiden photographiert.
Sie wiesen etliche Schnittwunden auf, von denen einige bis auf die Knochen gingen.
“Nach den Untersuchungsergebnissen zu schließen haben beide noch gelebt, als sie so zugerichtet wurden. Da die Verletzungen keine lebenswichtigen Organe beschädigt hatten, sind die beiden wohl verblutet.”
Die nächsten zwei Bilder zeigten eine alte Frau, die in der Küche auf einem Stuhl saß, den Ellenbogen auf die Tischkante gelehnt und mit der Hand den Kopf stützend.
Eine Aufnahme von hinten zeigte eine Wunde, die sich in der Herzgegend befand, offenbar wurde sie mit einem Stich ins Herz getötet.
“Ich hätte noch mehr Bilder, aber ich denke das reicht.”
Als Erika in die Gesichter der Jäger und Forscher blickte und deren dankbaren Gesichtsausdruck sah, konnte sie sich innerlich nur gratulieren.
Sie hatte genügend Bilder vorgelegt um alle anwesenden zu schockieren. Zumindest fast alle.
Und dennoch hatte sie noch genügend Bilder in der Hinterhand, um sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder hervorzuholen.
Man konnte ja nie wissen, wann man eine kleine Trumpfkarte brauchte, und mit Bildern ließ sich eine Menge anfangen.
Besonders wenn man die Geschichte dazu leicht verändern konnte.
Die einzigen drei, die sich von den Bildern nicht im geringsten beeindrucken ließen waren die Jägerin Carolin, auf deren Gesicht etwas ähnliches wie stille Bewunderung zu sehen war, Kreuzberger, dessen Gesicht einfach gar nichts ausdrückte und Mayra, die nur so etwas wie Neugierde zu empfinden schien.
Bei Mayra schob Erika das fehlende Entsetzen auf deren Schlaflosigkeit, bei den anderen beiden jedoch wusste sie nicht recht was sie glauben sollte.
Erika vermutete ja schon lange, dass Carolin nicht ganz normal war, mittlerweile hielt sie die Jägerin sogar für verrückt und Kreuzberger hatte sie noch nie verstanden.
Sie dachte kurz an den regnerischen Herbsttag im letzten Jahr als Kreuzberger auf einmal vor dem Haupteingang der Villa erschien und sich als Warrior zu erkennen gab. Damals hatte die ASC die Linse noch nicht gehabt.
Die Wachen hätten beinahe auf ihn geschossen.
Warum sich der Warrior von der ASC als Waffe einsetzen ließ verstand Erika heute genauso wenig wie damals.
Einmal hatte Erika ihn gefragt, doch die Antwort hatte sie nicht zufrieden gestellt.
“Warum ich mich euch angeschlossen habe? Ganz einfach, mir hat das Haus so gut gefallen!”
Das hatte er damals gesagt und Erika wusste so sicher wie er, dass dies nur eine Lüge war.
Die Häuser, oder besser die Villen hier in der Gegend sahen alle mehr oder weniger gleich aus.
Nur wegen einem etwas schöneren Vorgarten hätte er sich nicht für die ASC entschieden, da gab es noch mehr.
Erika wusste einfach, dass Kreuzberger irgendeinen Nutzen aus der Sache zog. Sie wusste nur nicht welchen und das