Fanfic: Die Mutprobe

Kapitel: Die Mutprobe

Die Mutprobe




„Bist du bereit, Kai?“, fragte mich Nick. „Klar“, murmelte ich leise. Alle meine Freunde hatten sie bereits bestanden. Sie – die Mutprobe. Jetzt war ich an der Reihe, um zu beweisen, dass ich genauso mutig war wie sie. Draußen war es bereits stockdüster, man konnte selbst seine eigene Hand nicht mehr vor den Augen erkennen. Während meine Eltern selig in ihrem Bett schlummerten und gar nicht mitbekommen hatten, dass ich mich heimlich nach draußen geschlichen hatte, stand ich nun fröstelnd im Untergrund.

Ich saß auf einem Stuhl und rührte mich keinen Zentimeter, als Sam die Fesseln überprüfte, die mich regelrecht an die Sitzgelegenheit nagelten. Er nickte und wich einen Schritt zurück. „Okay, du weißt, was du tun musst?“, fragte Jamie dann. Ich nickte, genauso wie Sam vor mir. „Ich muss mich befreien, während das Wasser immer höher steigt und aus dem Raum entkommen.“ Das Zittern in meiner Stimme konnte ich nicht verbergen, aber die anderen schienen es entweder nicht zu bemerken, oder sie beachteten es einfach nicht. „Viel Glück, Kumpel“, grinste Nick noch, bevor er mit den anderen verschwand.

Das besagte Wasser ließ nicht lange auf sich warten, begann, den kleinen Raum zu füllen. Ich wusste, dass meine Freunde mich durch ein kleines Fenster beobachteten. Angst durchfuhr meine Knochen, ich wurde panisch. Es stieg immer höher, ich zerrte an den Fesseln, doch sie lockerten sich nicht, zogen sich nur noch immer fester. Ich gab ein leises Wimmern von mir, doch niemand, wie könnte es auch anders sein, hörte es. Meine Jeans war bereits vollkommen durchnässt und ich wurde immer verzweifelter. Ich sah in die Gesichter der anderen, las in jedem etwas anderes. Es war, als würde Nick meine Seele widerspiegeln, meine Panik erkannte ich auch in seinen Gesichtszügen, doch die der anderen waren vollkommen ruhig. Ein weiteres, verzweifeltes Wimmern entkam meinen Lippen. War das mein Ende? Sollte ich mit meinen jungen elf Jahren schon sterben? Aber eigentlich war es doch meine Schuld gewesen. Ich hätte diese Mutprobe nicht bestreiten müssen. Ich hätte nein sagen können. Doch ich hatte es nicht getan.

Das Wasser ging mir mittlerweile fast bis zur Brust. Es würde nicht mehr lange dauern, bis es mich ganz eingeschlossen hatte. Ich würde jämmerlich ertrinken, wenn mich niemand retten würde. Ich sah, dass Nick und Jamie irgendetwas schrien, doch ich verstand sie nicht, zerrte weiter an den Fesseln. Mein einziger Gedanke war, dass gleich alles vorbei sein würde. Ich würde sterben, zusammen mit all meinen Träumen und Wünschen, mit meiner Zukunft als weltberühmter Fußballstar. Angstschweiß bildete sich auf meiner Stirn und ich schloss die Augen. Gleich würde das Wasser so hoch stehen, dass ich nicht mehr atmen könnte. Ich blickte ein letztes Mal zu meinen Freunden, die mich nicht retten würden. Selbst Nick nicht. Doch was waren das für Freunde, die einen der ihren einfach so ertrinken ließen? War ich überhaupt je einer von ihnen gewesen? Oder hatten sie mich nur geduldet, weil ich mit Nick befreundet gewesen war? Ohne noch einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, holte ich tief Luft, auch wenn mir klar war, dass dies nicht sonderlich viel bringen würde.

Ich wusste, dass es aus war.
Suche
Profil
Gast
Style