Kingdom Hearts - Lunar Eclipse
Tag 1: ~ der Geschmack von Meer ~
Tag 1: ~ der Geschmack von Meer ~
Das Abendrot erhellte die Straßen und Gassen Twilight Towns.
Fröhlich summend sprang ein kleiner Junge mit weißblonden Haaren über den gepflasterten Boden hinweg und blieb hin und wieder bei einem Geschäft stehen, um die dort ausgelegten Waren zu betrachten.
„Guten Abend mein Lieber!“, die Verkäuferin an einem Stand für Süßigkeiten lächelte den Kleinen an: „Kann ich etwas für dich tun?“
„Nein.“, antwortete der Junge nur mit einem breiten Grinsen und stellte sich auf die Zehenspitzen, um üben den Ladentisch zu lugen. Hellgrüne, fast leuchtende Augen huschten über die bunten, mit Bonbons gefüllten Gläser.
„Suchst du etwas?“, erkundigt sich die Verkäuferin erneut.
Der Blonde erstarrte und runzelte angestrengt die Stirn: „… tue ich das? Ja!!! Sie haben Recht, ich suche etwas!“
Die Frau schien ein wenig überrascht von dem seltsamen Verhalten des Jungen, doch wollte sie sich nichts anmerken lassen.
„Und was suchst du? Vielleicht kann ich dir ja weiterhelfen.“
Auf dieses Angebot hin verfiel der Kleine in Schweigen. Die großen Augen weiteten sich für einen Moment, als wollte er einen Gedanken erfassen, dann atmete er genervt aus.
„Puh, ich hab keine Ahnung, muss es wohl vergessen haben.“
Besorgt musterte die Verkäuferin den Jungen.
„Oh!“, der Blonde hob lachend die Hände: „Das ist nicht schlimm! Ich vergesse andauern etwas, das hat-.“
Er verstummte.
„Was ist?“
„Ich … ich weiß nicht!“, murmelte der Junge: „Ich hab nur eine Person vergessen, die ich kenne.“
„Das hört sich nicht gerade sinnvoll an.“, die Verkäuferin führ nervös mit der Hand über den Ladentisch. Auf irgendeine Weise schien der Kleine eine Naivität auszustrahlen, mit der sie nicht umzugehen wusste.
„Muss es denn einen Sinn ergeben?“, seine Augen blitzen auf.
„Ähm ….“, schnell lehnte sich die Frau über die Theke hinweg: „Wie heißt du denn, Kleiner?“
„Raven!“
„Und, wo sind deine Eltern, Raven? Bist du alleine hier?“, wollte sie wissen, als sie auf dem Platz nach Leuten suchte, die vielleicht zu dem Blonden gehörten. Dieser blinzelte bloß und untersuchte eine riesige Tafel Schokolade.
„Hab ich vergessen!“, meine er leichthin: „Seltsam, ich kann mich irgendwie an ganz schön wenig erinnern ….“
Die Verkäuferin verzog das Geicht: „Mein lieber Junge, mach bitte keine Scherze. Du kannst doch nicht einfach so alleine durch die Gegend ziehen. Wie alt bist du, acht?“
„… nein, ich bin schon elf!“, brummte Raven verstimmt.
„Trotzdem, hast du keine Verwandten oder Freunde, die auf dich aufpassen?“
Raven schwieg: „Ich … ich weiß es nicht.“
Es war eher eine Art Selbstgeständnis, das der Junge von sich gab.
„Aber ich kann schon auf mich aufpassen! Sie müssen sich keine Sorgen machen!“, behauptete Raven gleich, als er erkannte wie seine Antwort bei der Dame ankam. Doch diese wurde nun noch besorgter.
„Ich helfe dir deine Eltern zu finden, Okay? Sie müssen hier doch irgendwo sein ….“
„Nein!“, der Junge hob die Hände und trat einen Schritt zurück: „Kein Thema, ich finde mich schon zurecht! Ich bin ein lebendes Navigationssystem!“
„Das ist wirklich nicht lustig!“, unbeirrt fuhr die Verkäuferin fort: „Du kommst jetzt erst einmal mit, wir werden schon jemanden finden, der dich sucht. Bist du von zu Hause weggelaufen oder was?“
Raven öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, als hinter ihm eine Stimme ertönte: „Hey, Kleiner. Endlich habe ich dich gefunden!“
„Hä!“, der Blonde drehte sich schnell um und blickte zu einem jungen Mann mit roten Haaren hinauf.
„Machen sie sich keine Sorgen, der gehört zu mir!“, erkläre dieser und stellte sich neben Raven: „Oder?“
„Ääääh ….“, Raven war sich nicht sicher, was er antworten sollte Letztendlich entschied er sich dafür, dem Rothaarigen einfach zu vertrauen.
„Ja, ich gehöre zu ihm! Wir sind … n-nahe Verwandte!“, bestätigte er nickend.
Die Frau atmete langsam aus: „Na gut! Aber passen sie bitte auf den Jungen auf. Ich habe das Gefühl, dass er nicht gut darin ist sich Dinge zu merken.“
„Hehe, so ist er halt.“
Raven sprang über den Platz hinweg, froh, dass er nun wieder seine Ruhe hatte.
Grade als er sich daran machen wollte in eine Seitengasse abzubiegen, packte ihn jemand an der Schulter.
„Warte Mal, Zwerg! Ich hab noch was gut bei dir!“
Es war der Rothaarige vom Süßigkeitenstand. Raven hielt an und sah nachdenklich zu ihm hoch. Der junge Mann trug einen schwarzen Mantel, der ihn an irgendetwas erinnerte.
„Äh, Danke?“, meinte Raven und zuckte mit den Schultern.
„Immer gerne!“, der Mann streckte ihm die Hand hin: „Ich bin Axel, kannst du dir das merken?“
Der Junge zuckte mit den Schultern: „Ich kann’s versuchen ….“
Axel grinste und hielt ich eine Tüte hin.
„Hey, Lust auf was Süßes?“
Verstohlen musterte Raven das Päckchen. Sein Magen brummte, deshalb stimmte er nur gerne zu.
„Gerne, ich glaub es ist eine Ewigkeit her, seit ich was zwischen die Kiemen bekommen hab!“, meinte er und lächelte. Der Typ war ihm zwar immer noch ein wenig unheimlich, aber damit konnte Raven leben.
„Alles klar! Dann lass uns gehen!“, Axel schob ihn in Richtung einer Treppe, die weiter hinauf zum Bahnhofsplatz führte. Raven konnte sich schwach erinnern, dass er dort schon einmal gewesen war, vielleicht heute Morgen, … oder schon vor längerer Zeit. Auf jeden Fall hatte er es dort nicht gerade spannend gefunden.
„Wohin willst du?“, fragte er beiläufig, als er langsam neben dem Rothaarigen hertrottete.
„Ich kenn da einen ruhigen Ort!“, erklärte dieser: „Da können wir ungestört reden.“
Wenige Minuten später saßen die beiden nebeneinander auf der Spitze des Turmes, der am höchsten Punkt Twiligt Towns gebaut worden war. Raven blickte schweigend auf die Stadt hinab, als Axel ihm ein blaues Eis vor die Nase hielt.
„Hier, wie versprochen! Ein Meersalzeis für den kleinen- … wie heißt du eigentlich?“
„Raven … einfach nur Raven.“, vorsichtig nahm der Blonde Axel das Eis ab: „Was ist das für eine Sorte? Meersalz?“
„Jepp, Meersalz!“
Für kurze Zeit verzog der Junge das Gesicht: „Uh, aber ein Eis, dass nach Meer schmeckt … naja.“
Ohne weiteres Zögern schob er sich die gefrorene Süßigkeit in den Mund. Mit großen Augen sah Axel zu, wie das Eis bis zum Stiel verschwand, während er seines unberührt lies.
„Und?“, wollte er grinsend wissen.
Raven seufzte: „Aaaaah! Wenn das ein richtiges Meersalzeis ist, dann könnte ich jetzt einen ganzen Ozean leer trinken!!!!“
„Wenn du willst, kannst du auch meins haben.“
Der Kleine grinste: „Mit größtem Vergnügen!“
„Also ...“, setzte Axel an, als Raven auch mit dem zweiten Eis fertig war: „Kannst du mir sagen, was da vorhin passiert ist?“
Der Junge schluckte: „Was?“
„Du kannst dich an nichts mehr erinnern? Wieso?“
Auf die Frage des Rothaarigen konnte Raven nur schweigen. Das Licht der untergehenden Sonne blendete ihn für einige Sekunden, dann schob sich eine Wolke über den Abendhimmel.
„Hmmm, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll ….“
Axel machte eine ernste Miene: „Hey, du kannst mir vertrauen! Ich will dir nur helfen.“
„Ach, dass ist es nicht!“, Raven balancierte einen Eisstiel auf dem Zeigefinger: „Es ist eher so, dass ich keinen Anfang mehr weiß, … ich habe vergessen, wie alles angefangen hat. Meine Erinnerungen beginnen heute Mittag, vielleicht noch heute Morgen. Aber davor?“
Er blies sich eine helle Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Aber an deinen Namen erinnerst du dich noch ….“, stellte Axel fest.
„Den werde ich wohl kaum erfunden haben!“
Raven zog die Knie an den Körper.
„Und, woher kommst du, Raven?“, Axel beobachtete den Kleinen eindringlich.
Dieser versank in Gedanken und schweifte mit seinem Blick ab, als wäre er in einem Traum gefangen. Schließlich knirschte er mit den Zähnen und schreckte wieder auf.
„Du … im ernst. Ich hab keinen Plan. Irgendwie ist alles weg ….“, gestand Raven.
„Das heißt dass das einzige, an das du sich erinnerst … dein Name ist.“, schloss Axel: „Ja, das ist wirklich Mist …. Im Grunde genommen ist das, das Unbrauchbarste.“
Raven prasste sich die Hand gegen die Stirn: „N-nein! Nicht alles. Ich bin auf einer Suche.“
„Einer Suche? Hast du etwas verloren?“
„Nein, ich glaube eher … ich bin verloren gegangen ….“, flüsterte der Blonde. Schlagartig wurde ihm kalt.
Axel nickte stumm.
„Weiß nicht …, das ist nur ein Gefühl!“, winkte Raven ab.
„Ein Gefühl?“, lachte der Rothaarige: „Raven, du bist dir doch sicher im Klaren, dass du nichts mehr fühlen kannst!“
Er stockte, als wäre ihm etwas eingefallen. Mit einem genervten „uff“ erhob er sich.
„Hey! Du kannst doch jetzt nicht einfach abzischen!“, rief Raven: „Wie um Himmels Willen kommst du auf den bescheuerten Gedanken, dass ich nichts mehr fühlen kann?“
Axel strich sich die schwarze Kutte glatt: „Kleiner, das hört sich jetzt ein bisschen krass an …. Aber du hast kein Herz mehr.“