Regenkuss
in den Augen rannte Temari durch die Straßen. Was sie da zu sehen bekommen hatte, zerschlug ihr Herz förmlich. Noch nie im Leben hatte sie sich so bloßgestellt gefühlt. Noch nie hatte sie sich derartig hilflos gefühlt. Mit einem Schlag wurden all ihre Hoffnungen zerstört.
Warum auch hatte sie gedacht, dass sie Chancen bei ihm hätte? Wie dumm sie doch war.
Genau das war es, dumm. Sie hätte sich ohrfeigen können.
„Entschuldigen Sie, geht es Ihnen gut?“
Mit feuchten Augen schaute Temari in das Gesicht der Frau, die sie angesprochen hatte.
In ihrem Kopf wollte sich kein Gedanke fassen und so starrte sie einfach nur weiter in ihr Gesicht.
„Ist alles in Ordnung? Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie helfen?“
Die Frau schien nervös zu werden. Sie wirkte seltsam besorgt.
Es war merkwürdig. Die Frau war eine fremde Person, aber ihre Besorgnis tat Temari gut.
Plötzlich wehte der Wind eine hellblonde Haarsträne der Frau in deren Gesicht.
In diesem Augenblick sah sie aus wie … Ino.
Erneut liefen Temari die Tränen über ihre Wangen und sie drückte sich die Hand vor den Mund.
„Warten Sie!“, rief die Frau ihr hinterher, aber Temari rannte weiter.
Als Temari stehen blieb und sich umsah, stand sie am Rande des Konoha-Waldes.
War sie soweit gelaufen? Wie erbärmlich.
Dieser verdammte Shikamaru! Das war alles nur seine Schuld!
Warum musste sie sich auch ausgerechnet in ihn verlieben! Warum hatte sie überhaupt solche Gefühle!?
Wütend schlug sie mit der Faust gegen einen Baum. Das tat gut.
Immer und immer wieder schlug sie dagegen, bis sie aufhörte zu weinen.
In ihrem Inneren war die Traurigkeit verschwunden, auch die Wut war wie weggeblasen.
Temari fühlte sich einfach nur noch leer.
Sie setzte sich auf einen großen Stein und sah in den Himmel. Über ihr ließen die Baumkronen ein großes Loch frei, durch das sie die Sterne sehen konnte.
Im Gegensatz zu Suna war der Himmel hier fast immer mit Wolken bedeckt. Über ihr war der Himmel mittlerweile recht dunkel geworden, so dass man die Sterne funkeln sah, aber weiter hinten kam eine Welle von tiefdunklen Gewitterwolken auf.
Lange konnte sie also nicht hier bleiben.
Ein leichter Wind tat sich auf und wehte ihr durch die Haare.
Wie schön sich das anfühlte. Es war, als würde man ihr übers Gesicht streicheln und mit ein paar ihrer Haarstränen spielen.
In ihren Gedanken formte sich ein Bild: Neben ihr saß Shikamaru und ließ seine Hand langsam über ihr Gesicht streichen.
In der ersten Sekunde erschrak Temari fürchterlich, denn der aufkommende Schmerz in ihrer Brust ließ sie erstarren, aber dann verschwand das Bild und sie fiel wieder in das Meer von Trauer.
Jetzt wo es vorbei war, jetzt wo all ihre Hoffnungen gestorben waren, da konnte sie sich doch wohl mit ihrer Fantasie trösten.
So wie sie da saß und vor sich hin träumte, bemerkte sie nicht, dass noch jemand hier war.
„Temari?“
Ruckartig schlug die Angesprochene ihre Augen auf.
Diese Stimme!
Als sie die Person anguckte, die sie angesprochen hatte, fingen die Schmetterlinge wieder an zu fliegen und gleichzeitig verbrannte ihr Herz.
Geschockt starrte sie Shikamaru an.
„Was machst du hier?“, fragte er.
Mit niemandem hatte Temari hier gerechnet, besonders nicht mit ihm. Schließlich war er der Grund dafür, warum sie überhaupt hier war. Was also brachte ihn dazu, sich in den Wald zu begeben?
Und nebenbei: Wo war Ino? Hatten sie nicht eine Verabredung oder so etwas?
„Das Gleiche könnte ich dich fragen!“, gab sie ihm als Antwort.
Missmutig sah Shikamaru zu Boden. Anscheinend war ihm irgendwas unangenehm.
Seltsam. Eigentlich hatte er doch überhaupt keinen Grund dazu.
Ruckartig erhob sich Temari von dem Stein und stellte sich demonstrativ vor den Braunhaarigen.
„Sag mal Shikamaru, wo hast du Ino gelassen? Du hast sie doch nicht einfach versetzt, oder?“ Äußerlich versuchte sie genauso cool zu wirken wie immer. Sie versuchte ihr typisches Grinsen aufzusetzen und ihre Stimme herausfordernd klingen zu lassen, aber so ganz wollte ihr das nicht gelingen.
Shikamarus Augen weiteten sich bei der letzten Frage ein wenig, so als ob ihm plötzlich etwas einfallen würde.
„Nun ja, das ist kompliziert, aber eigentlich hab ich genau das getan…“
Eigentlich sollte das gerade nur ein Scherz sein. Aber hatte er Ino wirklich einfach stehen lassen? Und warum war er dann hier? Sie konnte es einfach nicht verstehen.
„Hm, du bist wirklich ein Idiot. Hat man dir keine Manieren beigebracht? Man lässt seine Verabredung nicht einfach so sitzen. Und sag mir endlich, was du hier willst!“
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So genau wusste Shikamaru das selber nicht. In seinem Kopf tobten die Gedanken förmlich, er konnte sich nicht konzentrieren. Aber die Tatsache, dass Temari vor ihm stand und ihn erwartungsvoll ansah, ließ sein Herz schneller schlagen.
„Seit wann interessierst du dich dafür, was ich mache?“, konterte er. Allerdings nur, um vom eigentlichen Grund abzulenken.
Temari drehte sich um, sodass sie nun mit dem Rücken zu ihm stand und sah in den Himmel. Shikamaru folgte ihrem Blick und auch er bemerkte die dunklen Wolken, die schon fast über ihnen waren.
„Warum machst du das?“, murmelte Temari so leise, dass er es nicht richtig verstand. Aber er glaubte, diesen Satz gehört zu haben. Anscheinend sprach sie mit sich selbst.
„Wir sollten uns langsam wieder ins Dorf begeben …” Mit einem erneuten Blick schätzte der Nara die Geschwindigkeit der Wolken ab. Wahrscheinlich nicht mehr als fünf Minuten, bis es hier anfing zu regnen.
Das Mädchen zog ihren Fächer und klappte ihn auf. Sie hielt ihn wie einen Schirm über sich und sagte: „Nein. Du kannst ja gehen, aber ich werde noch bleiben.“
Damit lief sie los, tiefer in den Wald und direkt auf den Regen zu.
„Warte!“, rief Shikamaru ihr hinterher und rannte ebenfalls in die selbe Richtung. Er hatte sie schnell eingeholt und lief nun neben ihr her.
Was hatte sie bloß vor? Was brachte es ihr, wenn sie jetzt in den Wald lief?
Mehrere Minuten durchquerten die zwei den Wald und kurz darauf, fielen die ersten Tropfen auf sie herab. Bald regnete es wie aus Eimern, doch es war angenehm.
Da die Luft nicht so kalt war, fühlte der Regen sich nicht so unangenehm an.
Die Blonde blieb stehen. Shikamaru ebenfalls. Ihm war es im Moment egal, dass er klitschnass war und dass seine Beine komplett mit Schlamm bedeckt waren. Er starrte nur das Mädchen neben ihm an und versuchte herauszufinden, was in ihrem Kopf vorging.
„Hier”, sagte Temari und gab ihm, ohne ihn anzusehen, den Fächer. Diesen hatte sie bis gerade als Schutz vor der Nässe genutzt.
Der Braunhaarige nahm ihn und beobachtete die Kunoichi. Sie legte ihren Kopf weit in den Nacken, sah in den schwarzen Himmel und schloss die Augen. Sie streckte ihre Arme von sich und fing an zu lachen. Es war ein lautes, fröhliches Lachen.
Ihre Stimmung hatte sich von jetzt auf gleich verändert. Nur wegen dem Regen.
Natürlich, schoss es ihm durch den Kopf. Es war klar, dass sie sich so über das fallende Wasser freute! Sie kam aus Suna und dort gab es bekanntlich keinen Regen.
Fasziniert beobachtete er das Mädchen, das er liebte, wie sie immer noch lauthals lachte und die Regentropfen aus ihrem Gesicht genoss.
So glücklich hatte er sie schon lange nicht mehr gesehen und das machte ihn glücklich.
Wie in Trance bewegte er sich auf Temari zu und ließ den Fächer einfach fallen. Er vergaß alles um sich herum, nur sie war wichtig.
Wie sie lachte. Das Lachen, das er so liebte. Das schönste aller Lachen.
Als er direkt neben ihr stand, fasste er sie vorsichtig an den Schultern.
Überrascht sah Temari ihn an und wurde rot. Für ein paar Sekunden standen sie einfach nur so da und sahen sich in die Augen.
Die Zeit schien, als würde sie stillstehen, nur der Regen prasselte weiter auf sie herab.
Ohne dass er es selbst bemerkt hatte, lagen plötzlich seine Lippen auf ihren und die Sabakuno riss erschrocken die Augen auf.
Shikamaru durchströmte ein warmes Gefühl, welches ihn vollkommen ausfüllte.
Er küsste sie! Er küsste sie tatsächlich! Das, wovon er nächtelang geträumt hatte, war nun Realität. Er genoss den Augenblick, doch irgendwann löste er sich von Temari, welche die ganze Zeit einfach nur geschockt da gestanden hatte.
Verlegen sah er zur Seite. Bevor er auch nur einen Gedanken fassen konnte, erhob Temari die Stimme. Allerdings hatte er alles andere als das erwartet.
„W-was sollte d-das?“ Immer noch mit aufgerissenen Augen und zittriger Stimme stand sie völlig überfordert da. Ihr Blick war ins Leere gerichtet und ihre Wangen waren rot.
„Ich dachte … du und Ino … aber das …“ Ihr Körper zitterte, als sie wirres Zeug stotterte. Shikamaru bekam Panik. Hatte er etwas falsches getan? Warum war sie jetzt so aufgelöst? Plötzlich fing sie an zu weinen.
„Shikamaru! Sag mir, was das sollte!!“, schrie sie. Auch wenn sie jetzt weinte, schien sie wütend zu sein.
„Also ich …“ Auch er wusste nicht, warum er das getan hatte. Es war einfach so passiert. Aber er bereute es nicht. Kein Bisschen.
„WARUM KÜSST DU MICH, WENN DU MIT INO ZUSAMMEN BIST?!“ Sie brüllte aus Verzweiflung.
Jetzt ging Shikamaru ein Licht auf. Auf einmal wusste er, warum sie so verletzt war, warum sie jetzt so neben sich stand.
Sie dachte doch tatsächlich, dass Ino seine Freundin war! Das war aber auch kein Wunden, es hatte schließlich so ausgesehen. Aber da fehlte noch etwas. Warum war sie deswegen traurig?
„Temari“, fing er an, „du verstehst da gerade etwas falsch.“
Mit Tränen in den Augen sah sie ihn an. Sie wartete darauf, dass er weiter sprach.
„Ich bin nicht mit Ino zusammen. Ich weiß, dass sah heute verdammt da nach aus,